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Kunstprojekt

Sehnsucht nach Frieden und Geborgenheit

Die Wiesbadenerinnen und Wiesbadener haben sich mit großer Begeisterung am Kunstprojekt "Before I Die ..." (Bevor ich sterbe) beteiligt. Eine Woche lang konnten sie an verscheidenen Orten in der Stadt auf Tafeln aufschreiben, was sie in ihrem Leben noch tun, erreichen oder erleben möchten - bevor sie sterben.

Irgendwann einmal werden wir den letzten Kaffee getrunken haben. Wir werden das letzte Mal in den Sternenhimmel geschaut, das letzte Buch gelesen, das letzte Mal die Menschen gesehen haben, die uns nahestehen. Und vielleicht kommt der Tag, an dem die Menschen nicht mehr da sind, die uns nahestanden.

Doch was möchten wir tun, bevor dieser Tag kommt? Anlässlich des Friedhofstags hat sich diese Frage den Besuchern des Südfriedhofs gestellt. Drei schwarze Kreidetafeln mit dem Schriftzug „Bevor ich sterbe, möchte ich…“ standen vor der Kapelle bereit, um von den Besuchern mit ihren Wünschen und Träumen beschrieben zu werden. Aufgestellt wurden sie von der „Schwalbe 6“ und „Auxilium“ in Zusammenarbeit mit der Stadt.

Die Gedanken auf den Punkt zu bringen, ist nicht einfach


Genau genommen sei es keine Frage, sondern eine Einladung, sagte Pfarrerin Annette Majewski von der „Schwalbe 6“. Manchen fiel es sichtlich leicht, dieser Einladung zu folgen. Schnell füllte sich die Tafel.

Von der jüngsten Besucherin, die sich vornahm, „ganz viel Freude“ zu haben, bis hin zum Wunsch eines Arbeiters, nach Bora-Bora zu reisen, sammelten sich konkrete und emotionale Vorhaben: „viel Lachen“, „Geborgenheit erlebt haben“, „mit mir und meinem Leben zufrieden sein“ oder der Wunsch, „in Frieden zu leben“ und „einfach zu sein“.
Für andere zeigte sich: Die eigenen Wünsche auf den Punkt zu bringen, ist gar nicht so einfach. „Ich gehe noch in mich“, war eine häufige Antwort auf die Einladung, an die Tafel zu treten.

Inspiriert ist das Projekt von der Arbeit der US-Amerikanerin Candy Chan. In New Orleans brachte die Künstlerin eine Reihe von Kreidetafeln an einer Häuserwand an und formulierte den Satzanfang „Before I die, I want to…“. In kurzer Zeit waren die schwarzen Tafeln mit bunten Schriftzügen beschrieben. Das Projekt wurde in mittlerweile mehr als 70 Ländern nachgeahmt.

Auch Wiesbaden befindet sich damit in internationaler Gesellschaft. Besuchern des F.U.C.-Festivals der Kreativfabrik bot sich bereits von Freitag an die Gelegenheit, Pläne für das Hier und Jetzt zu schmieden. Dort galt jedoch das Motto: „Bevor ich ins Gras beiße, möchte ich…“.

Eine Formulierung, die auch Ralf Michels, Geschäftsführer des Vereins „Auxilium“, zum Schmunzeln brachte. „Tod und Sterben sind nach wie vor ein Tabuthema“, sagte Michels. Eine Folge davon sei, dass Menschen erst erkannten, was ihnen wichtig sei, wenn es zu spät sei. Das Projekt biete die Chance, ein Bewusstsein für die Möglichkeiten zu schaffen, das eigene Leben in Anbetracht der Endlichkeit zu gestalten. Das Projekt habe daher auch dokumentarischen Charakter, indem es die Wünsche und Prioritäten der Menschen sichtbar mache, so Michels.

Text: Malte Albrecht
Quelle: Wiesbadener Kurier / Tagblatt

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