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Krieg und Frieden

Appell an Bundesregierung: Verhandlungen über atomare Rüstungskontrolle wieder aufnehmen

© Getty Images, MammuthZeichen für Atomkraft über den Umrissen der ErdeEin Plädoyer für Maßnahmen, die zu nuklearer Abrüstung führen

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Verhandlungen über Rüstungskontrollverträge für Atomwaffen erneut zu beginnen. Zu den Befürwortern dieser Initiative gehören der renommierte Umweltwissenschaftler Ernst-Ulrich von Weizsäcker, Kirchenpräsident Jung und weitere Unterzeichnende der “Wiesbadener Erinnerung”.

veröffentlicht 29.05.2024

von Rita Haering

 

Die Welt beobachtet besorgt die jüngsten Ereignisse: Am 21. Mai 2024 startete Russland eine Atomwaffenübung in der Nähe der Ukraine, wie aus Presseberichten hervorgeht. Kurz darauf wurde bekannt, dass Frankreich einen Testabschuss einer modernisierten nuklearfähigen Rakete vorgenommen hat. Zudem soll der Iran seinen Bestand an waffentauglichem Uran erhöhen. Diese Vorfälle werfen Fragen auf: Welche Konsequenzen hätte eine eskalierende nukleare Aufrüstung? Ist eine atomare Bewaffnung Deutschlands eine angemessene Reaktion?

Die Bedeutung der nuklearen Abrüstung

Die Unterzeichner der “Wiesbadener Erinnerung” vertreten eine deutliche Meinung: “Nukleare Massenvernichtungswaffen stellen eine ernsthafte Bedrohung für das Leben auf unserem Planeten dar. Es ist Zeit für eine neue Welle der Aufklärung in der Debatte um Atomwaffen in Deutschland.” Die „Wiesbadener Erinnerung“ wurde am 29. Mai 2024 von der Martin-Niemöller-Stiftung in Wiesbaden veröffentlicht. Zu den Unterzeichnenden gehören neben EKHN-Kirchenpräsident Dr. Volker Jung auch Umweltwissenschaftler und Club-of-Rom-Mitglied Prof. Dr. Ernst-Ulrich von Weizsäcker sowie Mediziner:innen und der ehemalige Propst Michael Karg.

Forderungen an die Bundesregierung

Die „Wiesbadener Erinnerung“ verdeutlicht, dass es aktuell kein geltendes, internationales Rüstungskontrollabkommen für Atomwaffen gibt. Deshalb schlagen die unterzeichnenden Wissenschaftler:innen und Theologen in vier Punkten vor, welche Rolle Deutschland diesbezüglich einnehmen könnte. Sie machen sich dafür stark, dass die Bundesregierung die ausgesetzten atomaren Rüstungskontrollverträge in neuen Verhandlungen wiederaufzunehmen solle. Deutschland solle Maßnahmen ergreifen, die auf nukleare Abrüstung gerichtet seien. Weiterhin empfehlen die Unterzeichnenden: „Deutschland kann mit den NATO-Verbündeten einen Fahrplan erarbeiten mit dem Ziel, die nukleare Teilhabe zu beenden.“ Schließlich wird empfohlen, dass Deutschland dem 2021 in Kraft getretenen Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) beitreten könne. Schließlich wird vorgeschlagen, dass Deutschland sich für eine gesamteuropäische atomwaffenfreie Zone einsetzen solle, die Russland einbindet.

Rückblick verdeutlicht Erfolge der Auseinandersetzung über Atomwaffen

Weiterhin zeigt die „Wiesbadener Erinnerung“ die Erfolge der Friedensbewegung gegen die atomare Rüstungsspirale in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dabei erinnert sie an die Bedeutung eines vertraulichen Treffens vor dem Beginn der Bewegung im Jahr 1954 in Wiesbaden – es jährt sich in diesem Jahr zum 70. Mal.  Führende Köpfe aus Theologie und Atomphysik hatten damals wegweisende Impulse gesetzt. Die Teilnehmenden waren: EKD-Ratsvorsitzender Otto Dibelius, Theologie-Professor Helmut Gollwitzer, EKHN-Kirchenpräsident Martin Niemöller und Otto Hahn, Chemienobelpreisträger, Werner Heisenberg, Physiknobelpreisträger, sowie der Physiker, Philosoph und Friedensforscher Carl Friedrich von Weizsäcker.

Unterzeichnende der "Wiesbadener Erinnerung" von 2024:

 

Dr. med. Angelika Claußen

Dr. med. Angelika Claußen ist Präsidentin der IPPNW Europa (Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkriegs) und Co-Vorsitzende der IPPNW Deutschland e.V. Sie arbeitet als niedergelassene Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in Bielefeld. (* 1951 in Oldenburg)

 

Ulrich Gottstein

Ulrich Gottstein war 1981 Mitbegründer der IPPNW Deutschland und zeitweilig Vizepräsident des IPPNV Europe. 1985 gehörte er zu der Delegation, die den Nobelpreis für die Organisation entgegennahm. 1936 engagierte er sich als Zwölfjähriger in der Evangelischen Jugendarbeit in Berlin-Dahlem, wo Martin Niemöller Pfarrer war und von den Nazis verhaftet wurde. Später trat Gottstein für die Bekennende Kirche ein. Bis zu seinem Ruhestand 1991 war Gottstein Chefarzt im Bürgerhospital in Frankfurt am Main und Professor für Innere Medizin an der dortigen Johann Wolfgang Goethe-Universität. (*1926 in Stettin)

Ernst Ulrich von Weizsäcker

Ernst Ulrich von Weizsäcker ist ein international tätiger Umweltwissenschaftler und Politiker (SPD). Von 1998 bis 2005 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 2012 bis 2018 war er Ko-Präsident des Club of Rome. Er ist Mitglied in zahlreichen internationalen Wissenschaftsvereinigungen und Träger zahlreicher Ehrungen. (*1939 in Zürich)

Volker Jung

Volker Jung ist seit 2009 Kirchenpräsident der EKHN. Als vierter Amtsnachfolger von Martin Niemöller ist er sich der besonderen Friedenstradition in der EKHN bewusst. (*1959 in Schlitz)
mehr über Kirchenpräsident Jung

Michael Karg

Michael Karg ist seit 2010 Vorsitzender der Martin-Niemöller-Stiftung, die das geistliche Anliegen ihres berühmten Namensgebers bis heute wachhält. Niemöller war der erste Kirchenpräsident der EKHN sowie Friedensaktivist und entschiedener Nuklearwaffengegner.
Michael Karg wirkte von 1999 bis zum Eintritt in den Ruhestand 2011 als Propst für Nord-Nassau und Mitglied in der Kirchenleitung der EKHN (*1946 in Gelsenkirchen)

Originale im Wortlaut:

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