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Sonntagswort: Ein anderer Advent

Rainer Böhm, Pfarrer in der Ev. Kirchengemeinde Bad Nauheim, schreibt über die Chancen, die dieser andere Advent in diesem Jahr birgt.

Für dieses Jahr hatte ich es mir fest vorgenommen: zum Hanauer Adventsmarkt zu fahren. Ich finde den Marktplatz dort schön und habe die Stadt lange unterschätzt. Ihr wurde im Krieg übel mitgespielt. Nicht dass Sie denken, ich sei Adventsmarktspezialist. Aber so ein wenig schlendern, Kartoffelpfannkuchen mit Abbelbrei – da kommt bei mir Adventsstimmung auf.


Nun wird daraus nichts. Und wir leiden alle darunter. Wir sorgen uns um uns und um andere, um das, was nicht getan werden darf und was uns immer lieb war, müssen wirtschaftliche Einbußen in Kauf nehmen und uns damit trösten, dass es gute Aussichten auf Impfstoffe gibt.


Trotzdem freue ich mich auf den 1. Advent: Es ist wie ein Perspektivenwechsel. Gerade erst haben wir Kerzen für unsere Verstorbenen angezündet. Jetzt die erste auf dem Adventskranz. „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer“ (Sach 9 9), heißt es zum 1. Advent. Die ganze Adventszeit ist so ein „Siehe!“. Die Lichter. Die Zweige. Mache das Radio aus, halte inne, besinne Dich. Etwas ändert sich. Gott kommt, „ein Gerechter und Helfer“. Schau hin.


„Siehe“ - ganz früher war der Advent eine Fastenzeit, die nach dem Martinsfest begann. Ich möchte Nichts schönreden, und mir ist bewusst, wie viele Menschen in Wirtschaft, Geschäftswelt und dem Kulturbereich um ihre Existenz bangen müssen. Aber immerhin sehen wir im Verzicht, was uns wirklich wichtig ist. Es ist weniger als das, was uns zur Verfügung stand und uns überschwemmte. Siehe, das wird nun ein anderer Advent.


„Siehe“ - das ewige „immer mehr“ tut niemandem gut. Die niemals leere To-do-Liste ist nie abzuarbeiten und hat immer Vorrang. Sogar am Wochenende soll noch Dringendes erledigt werden. Das eigentlich Wichtige – gemeinsam verbrachte Zeit und Muße – wurde immer aufgrund von dringlichen Anforderungen vertagt und schließlich ‚vergessen‘. Das tut uns und unseren Beziehungen nicht gut. Dafür zweckfreie Zeit, ohne den Druck, noch dieses und jenes erledigen zu müssen: Vielleicht können wir das in diesem ganz anderen Advent erfahren.

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