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Sonntagswort: Empfindlich und Mächtig

Pater Georg-D. Menke op, Pfarrer an der JVA Butzbach und Dominikaner des Mainzer Klosters, schreibt über Veränderungen durch die Corona-Pandemie, die er beobachtet hat.

Die Pandemie ist nicht vorüber. Das hätten wir gern, aber es ist leider nicht so.

Selbst wenn die Pandemie vorbei wäre, hätten wir gut damit zu tun, zu bemerken, was sich verändert hat – und uns damit auseinanderzusetzen.

Ich nenne hier nur zwei Merkmale, von denen ich glaube, dass sie bedeutsam sind für unser Leben und unseren Glauben.

Ein Musiker berichtete mir von seiner Chorerfahrung: „Die Leute sind so empfindlich, so schnell beleidigt…“. Das klingt anstrengend und mühsam. Ich führe solche Überempfindlichkeiten darauf zurück, dass wir grob eingeschränkt waren – sehr grob.

Gott kommt in unser Leben zugleich empfindsam und kraftvoll.

Das Zweite, das ich bemerkt habe: In diesen Wochen, in der die Pandemie vermeintlich vorüber ist, bekommen einige Machtphantasien, Allmachtsvorstellungen. Einige wollen ihren Einfluss so richtig aufblasen und ausnutzen, ohne Rücksicht auf Verluste. An die Kämpfe im Straßenverkehr erinnere ich nur nebenbei. Aber denken Sie an diejenigen z.B., die Sie warten lassen, ohne Grund, einfach stehen und warten lassen. Auch gibt es Menschen, die ihren Einfluss plötzlich unerwartet destruktiv ausüben. Ich führe solche Allmachtsphantasien auf die Erfahrung der Ohnmacht zurück, die wir vorher durchlebt haben. Ohnmächtig standen wir dem Virus gegenüber.

Gott ist der Allmächtige. Macht ist nie erst mal schlecht. Aber es scheint eine menschliche Versuchung zu sein: Gib mir Macht und ich nutze sie aus – egal, auf wessen Kosten.

Das sind nur zwei Erfahrungen aus der Pandemie. Es gibt noch viel mehr.

Empfindlich und empfindsam zu sein – nicht fertig und abgestumpft – das brauchen wir, um erfüllt leben zu können und Gott ins Leben einzulassen. Und es ist offenbar eine Kunst, nicht überempfindlich zu werden und sich gleich angegriffen zu fühlen. Wir brauchen eine feine Sensibilität für die Menschen, für die Dinge, für die Vorgänge – und wir brauchen eine starke Kraft, um unsere kleine Macht gut zu nutzen.

Gott will diese Kraft schenken. Denn er ist empfindsam und machtvoll zugleich. Wir bemerken ihn nur, wenn wir dafür offen sind. Dann vermögen wir ihn anzunehmen, zu genießen, seine Botschaft zu teilen.

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