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Wohnungsmangel

Diakonie will Wohnungslosigkeit überwinden

chameleonseye/istockphotoFamilienvater genervt im Vordergrund. Im Hintergrund die Mutter mit dem Kind auf dem Arm. Links Kartonstapel im ZimmerJunge Familien und Senioren finden nur schwer eine bezahlbare Wohnung.

Damit es mehr bezahlbaren Wohnraum gibt, fordert die Diakonie Hessen, dass mindestens 40 Prozent der Neubauten als sozial geförderter Wohnraum erstellt werden soll. Und 20 Prozent soll als preisgünstiger Wohnraum geschaffen werden. In ihrem landesweiten Aktionsprogramm „Wohnungslosigkeit überwinden“ geht es der Diakonie zuerst um konkrete Hilfen für Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind.

In Hessen fehlen aktuell zwischen 60.000 und 80.000 Wohnungen. Schätzungen zufolge müssten jedes Jahr 37.000 neue Wohnungen gebaut werden, um den Bedarf an Wohnraum zu decken. Zuletzt wurden jedoch nur 17.000 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt. So stellt die Diakonie Hessen die Lage dar. Gleichzeitig seien in den letzten fünf Jahren die Mieten in Hessen durchschnittlich um ein Drittel gestiegen. Auch die Zahl der Sozialwohnungen nehme stetig ab. 

Soziale Verantwortung von Politik und Wirtschaft

„50.000 Menschen, die zurzeit in Hessen eine Sozialwohnung suchen, stehen buchstäblich vor der Tür,“ sagt Stefan Gillich von der Diakonie Hessen. „Zu wenige Wohnungen und zu hohe Mieten“ ließen Geringverdienende, Familien, Alleinerziehende, junge und alte Menschen mit geringen Einkünften chancenlos zurück. „Politik und Wirtschaft müssen sich endlich ihrer sozialen Verantwortung stellen“,  forderte der Referent für Wohnungsnotfallhilfe.

Diakonie schlägt Maßnahmen zur Prävention vor

Zum landesweiten Aktionsprogramm „Wohnungslosigkeit überwinden“ der Diakonie gehören Förderprogramme wie „Pro Wohnen“ sowie aufsuchende Hilfen wie „Von der Straße in die Wohnung“. Damit will die Diakonie Netzwerke fördern, die Wohnungsverlusten vorbeugen und neuen Wohnraum erschließen. Diese Maßnahmen der Beratung und Begleitung würden in den nächsten vier Jahren 17 Millionen Euro kosten. Weiter nennt Gillich eine landesweite integrierte Wohnungsnotfallstatistik. Umfang, Struktur und Hilfen für Menschen in Wohnungsnotlagen sollten untersucht werden. Außerdem sollten Hessische Kommunen und Landkreise bei der Vergabe von Grundstücken stärker auf soziale Kriterien achten.

Wer ausziehen muss, findet nur schwer eine Wohnung

Eine wachsende Bevölkerungsgruppe sei besonders hart von der Wohnungsknappheit und den daraus folgenden Mietpreisen betroffen. Damit meint Gillich nicht nur Menschen, die jetzt schon auf der Straße leben, sondern auch solche, die ihre Wohnung verlassen müssen, weil sie zwei Monatsmieten im Rückstand sind oder wegen der Trennung vom Partner eine neue Wohnung finden müssen. Menschen, die in Betreuungseinrichtungen leben, fänden keine Wohnung, so dass andere auf die frei gewordenen Betreuungsplätze nicht nachrücken könnten. 

Nur ein Bündel von Maßnahmen kann die Wohnungsnot lindern

„Für die Lösung des Wohnungsproblems in Hessen wird es nur ein Bündel von Maßnahmen geben“, sagt Wohnungslosenspezialist Stefan Gillich. „Wir brauchen wieder eine gemeinnützige Wohnungsbauwirtschaft.“ Die Öffentliche Hand müsste preiswerten Wohnraum bezuschussen. Verdichtung sei nötig, aber zugleich könne man die Städte nicht vollkommen zubauen. Die Belegungsbindung von Wohnungen könnte weitergeführt werden. Und bei Neubauten sollte die Sozialbindung verlängert werden. Grundstücke sollten nicht an den Meistbietenden vergeben werden, sondern nach dem besten Konzept. Und schließlich könnten auch die Bauverfahren durch eine zentrale Verwaltung beschleunigt werden. 

[Pfarrer Hans Genthe]

Beispiel Familie

Familie W. erwartet das zweite Kind. Derzeit leben sie zu dritt auf 40 qm in zwei Zimmern in einem Wohnblock aus den 1960er Jahren. Die W.s geben 40 Prozent ihres Familieneinkommens für Miete und Nebenkosten aus. Die Einkommenssituation wird sich mit dem zweiten Kind nicht verbessern. Noch freut sich der sechsjährige Tom darauf, mit seinem Geschwisterchen das Zimmer zu teilen, die Hausaufgaben macht er sowieso am Küchentisch. Ein Umzug aufs Land kommt für die Familie nicht in Frage, die Eltern haben keinen Führerschein und Herr W.s Arbeitsplatz ist mit dem ÖPNV kaum zu erreichen. Die Suche nach einer größeren und bezahlbaren Wohnung ist aussichtslos.

Beispiel Seniorin

Frau S. ist 75 Jahre alt und seit drei Jahren verwitwet. Sie lebt im ersten Stock eines Altbaus. Ihre kleine Rente übersteigt die gesetzliche Grundsicherung nur wenig. Der Mietvertrag von Frau S. besteht seit mehr als 35 Jahren. Die Erben des verstorbenen Hauseigentümers haben das Haus verkauft. Ein Investor hat das Haus erworben. Er plant mittelfristig die Umwandlung in Eigentumswohnungen und nimmt gegenwärtig umfangreiche Sanierungsarbeiten vor. Dies führt zu einer bereits angekündigten Modernisierungs-Mieterhöhung, die Frau S. und ihre langjährigen Nachbarn finanziell hart trifft. Frau S. wird ausziehen müssen, weil sie die Wohnung nicht mehr bezahlen kann.

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