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Runder Tisch der Religionen

Plädoyer für Toleranz und Vielfalt

Evangelisches Dekanat Mainz/Armin ThomasDiskutierten angeregt (v.l.): Dekan Markus Kölzer, Ramazan Ertugrul (DITIB Mainz), der Mainzer Rabbiner Aharon Ran Vernikovsky, Moderator Andreas Berg (SWR), Sevgi Mala-Caliskan (ZMD Rheinland-Pfalz) und Dekan Andreas Klodt.

Spannender Austausch von Vertretern von Evangelischer und Katholischer Kirche, Jüdi-scher Gemeinde und Islam

Religiöse Vielfalt ist eine Bereicherung des menschlichen Zusammenlebens. Darin waren sich alle Podiumsteilnehmer und die rund 50 Besucher in der ökumenischen Josefskapelle des städtischen Altenheims einig. Doch wie überzeugt man Menschen, die dies anders sehen? Das war die große Frage, die alle umtrieb.
„Unser Mainz – wie Religionsgemeinschaften zu einer positiven Vielfalt in unserer Stadt beitragen können“ lautete die Überschrift über dem Runden Tisch der drei Religionen, der seit 2015 einmal im Jahr an wechselnden Orten zusammenkommt. Neben den beiden Dekanen Andreas Klodt (evangelisch) und Markus Kölzer (katholisch) sowie Aharon Ran Vernikovsky, dem Rabbiner der Jüdischen Gemeinde, nahmen dieses Mal gleich zwei muslimische Vertreter an der Gesprächsrunde teil: Sevgi Mala-Caliskan vom Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) Rheinland-Pfalz und Ramazan Ertugrul (DITIB). Es moderierte SWR-Redakteur Andreas Berg.

"Nie wieder Intoleranz an den Ufern des Rheins"

„Nie wieder soll Intoleranz Platz an den Ufern des Rheins finden“, sagte Dekan Andreas Klodt gleich zu Beginn. Mit diesem Appell ging es mitten hinein in die Gegenwart. „Die Jüdischen Gemeinden in Deutschland haben nach dem Holocaust zwei Dinge geleistet“, erläuterte Aharon Ran Vernikovsky. „Sie haben jüdisches Leben, das seit 1000 Jahren in der deutschen Kultur verwurzelt ist, erneut zu Leben erweckt.

Und sie haben ab den 90er-Jahren den Strukturwandel geschafft mit der Integration vieler Zuwanderer aus Osteuropa und der Öffnung der Gemeinden hin zum Stadtleben.“ So diene die Neue Synagoge in Mainz der Gemeinde als innerer religiöser Ort, sie sei aber auch nach außen gerichtet als Kulturzentrum für eine breite Öffentlichkeit.

Auch Muslime brauchen Kitas
Auch die Moscheen seien offen für alle Bürger, betonte Ramazan Ertugrul. Muslime seien zwar erst seit 50 oder 60 Jahren in Deutschland zu Hause, aber trotz ihrer noch jungen Geschichte leisteten auch sie einen wichtigen Beitrag zur Gemeinschaft, erklärte Ertugrul. „Die finanzielle Ausstattung ist sicher anders als bei den beiden christlichen Kirchen, aber auch wir haben Bedarf an Kindergärten und Altenwohnheimen.“
„In Mainz sind Religionen und Kulturen seit einigen Jahren regelmäßig miteinander im Gespräch“, verwies Dekan Markus Kölzer darauf, dass man nicht bei null anfange. Er erinnerte an interkulturelle Feste und Tage sowohl in der City als auch in den Stadtteilen. „Man isst zusammen und zeigt Vielfalt.“ Um diese Vielfalt zu leben, braucht es allerdings Positionen, sagte Klodt: „Da muss man Farbe bekennen.“

Identität pflegen und Integration leben
„Die postmoderne Gesellschaft ist von Vielfalt geprägt“, stellte Vernikovsky klar. Juden und Muslime seien physisch und numerisch nicht so gut aufgestellt wie die beiden christlichen Konfessionen. Sie sollten daher eine Doppelstrategie verfolgen: die eigene Identität pflegen und sich zugleich als Teil einer multikulturellen Gesellschaft sehen.

Den Begriff „Strategie“ verwende er ungern, entgegnete Ertugrul. Das klinge ihm zu sehr nach Hinterhalt. So habe er oft den Vorwurf gehört, Muslime zeigten sich beim Tag der offenen Moschee von ihrer positiven Seite, aber was sie hinter verschlossenen Türen treiben, bleibe verborgen. Für ihn gelte:  „Es gilt eine gemeinsame Spielregel – und das ist das deutsche Grundgesetz.“
Sevgi Mala-Caliskan, die in einer Mainzer Kita arbeitet, machte einen Vorschlag, den sie aus ihrer beruflichen Erfahrung abgeleitet hat: „Wir Erwachsenen sollten zu unseren Kindern gehen und schauen, wie sie sich über die fremden Sprachen der anderen Kinder freuen. Vielfalt bedeutet die Bereitschaft zum Perspektivwechsel.“  Kinder hätten keine Angst, Fragen zu stellen. „Kinder wollen nicht belehren, sondern lernen.“

"Konfessionelle Schranken sind gefallen"

Das Interesse der Besucher am Gespräch war groß. Es gab zahlreiche Wortmeldungen. Eine Frage wurde mehrfach gestellt: „Wir sind hier heute Abend wohl alle für religiöse Vielfalt – aber wie kann man die Menschen draußen, die anderer Meinung sind, überzeugen?“ Dekan Kölzer und Rabbi Vernikowsky verwiesen auf die Entwicklungen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte: Kölzer: „Wir haben konfessionelle Schranken fallen gelassen.“ Vernikowsky: „Der interreligiöse Trialog findet statt. Vor 30 oder 40 Jahren wäre ein Forum wie heute Abend nicht möglich gewesen.“ Klodt zeigte sich optimistisch: „Menschen sind lernfähig und in der Lage, über ihren eigenen Schatten zu springen.“ Mala-Calikan sah es ähnlich: „Wir sollten an die Menschen glauben.“



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