Erlebnistour "Aufgetan"
Alles hat zwei Seiten
sru/Dekanat
07.07.2025
sru
Artikel:
Download PDF
Drucken
Teilen
Zum Start in Groß-Umstadt gab es für die 48 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erst einmal ein Gläschen Sekt und ein wenig Laugengebäck, schließlich gab es die Essenspause dieses Mal etwas später als gewöhnlich. Dann ging es mit dem Bus bei sehr warmen Temperaturen quer durchs Evangelische Dekanat Vorderer Odenwald und mit landschaftlich reizvollen Ausblicken zur am höchsten gelegenen Kirche nach Neunkirchen, wo vier Quellen – Modau, Lauter, Fischbach und Gersprenz – entspringen.
Kirchenvorstandsvorsitzende Dorothea Hartmann und Pfarrer Yannik Schnitzspahn begrüßte die Gruppe an der Babbel-Box, wo es eine kleine Einführung zu Neunkirchen und der Kirche gab, die eine Quellkirche ist und nach den syrischen Heilern Cosmas und Damian benannt ist.
Blick in die Neunkircher Kirche und auf ihre Schätze
Durch den schönen Kirchgarten ging es zum Seiten- und früheren Haupteingang. Hier war die Tür aufgetan, doch die Besucherinnen und Besucher konnten nur einen Blick in die Kirche, auf das wertvolle Gesangbuch aus dem 17. Jahrhundert und die besondere Bibel werfen, auf den Altar, der nicht frontal ausgerichtet ist, sondern mittig, und auf die Figuren der Namensgeber der Kirche. Ein Rundgang durch die Kirche war nicht möglich, denn die Kirche ist wegen einer anstehenden Sanierung geschlossen. Auch das gehört zur Erlebnistour „Aufgetan“: die Situation zeigen, wie sie ist, schließlich sind die alten Kirchen Kulturdenkmäler und es bedarf großer finanzieller Anstrengungen, diese zu erhalten. Und bei immer weniger Mitgliedern stellt sich immer auch die Frage, wo wichtige Gelder eingesetzt werden: in Steine oder in Menschen.
Von Neunkirchen aus fuhr der Bus mit der Gruppe durchs Fischbachtal nach Billings, wo der langjährige Kirchenvorstandsmitglied Helmut Büchler die Gruppe in Empfang nahm. Hier erfuhren die Teilnehmenden unter anderem, dass die Schneckenkapelle 1967 nach den Plänen von Hermann Fautz und Otfried Rau errichtet wurde. Eine kleine, aber feine moderne Kirche, gebaut aus Ziegelsteinen und Sichtbeton mit einer hervorragenden Akustik, wie sich beim Singen und Sprechen zeigte. Der Name kommt daher, weil ihre Form an eine Schnecke erinnert, was durchaus symbolisch zu sehen ist – als ewige Spirale und Sinnbild des Lebens.
Fahrt durchs schöne Fischbachtal
Von Billings aus ging es weiter bergab durchs wunderschöne Fischbachtal, vorbei am imposanten Lichtenberger Schloss, das gewissermaßen Namensgeber der neuen großen Kirchengemeinde ist. Die Evangelische Kirche in der Region ist in Veränderung – so schließen sich die bisherigen Kirchengemeinden Neunkirchen, Niedernhausen, Groß-Bieberau, Reinheim, Georgenhausen-Zeilhard, Spachbrücken und Ueberau zum 1. Januar 2026 zur Evangelischen Kirchengemeinde Lichtenberger Land zusammen. Davon zeugten schon jetzt die Luftballons, die sich am Eingang der Groß-Bieberauer Kirche sanft im Luftzug wiegten. Hier tat der Kirchenvorstandsvorsitzende Jörg Wegel die Tür auf und berichtete von den Veränderungen in den benachbarten Kirchengemeinden. Weiterhin erfuhr die Gruppe, dass die Kirchengemeinde bereits 1520 der Reformation beigetreten ist – drei Jahre nach dem Thesenanschlag in Wittenberg und ein Jahr vor dem Reichstag in Worms, wo Martin Luther seine Thesen widerrufen sollte. Eine Sensation!
Das Groß-Bieberauer Diakoniezentrum – eine absolute Besonderheit
Gegenüber der Kirche befindet sich eine der ältesten Hofreiten Groß-Bieberaus, die 2002 unter dem damaligen Pfarrer Peter Gergel erworben und zur Begegnungsstätte Diakoniezentrum umgebaut wurde – mit Diakoniestation, drei Wohnungen, Bücherei und einer Diakoniescheune, die auch gemietet werden kann. Träger ist ein Förderverein. Dessen Vorsitzender Jochen Gaydoul berichtete von der Entwicklung und dem Leuchtturmprojekt Lebensmitteltheke, das ähnlich wie eine Tafel funktioniert und bedürftige Menschen aus zwölf Kommunen im Umkreis mit Lebensmitteln versorgt. Relativ neu ist hier außerdem das Inklusionscafé in Kooperation mit der Nieder-Ramstädter Diakonie. Im Dekanat gibt es nichts Vergleichbares. Im Hof des Diakoniezentrums war an diesem Abend unter einem großen bordeauxfarbenen Schirm eine Hochzeitstafel aufgebaut. Denn wie es der Zufall wollte, war an diesem Tag der 500. Hochzeitstag von Martin Luther und Katharina von Bora. Das Team der SichtBar, dem mobilen Jugendprojekt des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald unter Leitung von Dekanatsjugendreferentin Manuela Bodensohn, bewirtete die Gäste mit einem ausgesuchten mehrgängigen Menü aus Zutaten, die es schon im Mittelalter gab.
Meditativer Abschluss in Spachbrücken
Gut gestärkt und in fröhlicher Stimmung fuhr die Gruppe schließlich zur letzten Station nach Spachbrücken. Die Stufen hinauf zur Kirche waren mit Kerzen illuminiert und das Innere der Kirche stimmungsvoll beleuchtet. Pfarrer Frieder Schmidt berichtet vom „verheißungsvollen Tag“ am 26. Mai 1749, an dem ein fürchterliches Unwetter die gesamte Ernte vernichtete und ein Blitzeinschlag die Kirche in Brand setzte. Seit dieser Zeit wird der Tag als Buß- und Bettag im Dorf mit Gottesdienst gefeiert, zu dem auch die Grundschulkinder kommen. Aus der alten Kirche ist nur der Taufstein von 1722 erhalten. Die jetzige Kirche wurde 1755 eingeweiht und fünf Jahre später eine Dauphin-Orgel angeschafft, an diesem Abend gespielt von Renate Filip.
Nach einem Lied und dem Abendsegen neigte sich die dritte Erlebnistour „Aufgetan!“, organisiert von den Dekanatsmitarbeiterinnen Annette Claar-Kreh und Silke Rummel und der Ehrenamtlichen Barbara Waldkirch, dem Ende entgegen. Mit einem gemeinsam gesungenen „Der Mond ist aufgegangen“ fuhr die Gruppe nach Groß-Umstadt zurück. Zum Abschied gab es viel Lob für die Organisatorinnen und alle Beteiligten: „Großartig!“ „Sooo schön…“ „Wir freuen uns schon auf die nächste Tour!“
Hintergrund
Entstanden ist die Idee zu der Tour am Tag des offenen Denkmals 2022 bei Führungen durch das Dekanatszentrum, bei denen es immer auch um die Geschichten und Besonderheiten der Kirchen im Dekanat geht. Die Tour knüpft außerdem an das Dekanatsbuch „Aufgetan – Ein Streifzug durch die Kirchen des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald“ (2016) an. 2023 gab es die erste Fahrt zu den Kirchen in Lengfeld, Hassenroth, Wersau, Ueberau und Hering, 2024 ging es nach Babenhausen, Kleestadt, Schlierbach und Langstadt. Die Tour fürs kommende Jahr ist in Planung. Eine frühzeitige Anmeldung empfiehlt sich. Wer darüber informiert werden möchte, wendet sich an Silke Rummel, silke.rummel@ekhn.de.