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Jahreslosung 2021

Barmherzigkeit ist kein Fremdwort

Fundus/Andrea Stevens

Die Jahreslosung für 2021 stammt aus dem Lukas-Evangelium und lautet: „Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!" (Lukas 6,36). Über diesen Bibelvers hat sich Dekan Arno Kreh Gedanken gemacht.

Fundus/Andrea StevensEin Vater schaut mit seinem Sohn auf das Mittelmeer. Befinden sich in dem Boot in der unteren Bildmitte Flüchtlinge?

Kennen Sie vergessene Wörter? Wissen Sie z.B. was eine Ruhe ist oder ein Hagestolz, Fisimatenten oder Bandsalat? Vergessene Wörter sind im Laufe der Zeit aus unserem alltäglichen Sprachgebrauch ausgewandert. Manche gehören so sehr einer vergangenen Zeit an, dass man auch ihre Bedeutung kaum mehr kennt. Andere werden zwar nicht mehr aktiv genutzt, aber ihre Bedeutung ist sofort klar. Auch in der Kirche kennen wir solche Wörter. Eines davon ist „Barmherzigkeit“. Die Jahreslosung für das kommende Jahr 2021 stellt sie in den Mittelpunkt: „Jesus sagt: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ (Lukas 6,36).

Was ist Barmherzigkeit?

Der Weg der Barmherzigkeit beginnt damit, dass wir uns nicht mehr selbst in den Mittelpunkt stellen. Jesus verweist auf Gott, den er seinen Vater nennt. Dieser Gott ist barmherzig, er wendet sich zu, er sieht hin. Die Bibel kennt viele Geschichten, die davon erzählen. Der Auszug des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten beginnt so: „Ich habe das Elend meines Volkes gesehen!“ (2. Mose 3,7). Modern heißt das: „Wer du auch immer sein magst in den Augen anderer – Gott sieht dich an! Darum bist du zu allererst ein angesehener Mensch!“ (Sabine Naegeli).

Was ist also Barmherzigkeit?

Barmherzigkeit kann nicht bei sich selbst bleiben. Barmherzigkeit weist auf den anderen. Weil Gott uns sieht, können wir den anderen sehen. Und damit verändert sich etwas: wer mit den Augen der Barmherzigkeit sieht, sieht nicht zuerst ein Problem, sondern den Menschen:  Da ist ein Mensch, der Hunger hat, der nicht mehr klar kommt in seinem Leben, der in Trauer versinkt, der auf der Flucht in der Wüste oder im Mittelmeer um sein Leben kämpft. Der Stärkere gibt dem Schwächeren Raum, hilft da, wo es ihm möglich ist. Das können wir jeden Tag tun. Diakonie und die Aktion „Brot für die Welt“ tun es in unserem Namen auch professionell und weltweit.

Aber die barmherzige Zuwendung geht noch weiter. Sie fragt nach den Ursachen: Warum sind Menschen in einem reichen Land auf Tafeln angewiesen? Warum können Menschen ihren Lebensunterhalt nicht in ihrer Heimat verdienen und machen sich auf einen gefährlichen Weg durch Wüste und Meer? Als Christen müssen wir solche Fragen stellen. Aber Vorsicht: Wer die Frage nach Gerechtigkeit aufwirft, wird politisch. Als Christen können und dürfen wir dem nicht aus dem Weg gehen.

Der Weg der Barmherzigkeit ist nichts für Angsthasen. Denn er führt uns in die Tiefen menschlicher Not, wirft Fragen auf nach ungerechten Verhältnissen. Aber es ist ein verheißungsvoller Weg, weil er unserem Leben Sinn gibt.

Barmherzigkeit mag ein vergessenes Wort sein. Gut, dass es kein Fremdwort ist!

Dekan Arno Kreh

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