Gesellschaft
Beratung für junge Leute rund um Auswahlwehrdienst und Kriegsdienstverweigerung
© gettyimages, huettenhoelscher, alona horkovaWehrpflichtige Menschen stehen vor einer großen Entscheidung - dabei können sie begleitet werden10.07.2024 pwb Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
veröffentlicht 09.07.2024
von Online-Redaktion der EKHN, RH, SML
Wenn du dein 18. Lebensjahr vollendet hast, bekommst du bald Post. Denn der Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte Mitte Juli 2024 angekündigt, „dass Frauen und Männer mit Erreichen des wehrdienstfähigen Alters angeschrieben werden.“ Denn der Verteidigungsminister setzt jetzt auf einen Auswahlwehrdienst. Nur geeignete und motivierte gemusterte Interessierte sollen für die Bundewehr ausgewählt werden. Ein erster Schritt um das festzustellen, ist ein Fragebogen, der dem Brief beiliegt. Nach weiteren Schritten stehst du möglicherweise vor ganz entscheidenden Fragen: Kannst du dir vorstellen, Wehrdienst zu leisten? Was sagt dein Gewissen dazu, zur Waffe zu greifen? Bei der Suche nach der passenden Antwort für dich kannst du dich beraten lassen.
Vorab ein die wichtigsten Infos zum Auswahlwehrdienst:
Häufige Fragen zum Auswahlwehrdienst
Warum wurde der Auswahlwehrdienst eingeführt?
2011 wurde die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt und anschließend mehr und mehr in Richtung einer Berufsarmee ausgebaut. 2024 kündigte der Verteidigungsminister ein neues Wehrdienstmodell an. Der Grund: Die Bedrohungslage in Europa hat sich wegen des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine verschärft. Zudem gibt es laut Tagesschau in der Bundeswehr derzeit eine Personallücke von rund 20.000 Soldatinnen und Soldaten. Deshalb soll es nun einen Auswahlwehrdienst geben, der auf Freiwilligkeit beruht.
Worum geht es in dem Brief an Männer und Frauen im wehrdienstfähigen Alter?
Dem Brief liegt ein Fragebogen bei. Die Fragen beziehen sich auf körperliche Fitness und Motivation. Männer müssen einen Fragebogen ausfüllen und zurücksenden. Frauen können dies freiwillig tun.
Wer wird zur Musterung eingeladen?
Ein Teil derer, die den Fragebogen ausgefüllt haben, werden dann zur Musterung aufgefordert. Nach der Musterung werden die Geeignetsten und Motiviertesten für den Wehrdienst ausgewählt.
Kannst du schon mit 17 Jahren zur Bundeswehr gehen?
Man kann in der Bundewehr bereits mit 17 Jahren Soldatin und Soldat werden. Davon raten die Kirchen aber ab. Denn: Die UN Kinderrechtskonvention ächtet die Rekrutierung Minderjähriger. Deshalb fordern die Kirchen, dass sich auch die Bundesrepublik daran halten soll. Grundsätzlich sind alle Männer vom vollendeten 18. Lebensjahr an wehrpflichtig.
Wie geht es für Männer und Frauen weiter, die für den Wehrdienst ausgewählt wurden?
Den ausgewählten jungen Männern und Frauen steht die Möglichkeit offen, einen sechsmonatigen Grundwehrdienst oder bis zu insgesamt 23 Monate Wehrdienst zu leisten. Die Bundeswehr bietet denjenigen, die sich über sechs Monate hinaus verpflichten, Weiterqualifizierungsmöglichkeiten.
Kann auch der Kriegsdienst verweigert werden?
Ja. Mit der „Tauglich“-Musterung besteht auch das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen.
Gibt es eine "friedliche" Alternative zum Wehrdienst?
Ja, das sind die zivilen Friedens- und Freiwilligendienste. Es werden Friedensfachkräfte gebraucht, die einen Beitrag zur gewaltlosen Bearbeitung und Lösung von Konflikten leisten. So ist der Zivile Friedensdienst (ZFD) für die Friedensförderung und Gewaltprävention tätig. Vor allem ist er in Krisen- und Konfliktregionen aktiv, um beispielsweise verfeindete Gruppen in Kontakt zu bringen, Interessen auszubalancieren, um so Versöhnung und friedliches Zusammenleben wieder zu ermöglichen.
Mehr über zivile Friedensdienste
Beratungsangebot für dich: Kriegsdienst verweigern – oder nicht?
Mit der Einführung des Auswahlwehrdienstes stehst du möglicherweise in Zukunft vor einer sehr wichtigen Entscheidung, die sich auf deinen Lebensweg auswirken wird: Möchtest du den Dienst an der Waffe antreten? Könntest du das mit deinem Gewissen vereinbaren? Mit diesen entscheidenden Fragen musst du nicht allein bleiben, denn ein Beratungsangebot der evangelischen Kirche kann dich dabei unterstützen, damit du zu einer Entscheidung kommst, die zu dir passt. Die „Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden" berät kostenlos und bietet seelsorgerliche Begleitung an:
Damit du dir vorstellen kannst, was dich beim Auswahlwehrdienst erwartet, wird dir die Bundeswehr ein breites, digitales Informationsangebot bereitstellen. Als Friedenspfarrerin hat sich Sabine Müller-Langsdorf auch mit dem Wehrdienst auseinandergesetzt. Sie ist Beauftragte für Friedensarbeit im Zentrum Oekumene der EKKW und EKHN. So weiß sie, dass die Bundeswehr interessante Anreize schafft, um mehr Mensch für den Wehrdienst zu gewinnen - wie beispielsweise einen kostenlosen Führerschein. Die Friedenspfarrerin macht deutlich, worüber du dir aber bewusst sein solltest: „Klar ist, dass dieser Beruf ein besonderer ist. Soldatinnen und Soldaten nehmen im Ernstfall das Töten und Getötet werden in Kauf.“
So stehen evangelische Friedensdienste zum Auswahlwehrdienst
Die Friedensverbände Aktionsgemeinschaft Dienst für die Frieden (AGDF) und Evangelische Arbeitsgemeinschaft für KDV und Frieden (EAK) begrüßen, dass Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius keine Form der allgemeinen Wehrpflicht in Friedenszeiten anstrebt, sondern die Entscheidung für den sogenannten Dienst an der Waffe grundsätzlich freiwillig bleibt. Zugleich setzen sie sich dafür ein, dass zivile Friedensdienste größere Anerkennung und Unterstützung durch Staat und Gesellschaft erfahren.
Euer Ansprechpartner beim Zentrum Ökumene ist Daniel Untech.