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"Haltung" in Mainz

Evangelisches Dekanat Mainz / Heiko BeckertStadtgang zu Mainzer Persönlichkeiten mit "Haltung"

Wer an der Rückseite der Mainzer Quintinskirche entlanggeht, kann in der Wand des Gotteshauses eine Grabplatte für einen protestantischen Offizier aus Schweden sehen. Doch was macht ein solches Grab in einer katholischen Kirche?

Das war eine der Fragen, die Isa Mann von der Evangelische Erwachsenenbildung und Gregor Ziorkewicz, Pfarrer an St. Johannis, bei einem Stadtrundgang zum Thema „Persönlichkeiten mit Haltung mach(t)en (Stadt-)Geschichte“ beantworteten.

Das Rätsel der Grabplatte war schnell gelöst: Der Sandstein in St. Quintin stammt aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Und der Mann, der auf dem Stein abgebildet ist, hieß Konrad von Uxkull. Er war Offizier der schwedischen Besatzung, die von 1631 bis 1636 dauerte. „Am 24. Dezember 1631 sind die Schweden pompös eingezogen“, erzählte Ziorkewicz mit Blick auf König Gustav Adolf, der damit zum einzigen lutherischen Regent in der Geschichte von Mainz wurde. Die Quintinskirche diente in jener Zeit den Protestanten als Ort für Gottesdienste. Uxkull muss in diesen Jahren gestorben sein – zeitweilig wütete die Pest in der Stadt –, und er wurde in der Kirche beerdigt. Sein Stein erinnert noch heute an die kurze schwedische Herrschaft.

Bei dem Stadtrundgang, der sich thematisch an das Jahresthema des Dekanats „Haltung zeigen!“anschloss, ging es nicht darum, Heldengeschichten zu erzählen. Haltungen – auch problematische und womöglich falsche – wurden in ihrer Vielschichtigkeit anhand der Stadthistorie dargestellt. Es gehe, betonte Ziorkewicz, um „Orte, wo Geschichte Menschen macht und Menschen Geschichte machen“.

Auch das Leben des heute weitgehend vergessenen Johann Rucherath von Oberwesel ist keine Heldengeschichte mit Happy End: Der Theologe hat schon vor Martin Luther den Ablasshandel kritisiert. Es handele sich bei dieser Praxis um „eitel Lügen“, so der Mainzer Domprediger. Eine Kritik, die dem Kirchenmann nicht gut bekommen sollte: 1479 wurde wegen seiner Aussagen ein Inquisitionsgericht in der Domstadt eingerichtet. Dafür sind Ziorkewicz zufolge Geistliche aus Heidelberg und Köln nach Mainz gekommen. Am Ende der Verhandlung widerrief Johann Rucherath von Oberwesel seine Thesen. So rettete er zwar sein Leben, doch er blieb bis zu seinem Tod in den 1480er Jahren ein Gefangener – zuletzt in der Augustinerkirche, eine weitere Station des Rundgangs. Rucheraths Schriften wurden verbrannt.

Viel bekannter als Rucherath und Uxkull ist Anna Seghers. Die in Mainz geborene Schriftstellerin setzte in ihrem Roman „Das siebte Kreuz“ dem Dom ein literarisches Denkmal, wie Isa Mann hervorhob. Eigentlich erstaunlich, denn Seghers stand als überzeugte Kommunistin und Jüdin der katholischen Kirche eher fremd gegenüber. Dennoch muss der Dom für Seghers ein wichtiger Bezugspunkt gewesen sein. Denn der Protagonist des Romans, der aus einem Konzentrationslager entflohene Häftling Georg Heisler, findet in Seghers Buch eine Nacht Unterschlupf im detailreich beschriebenen Dom. Das Buch habe Seghers, die eigentlich Netty Reiling hieß, im mexikanischen Exil fern von Mainz verfasst, ergänzte Mann. Bereits 1944 hat Hollywood den Stoff verfilmt. Für die Autorin war das der Durchbruch, sagte Mann: „Dieses Buch und der Film haben sie weltberühmt gemacht.“

Es gibt viele weitere Orte in der Gutenbergstadt, die Erinnerungen an Personen mit Haltung wecken. Der Stadtrundgang nahm sich unter anderem dem Naturforscher und Revolutionär Georg Forster an, aber auch Carl Zuckmayer und Johannes Bückler, der als Schinderhannes berühmt-berüchtigt war. Es gebe bei solchen Rundgängen selbst für alteingesessene Mainzer immer wieder Neues zu erfahren, bedankte sich am Ende der Führung ein Teilnehmer.

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