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Mail aus Tokio - die vierte und letzte

Ein Kirchturm mit Meerblick in Yokohama

ApelDer Große Buddha bei Kamakura in JapanDer Große Buddha bei Kamakura in Japan

Konichi-wa und Sayonara sagt Ökumene-Pfarrer Bernd Apel in seiner vierten und letzten Mail aus Tokio. Dankbar für viele Begegnungen und viel Gastfreundschaft „gerade unter japanischen Mitchristen“ berichtet er diesmal von Ausflügen nach Kamakura und Yokohama.

Mit Demut und Selbstbewusstsein

Ein Ausflug in die Städte Kamakura und Yokohama bildet nochmals eindrücklich ab, mit welcher Haltung die japanischen Christen ihren Landsleuten begegnen. Dabei spielt nur vordergründig eine Rolle, dass auch hier wie in Deutschland alle eingesessen Religionen die Distanz der eher säkular eingestellten Generation unter 30 zu spüren bekommen - während die „Neuen Religiösen Bewegungen“ Zulauf finden. Die Einstellung „Spiritual but not religious“ = „Spirituell, aber nicht religiös (sein)“ wird vielmehr immer typischer für viele Japaner. Sie ermöglicht es ihnen, ohne wirkliche Mitgliedschaft in einer Institution dennoch bei Gelegenheit (Hochzeit, Trauerfall, Feste) oder aus Tradition heraus die beiden Haupt-Religionen Buddhismus und Shintoismus rituell zu praktizieren.

Und die hier im Land viel jüngere christliche Kirche?

Station 1: Kamakura

Die Stadt mit 176.000 Einwohnern ca. 40 km südwestlich von Tokio am Meer gelegen, ist als Ausflugsziel und metropolennaher Wohnsitz beliebt. Das milde Klima und die Badestrände ziehen im Sommer einheimische Gäste an, dazu kommen zu jeder Jahreszeit internationale Touristen, die den Ort wegen seiner Geschichte besuchen. Zu denen gehöre heute auch ich, geführt von meinem japanischen Kollegen Dr. Jin Arai. Und ich lerne: die Stadt, die heute so entspannt daherkommt mit Surferstränden und Öko-Restaurants, war im 13. Jahrhundert eine der größten der Welt. Damals war der Buddhismus die von den Feudalherren geförderte Religion. Von 1185 bis 1333 war sie sogar Regierungssitz Japans.

Der Große Buddha

Übrig sind davon jede Menge ehrwürdige Zen-Tempel und eine enorme Bronzestatue: der weltbekannte „Große Buddha“ von Kamakura. In dieser Stadt hat Dr. Arai einen regionalen „Council of Religons = Rat der Religionen“ (mit katholischen wie evangelischen Christen, Buddhisten und Shintoisten) initiiert. In seiner zurückhaltenden und dennoch klaren Art bemerkt er dazu: für jede Begegnung braucht es in erster Linie Demut und Geduld; die beiden anderen Religionen – aus dem sechsten Jahrhundert vor Christus – sind älter als das Christentum und waren schon lange vor ihm hier.

Beeindruckende Kraft

Unser gemeinsamer Weg zu mehreren Tempeln und Schreinen übt mich in diesem Blick auf die nach wie vor die japanische Gegenwart bestimmende Geschichte und führt uns durch immer belebtere Straßen tatsächlich hin zur Hauptattraktion der Stadt, dem Großen (Amida-) Buddha aus dem Jahr 1252 auf dem Gelände des Kotokuin-Tempel. Sie wiegt 121 Tonnen, ist 11,40 Meter hoch und gilt als schönste und vollkommenste Buddha-Statue. Der Tempel und seine Nebengebäude wurden durch Erdbeben zerstört – aber der sitzende Buddha „wie durch ein Wunder“ nicht. Und so strahlt er bei allem touristischen Trubel um ihn herum seit nun fast 800 Jahren eine in sich ruhende Kraft aus, die auch uns zwei Christen beeindruckt.

Station 2: Yokohama,

auf der Südseite der Bucht von Tokio gelegen und mit 3,7 Millionen Einwohnern nicht nur der größte Hafen des Landes, sondern auch ein wichtiges Wirtschaftszentrum. Auf dem Fußweg vom Bahnhof Richtung Fährhafen meine ich, Seeluft zu schnuppern und die Oper „Madame Butterfly“ kommt mir in den Sinn: „Meine Mama ist aus Yokohama…“. Doch noch um eine Ecke, und wir stehen vor der der ältesten evangelischen Kirche in Japan, der “Yokohama Kaigan Church”. Sie wurde 1872 erst als kleine Kapelle, dann 1875 im heutigen Erscheinungsbild errichtet, beim großen Erdbeben von 1923 zerstört und 1938 wiederaufgebaut.

140 Jahre Protestanten in Yokohama

Heute duckt sie sich sozusagen zwischen und vor die modernen Gebäude des Kommerzes. Doch als die zufällig dazukommende Pfarrfrau uns aufschließt, wir den Kirchenraum betreten, auf der Empore die Orgel bewundern und dann in Kirchturm (mit Meerblick!) über die Glocke von 1875 streicheln – da ahne ich die Kraft derjenigen Menschen, die vor 140 Jahren diese Gemeinde gründeten. Und im ausliegenden Flyer lese ich, wie im Jahr 1871 sich um den amerikanischen Missionar Pfarrer Ballagh herum zunächst eine Handvoll Japaner im Freien zum täglichen Gebet traf und im Folgejahr dann elf japanische Christen zusammen mit Ballagh die Gemeinde ins Leben riefen und die Kapelle bauten.

Sie stehen zu ihrer Mission

Der Ausdruck „Das Pfingsten der japanischen Kirche“ im Flyer ist mir zu pathetisch. Aber vielleicht trieb diese ersten Christen Yokohamas das Selbstbewusstsein des Säemanns aus dem biblischen Gleichnis von der „Vierfachen Saat“ (Markus 4.3-20): Er weiß, dass Vieles seiner „Mission“ nicht gelingen wird und macht dennoch weiter, wenn die Ernte auch gering ist.

Ähnlich selbstbewusst sagt die japanische evangelische Kirche heute sinngemäß: „Ja, wir sind eine deutliche Minderheit im Land. Aber wir stehen zu unserer Mission an den Menschen dieses Landes.“  

 

 

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