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hr1 Sonntagsgedanken

Haarige Geschichten

Nicole KohlheppPfarrer Martin VorländerPfarrer Martin Vorländer

Bei dem einen fängt es mit Geheimratsecken an. Ein anderer streicht über die sonst dichte Mähne und ertastet auf einmal eine lichte Stelle am Hinterkopf. Im Kamm und auf dem Kopfkissen findet man immer mehr Haare. Nun hat man zwei Möglichkeiten. Man lässt den verbleibenden Haarkranz lang wachsen und gelt die Strähnen über die kahle Fläche. Meistens sieht dieser Versuch nicht glücklich aus. Dann lieber Möglichkeit zwei: zur Glatze stehen, die Restbestände kurz scheren und den Charakterkopf mit Würde präsentieren. Manchem Betroffenen hilft Humor. „Gott schuf einige vollkommene Schädel. Die übrigen bedeckte er gnädig mit Haar.“

Haare, ob man welche hat oder nicht, erzählen viel von einem Menschen. Wer einen „bad hair day“ hat und am Morgen die Frisur nicht in den Griff bekommt, fürchtet, der ganze Tag wird ihm oder ihr entgleiten. Ist nach einer Trennung oder Krise das Tal der Tränen durchschritten, dann machen besonders gerne Frauen den Neubeginn mit einem neuen Haarschnitt sichtbar. Hier bin ich, auferstanden wie der Phoenix aus der Asche!

Haare. Eigentlich sind sie nichts anderes als Fäden aus Kreatin, Restbestände des Fells, das wir einst am ganzen Körper hatten. Doch Haare sind mehr. Was Haare über uns erzählen, fängt schon bei den biblischen Frisuren an. In der Bibel ist Frisur keine Privatsache. Haare sind ein Politikum. Schon an der Haartracht sollte man im biblischen Israel erkennen, ob einer zum Volk Gottes gehört oder nicht. Im Prophetenbuch Jeremia heißt es: „Alle, die sich das Haar stutzen“, das sind die anderen, die Unbeschnittenen, die Gott heimsucht. Von denen sollen sich die Israeliten unterscheiden. Das biblische Buch Levitikus macht konkrete Frisurvorschriften: „Ihr sollt euer Haar am Haupt nicht rundherum abschneiden noch euren Bart stutzen.“ Eine Vokuhila – die Haare vorne kurz, hinten lang – kombiniert mit einem episch langen Bart ging also biblisch in Ordnung.

Dem Apostel Paulus allerdings würden bei dem Anblick von Männern mit Löwenmähne die Haare zu Berge stehen. Er meinte nämlich, dass es für einen Mann widernatürlich und „eine Unehre ist, wenn er langes Haar trägt“. Wer also die Bibel wortwörtlich verstehen will, hat spätestens beim Friseur ein Problem: Soll er sich nach Levitikus nur hie und da Spitzen schneiden lassen oder mit Paulus alle Haare unbedingt kurz? Paulus hat übrigens auch eine feste Vorstellung, wie Frauen ihre Haare tragen sollen.


Die kompletten Sonntagsgedanken von Pfarrer Martin Vorländer gibt es ab dem 22. Oktober 2017 zum Nachlesen auf  www.rundfunk-evangelisch.de

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