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Marienglocke von 1452

Es erklingt ihre Stimme - bam bam

Der alte Dillkreis ist auch heute noch, trotz der verheerenden Glockensammelaktionen der beiden Weltkriege, ein glockenreicher Landstrich, in dem eine Vielzahl von Glocken aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit nachzuweisen sind. Beispielsweise die Marienglocke in Hirzenhain von 1452.

Von Dr. Susanne Kern

Die Hirzenhainer Glocke des Glockengießers Johann Bruwiller von 1452 ruft noch heute mit dem lauten Klang ihrer Stimme bam bam, wie die Glockeninschrift ("est sua foex bam bam" – Erklingt ihre Stimme bam bam) lautmalerisch verkündet, die Gläubigen zum Gottesdienst.

Bereits im Frühmittelalter waren Glocken fester Bestandteil der Kirchenausstattung. Neben dem Altarstein und dem Weihestein war sie der einzige Gegenstand, der in der Weihe mit Chrisam gesalbt wurde.

Glocke als Symbol der Verkündigung

Glocken riefen nicht nur die Gläubigen herbei, sondern strukturierten den Tagesablauf durch das Gebetsläuten am Morgen, Mittag und Abend. Während der Messe wurden bestimmte liturgische Anlässe mit Glockenklang begleitet, so etwa das Verlesen des Evangeliums. Galt doch die Glocke als ein Symbol der Verkündigung der Evangelien, denn durch ihren Klang wurden sie in alle Himmelsrichtungen getragen. Die Rezitation der Evangelien gehörte zudem zu den üblichen Formeln des Wettersegens. Dieser wurde nicht nur liturgisch vollzogen, sondern durch das sogenannte Wetterläuten auch klanglich unterstützt. Neben ihren geistlichen Funktionen besaßen die Glocken zudem weltliche, dazu zählte vor allem die Warnung bei Gefahr und Feuer.

Wandernder Glockengießer aus Köln im Westerwald

Der Lahn-Dill-Landkreis ist auch heute noch, trotz der verheerenden Glockensammelaktionen der beiden Weltkriege, ein glockenreicher Landstrich, in dem eine Vielzahl von Glocken aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit nachzuweisen sind. Dies verwundert nicht, beherbergt der Landkreis doch in Sinn, mit der seit dem 16. Jahrhundert tätigen Firma Rincker, eine der letzten großen Glockengießereien in Deutschland.

Während heute die Glocken an einem festen Standort in einer Gießhütte entstehen, wurden im Mittelalter die Glocken zumeist direkt vor Ort, oftmals von umherziehenden Glockengießern, gegossen. Einer der produktivsten war in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts Johann Bruwiller, der auch die Glocke in Hirzenhain schuf. Johann benannte sich nach seinem Herkunftsort, dem ehemaligen Kloster Brauweiler, in der Nähe von Köln. Die frühesten Glocken von ihm finden sich zwischen 1445 und 1447 in der Lahngegend, in Marienfels, Hunzel, Pohl, Gemünden, Niederzeuzenheim und Nauborn.

Inschriften deuten auf Johann Bruwiller hin

Nach den dort verwendeten Inschriftenformularen und Reliefs gehörte Johann damals noch der Kölner Glockengießerwerkstatt des Christian Duisterwalt an. Nach dessen Tod blieb er offensichtlich im Westerwald, wo er entweder in eine andere Werkstatt eintrat oder selbst eine gründete.

Fest steht jedenfalls, dass er danach den Inschriftentypus inhaltlich abwandelte und auch bezüglich der Glockenzier einige Änderungen einführte. Er verließ zudem den Kölner Einzugsbereich und verlagerte seinen Tätigkeitsbereich nach 1449 in das Nassauer Gebiet. So zeigt die 1449 in Haiger, zusammen mit dem Kölner Glockengießer Teil van Keppel, gegossene Glocke (eine zweite dort von ihnen gegossene Glocke ging verloren) einen für ihn neuen Inschriftentypus, der 1452 auch in Hirzenhain, hier jedoch gekürzt um die letzte Zeile, verwendet wird.

Inschrift der Marienglocke in Hirzenhain

Die Inschrift, zwei lateinische Hexameter und der Gussvermerk in deutscher Sprache, lautet hier: • sit • aura • pia • dominum • rogat • ista • Maria • est • sua • foex • bam • bam potens • repellere • satan • iohan • bruwilre • gois • mich • sub • anno • domini • mcccclii • – Das Unwetter bleibe fern, während diese Maria den Herrn bittet. Erklingt ihre Stimme bam bam stößt sie zurück den Satan. Johann Bruwiller goss mich im Jahr 1452. Der Namensansage (Maria) der Glocke folgen ihre Funktionsbezeichnung, hier der Wetterbann sowie der abschließende Gussvermerk mit Jahresangabe.

Offensichtlich war der Glockengießer doch des Lateins nicht allzu mächtig, denn es haben sich zwei Fehler eingeschlichen. So wurde dum (während) zu dominum verlesen und – wohl nach Gehör geschrieben – vox zu foex. Zudem stimmt das Versmaß nicht.

Kleine Motive als Worttrenner

Zu den Neuerungen Johanns gehört auch die eigenwillige, für Köln ungewöhnliche Formulierung sub anno für die Jahresangabe. Als Worttrenner verwendet er stets, wie auch in Hirzenhain, kleine sechsblättrige Rosetten. In den Jahren zwischen 1449 und 1452 findet sich zudem recht häufig ein kleiner Zierfries, bestehend aus einer Weinranke, umgeben von Blättern und Früchten, die in Hirzenhain aus dem Maul eines Hundes kommt.

Typisch für Johann sind zudem die in die Inschrift eingefügten kleinen Figürchen. So finden sich auf der Hirzenhainer Glocke eine Madonna mit Kind, der hl. Georg als Drachentöter, der zweimal vertreten ist, sowie der thronende hl. Petrus mit seinem Attribut, den Schlüsseln. Sämtliche Figürchen dienen zudem zugleich als Wortrenner und überschneiden zumeist den unteren Rundsteg.

Bemerkenswert ist auch der sehr einheitliche Schriftduktus der sauber ausgeführten gotischen Minuskelinschrift, die in zwei Zeilen zwischen schmalen Rundstegen an der Glockenschulter umläuft. Die Minuskel ist ornamental stilisiert als Bandminuskel wiedergegeben, eine Schriftgestaltung, die vorwiegend in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nachzuweisen ist. Die Buchstabenbrechungen werden dabei durch umgeschlagene, gefaltete Bänder gebildet, was der Schrift einen ganz besonderen Reiz verleiht.

Bruwiller Glocken an mehreren Orten an der Dill

Neben den Glocken in Haiger und Hirzenhain goss Johann Bruwiller zudem 1452 die Glocke in Bischoffen, dort jedoch mit der von ihm vielfach verwendeten Friedensbitte o rex glorie veni cum pace – o König der Herrlichkeit, komm mit Frieden. Ein Spruch, den auch die beiden 1451 entstandenen Glocken in Nenderoth und Oberquembach sowie die 1455 gegossene Glocke aus dem Kloster Altenberg tragen, die ihm ebenfalls zugeschrieben werden.

 

Die Glocke in Hirzenhain wird momentan, wie sämtliche Inschriften tragenden Objekte bis 1700 des Landkreises in dem Editionsband: Die Inschriften des Lahn-Dill-Kreises bearbeitet.

Dr. Susanne Kern
Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften
Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz
www.inschriften.net / www.adwmainz.de

Fotos: Astrid Garth, Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz

 

 

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