Das Glaubensbekenntnis in der evangelischen Kirche:
Bedeutung & aktuelle Fragen
15.03.2025
pwb
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veröffentlicht 11.03.2025
von Online-Redaktion der EKHN, RH, JB
„Gemeinsam bekennen wir unseren Glauben.“ Mit diesen oder ähnlichen Worten signalisiert die oder der Liturg:in im evangelischen Gottesdienst, dass gleich die Anwesenden das Apostolische Glaubensbekenntnis sprechen. In kurzen Sätzen definiert das Glaubensbekenntnis die zentralen Inhalte des christlichen Glaubens. Damit bietet es bei Taufen, Trauungen, den Sonntagsgottesdiensten und anderen gottesdienstlichen Anlässen Orientierung und Gemeinschaft. Es soll verhindern, dass der christliche Glaube beliebig interpretiert und für verschiedene Zwecke oder Eigeninteressen verwendet wird. Das Glaubensbekenntnis gilt als Gebet und Credo (lateinisch: ich glaube).
Aktuelle Lebenswirklichkeit und traditionelle Glaubenssätze
Im Kontrast zur gleichmäßigen Intonation birgt die Entstehung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses eine packende Kombination aus dem Engagement eines wandernden Mönches, einer erstaunlichen Legende und den Ideen aus vielfältigen, lokalen Bekenntnissen in Europa. Tatsächlich reichen die Wurzeln der Worte bis ins 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. zurück. Deshalb kann es heute vorkommen, dass einige Formulierungen Verwunderung auslösen: Ist Gott wirklich allmächtig? Wie kann ich mir vorstellen, dass Jesus Christus „zur Rechten Gottes“ sitzt? Evangelische Theologen wie Jörg Bickelhaupt ermutigen: „Die Fragen, mit denen sich die Verfasser des Glaubensbekenntnisses beschäftigten, sind auch für Menschen heute relevant: Wie sehen wir Gott? Welche Bedeutung hat Jesus für uns? Was passiert nach dem Tod? Jede und jeder einzelne hat die Möglichkeit, immer wieder neu über diese Fragen nachzudenken.“
Jörg Bickelhaupt ist Referent für interkonfessionelle Fragen im Zentrum Oekumene der EKHN und EKKW. Dabei weist er auf Impulse aus der bayerischen Landeskirche hin, die zur persönlichen Auseinandersetzung mit dem Glaubensbekenntnis anregen:
Viele Evangelische kennen das Glaubensbekenntnis aus dem Konfirmandenunterricht. Neben dem Apostolischen Glaubensbekenntnis gibt es jedoch auch das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel, und andere. Diese Glaubensbekenntnisse greifen zentrale Fragen des christlichen Glaubens auf und sind durch ereignisreiche geschichtliche Entwicklungen entstanden. In diesen FAQs erläutern wir den Inhalt und die Bedeutung dieser Glaubensbekenntnisse sowie ihre Unterschiede und Gemeinsamkeiten.
Über das Apostolische Glaubensbekenntnis:
In welchen christlichen Konfessionen gilt das Apostolische Glaubensbekenntnis?
In der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) wird meist das Apostolische Glaubensbekenntnis gesprochen. Es wird auch in anderen evangelischen Kirchen, der römisch-katholischen Kirche und der anglikanischen Kirche verwendet und drückt die Zugehörigkeit zu christlichen Glaubensgemeinschaften aus. Das Apostolicum ist jedoch nur in den Kirchen des Westens verbreitet, nicht in der Orthodoxie.
Wie lautet der Text des Glaubensbekenntnisses?
Ich glaube an Gott, den Vater,
den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus,
seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes,
des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen,
zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige christliche Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen
Wann und wie ist das Apostolische Glaubensbekenntnis entstanden?
Im 8. Jahrhundert taucht der Text des Apostolischen Glaubensbekenntnisses erstmals in der Schrift „Scarapsus“ des Wandermönchs Pirminius auf. Die Theologin Hannelore Jahr beschreibt in der „Geschichte des Apostolischen Glaubensbekenntnisses“, dass Pirminius vor allem im süddeutschen Raum und im Elsass gewirkt hat. Auch Klostergründungen gingen auf ihn zurück – beispielsweise auf der Insel Reichenau. Als Vertreter der iro-schottischen Mission bekehrte er fränkische und alemannische Bewohnerinnen und Bewohner zum christlichen Glauben.
Historiker halten es für möglich, dass er in Südfrankreich bei Norbonne geboren worden ist und deshalb die dortigen Glaubensbekenntnisse kannte. Denn Bekenntnisse aus der Provence des Faustus von Riez aus dem Jahr 450 und das des Cäsarius von Arles (gest. 542) ähneln sehr dem heute bekannten Apostolischen Glaubensbekenntnis. Durch die Missionstätigkeit Pirminus hatte sich das Apostolische Glaubensbekenntnis auch in Nordfrankreich und Teilen Germaniens eingebürgert. Nach Rom gelangte es, weil das Kloster in Reichenau ein Messbuch mit dem Apostolischen Glaubenbekenntnis an den Heiligen Stuhl schickte. Ab dem 11. Jahrhundert n. Chr. war das Apostolische Glaubensbekenntnis in Rom fest etabliert.
Der Entstehungsprozess reich aber bis ins 2./3. Jahrhundert zurück. Deshalb wurzelt das Apostolische Glaubensbekenntnis in weiteren, unterschiedlichen Traditionen:
- Romanum: Die Vorgänger-Version des Apostolischen Glaubensbekenntnisses ist das alte römische Taufbekenntnis der römischen Kirche, das „Romanum“, das im 3. Jahrhundert n. Chr. entstand. Es ist etwas kürzer als das Apostolische Glaubensbekenntnis und enthält beispielsweise keinen Hinweis auf den Schöpfer im ersten Artikel. Aufgrund seines hohen Alters hat das Romanum die lokalen Bekenntnisse des Westens beeinflusst.
- Lokale Bekenntnisse: In dieser Zeit haben sich zunehmend mehr Menschen für das Christentum entschieden. Dadurch bestand die Gefahr, dass durch mangelndes Wissen der neu Hinzugekommenen die christlichen Glaubensgrundlagen verfälscht wurden. Damit die neu bekehrten Christinnen und Christen die christliche Lehre richtig verstanden, wurde sie in Bekenntnissen zusammengefasst. Bei der Taufe wurde ein solchen Bekenntnis dann feierlich vorgetragen. Über einen längeren Zeitraum bestanden diese unterschiedlichen, lokalen Taufbekenntnisse.
- Legende: Nach einer Legende sollen sich die Apostel nach dem Pfingstereignis getroffen haben, um ein gemeinsames Bekenntnis zu verabreden. Dieses sollte sicherstellen, dass sie die gleiche christliche Lehre predigten, wenn sie weit voneinander entfernt in den unterschiedlichen Teilen der Welt das Christentum verbreiteten.
Wie beeinflusst eine Legende die Bezeichnung "Apostolisches Glaubensbekenntnis"?
Der Mönch Rufinus von Aquileia hat um das Jahr 400 die Legende zum Apostolischen Glaubensbekenntnis festgehalten. Danach leitet sich die Bezeichnung von den biblischen Aposteln ab. Bereits die Bibel berichtet vom Pfingstereignis, bei dem die Apostel in Jerusalem in verschiedenen Sprachen über Jesus predigten. Die Legende ergänzt eine weitere Episode: Danach sollen sich die Apostel noch einmal getroffen haben, um sich auf eine Norm zu einigen, die für ihre zukünftigen Predigt gelten sollte. Diese Norm, das Apostolische Glaubensbekenntnis, sollte sicherstellen, dass sich keine unterschiedlichen Lehren entwickelten, wenn die Apostel später an weit voneinander entfernten Orten über die christliche Botschaft sprachen.
Über das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel und andere:
Was ist der Unterschied zwischen dem Apostolischen Glaubensbekenntnis und dem Glaubensbekenntnis von Nicäa-Konstantinopel?
In welchen Konfessionen gilt das Glaubensbekenntnis von Nicäa-Konstantinopel?
In der Orthodoxen Kirche wird es in jedem Gottesdienst gesprochen oder gesungen. In der evangelischen Kirche wird es nur an hohen Festtagen gesprochen. Das Nicänum verbindet alle christlichen Kirchen.
Wie lautet der Text des Glaubensbekenntnisses von Nicäa-Konstantinopel (Ökumenische Fassung)?
Wir glauben an den Einen Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
der alles geschaffen hat,
Himmel und Erde,
die sichtbare und die unsichtbare Welt.
Und an den einen Herrn Jesus Christus,
Gottes eingeborenen Sohn,
aus dem Vater geboren vor aller Zeit:
Licht vom Licht,
wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt,
nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater;
durch ihn ist alles geschaffen.
Für uns Menschen und zu unserem Heil
ist er vom Himmel gekommen,
hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist
von der Jungfrau Maria
und ist Mensch geworden.
Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus,
hat gelitten und ist begraben worden,
ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift
und aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten des Vaters und wird wieder kommen in Herrlichkeit,
zu richten die Lebenden und die Toten;
seiner Herrschaft wird kein Ende sein.
Wir glauben an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht,
der aus dem Vater hervorgeht,
der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, d
er gesprochen hat durch die Propheten,
und die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche.
Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden.
Wir erwarten die Auferstehung der Toten
und das Leben der kommenden Welt.
Amen
Welches Glaubensbekenntnis kann man sprechen, wenn sich Gläubige mit der ganzen Christenheit verbinden wollen?
Möchte man im Gottesdienst ein Glaubensbekenntnis sprechen, das die Gemeinde vor Ort mit der ganzen Christenheit verbindet, so wäre das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel, nicht das Apostolicum das Bekenntnis der Wahl.
Wann und wo ist das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel entstanden?
Im Jahr 2025 feiern die christlichen Kirchen das 1700-jährige Jubiläum des Ersten Ökumenischen Konzils von Nizäa. Ein Konzil ist eine Versammlung (damals von Vertretern, im heutigen evangelischen Kontext von Vertreter*innen) der ganzen Kirche und ökumenisch bedeutet in diesem Zusammenhang, dass alle Ortskirchen die Ergebnisse dieses Konzil anerkannt und übernommen haben.
Der damalige römische Kaiser Konstantin lud im Jahr 325 n.Chr. die Bischöfe des römischen Reiches als Vertreter ihrer jeweiligen Ortskirche nach Nizäa (heute Iznik/Türkei) ein, in seine Kaiserresidenz.
Neben der Regelung kirchlicher und theologischer Fragen (z.B. hielt man gegen die Lehre des Arius fest, dass Jesus Christus kein Geschöpf war, sondern dass sich in ihm Gott selbst zeigte) einigte man sich z.B. auf einen gemeinsamen Termin für das Osterfest und man formulierte ein gemeinsames Glaubensbekenntnis, das Bekenntnis von Nizäa. Dieses wurde auf dem Zweiten Ökumenischen Konzil (Konstantinopel 381) ergänzt und in der Folge als Nizänisches (manchmal auch Nizänokonstantinopolitanisches) Glaubensbekenntnis (oder kurz Nizänum) bezeichnet.
Gibt es noch andere Glaubensbekenntnisse?
Es gibt mehrere bedeutende Glaubensbekenntnisse im Christentum, die von verschiedenen Konfessionen verwendet werden. Hier sind einige der wichtigsten:
- Apostolisches Glaubensbekenntnis: Ein frühes und weit verbreitetes Bekenntnis, das oft in westlichen christlichen Kirchen verwendet wird.
- Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel: Formuliert auf den Konzilien von Nicäa (325) und Konstantinopel (381), wird es von allen christlichen Kirchen als verbindende Glaubensgrundlage angesehen.
- Athanasianisches Glaubensbekenntnis: Ein ausführliches Bekenntnis, das vor allem in westlichen Kirchen verwendet wird und sich auf die Dreieinigkeit und die Menschwerdung Christi konzentriert.
- Chalcedonensisches Glaubensbekenntnis: Formuliert auf dem Konzil von Chalcedon (451), behandelt die Natur Jesu Christi und wird von vielen orthodoxen, katholischen und einigen protestantischen Kirchen anerkannt.
Einige zentralen, evangelischen Bekenntnisschriften:
(werden nicht im Gottesdienst verwendet)
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Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana): Philipp Melanchthon hat 1530 die grundlegenden Glaubensüberzeugungen der lutherischen Reformation in diesem Bekenntnis dargestellt. Es wurde Kaiser Karl V. in Augsburg überreicht.
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Großer und kleiner Katechismus Martin Luthers: Diese Katechismen wurden von Martin Luther verfasst, um den Gläubigen eine leicht verständliche Anleitung zum christlichen Glauben und Leben zu geben. Zentrale Themen sind die Zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, die beiden Sakramente Taufe und Abendmahl sowie die Beichte.
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Theologische Erklärung von Barmen: Formuliert 1934, stellt dieses Bekenntnis eine deutliche Abgrenzung gegen die nationalsozialistische Ideologie dar und betont die Unabhängigkeit der Kirche von staatlicher Beeinflussung.
Mehr über die Barmer Theologische Erklärung
- Interview mit Dr. Jörg Bickelhaupt, Referent für interkonfessionelle Fragen im Zentrum Oekumene der EKHN und EKKW
- Hannelore Jahr: Zur Geschichte des Apostolische Glaubensbekenntnisses, in: ekd.de
- www.oekumene-ack.de: 1700 Jahre erstes Ökumenisches Konzil von Nizäa (325)
- www.ekd.de: Apostolisches Glaubensbekenntnis