Clemens Bittlinger geht in Ruhestand
28.10.2025
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Abschied mit viel Musik
Clemens Bittlinger ist in Roßdorf vom Pfarrdienst in der Landeskirche entpflichtet worden
Mit viel Musik hat sich Clemens Bittlinger aus dem Pfarrdienst verabschiedet. In einem Gottesdienst in der evangelischen Kirche in Roßdorf entpflichtete Propst Stephan Arras ihn aus seinem Dienst in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). An einen Empfang schloss sich ein „Fest des Glaubens“ in der Kirche an. So hatte es sich Clemens Bittlinger gewünscht: mit viel Musik in den Ruhestand zu gehen. Auch wenn sein aktiver Dienst in der EKHN nun endet, hat er doch bereits angekündigt, weiterhin Lieder zu komponieren, Konzerte zu geben und Bücher zu schreiben. Auch die Reihe „Donnerstags:Kultur“, die er seit 20 Jahren in Ober-Ramstadt organisiert, wird unter seiner Leitung fortgesetzt.
Im Gottesdienst griff der Sechsundsechzigjährige immer wieder selbst zur Gitarre, begleitete die Gemeindelieder aus eigener Feder wie etwa „Öffnet den Kreis“ oder sein Lied zur Jahreslosung „Prüfet alles“. In seiner launigen, aber durchaus nachdenklich stimmenden Predigt über Noah und die Sintflut mit vielen aktuellen Bezügen versicherte er, dass wie Noah damals auch heute erlebt werden könne, dass Gott gnädig bleibe, selbst wenn die Welt aus dem Gleichgewicht gerate. Doch dieser Glaube werde heute von den drei unbarmherzigen Ks herausgefordert: Klimawandel, Künstliche Intelligenz und Krieg. Der Klimawandel zeige die Folgen menschlicher Rücksichtslosigkeit, die KI drohe, die Menschheit abzuschaffen und der Krieg zerstöre erbarmungslos Leben und Hoffnung. Gerade jetzt, so Bittlinger, brauche es eine Kirche, die prophetisch klare Haltung zeige und pastoral tröste und begleite. Sie solle mutig, kreativ und glaubensstark handeln, Christinnen und Christen sollten einladend von ihrem Glauben reden, so der Seelsorger und Musiker.
Clemens Bittlinger dankte allen, die ihn in seiner Arbeit begleitet haben: Ehrenamtliche und Hauptamtliche, seiner Kirche, seiner Frau, die auch anwesend war, und Gott selbst. Propst Stephan Arras dankte Clemens Bittlinger für seinen Dienst in der Kirche und seiner Verbundenheit mit ihr. Er verglich die Insel Iona in Schottland, „wo sich Himmel und Erde berühren“, mit Liedern Bittlingers, „wo Gott und Mensch verschmelzen“. Segensworte bei der Entpflichtung sprachen neben Arras auch der Stellvertretende Dekan Sven Sabary, Pfarrerin Ilka Friedrich, Bittlingers Kollegin im Dekanat im Arbeitsbereich Ökumene, und Pater Anselm Grün, sein langjähriger Freund. Diese wirkten auch bei den Fürbitten mit. Musikalisch gestalteten ebenfalls langjährige Weggefährten den Gottesdienst mit: David Plüss (Piano), David Kandert (Percussion) und Finn Krug (Orgel). Für die Kollekte warb Christina Haverkamp, die sich seit 1989 für die Yanomami-Indianer im brasilianischen Regenwald einsetzt und 2006 den Verein Yanomami-Hilfe e.V. gegründet hat. Clemens Bittlinger unterstützt diese Arbeit seit vielen Jahren.
Beim anschließenden Empfang im Elisabeth-Haus würdigte der Stellvertretende Dekan Sven Sabary Bittlingers vielfältige Arbeit im Bereich „Mission und Ökumene“ im Dekanat, von 2005 bis 2022 im früheren Dekanat Darmstadt-Land mit Sitz in Ober-Ramstadt, ab dann im fusionierten Dekanat Darmstadt mit Sitz in Darmstadt. Ober-Ramstadts Bürgermeister Tobias Silbereis lobte die Zusammenarbeit der Stadt mit Bittlinger bei der erfolgreichen und abwechslungsreichen Reihe „Do:Ku“, die sich in zwei Jahrzehnten bundesweit einzigartig etabliert habe.
Die ehrenamtliche Kreisbeigeordnete Dr. Margarete Sauer, die den Landrat vertrat, hob Bittlingers Engagement im Interreligiösen Forum des Landkreises hervor. Er habe zu einem „wertschätzenden, respektvollen Miteinander in einer bunten religiösen Gesellschaft“ beigetragen. Unter den Gästen waren zudem der frühere Kirchenpräsident Dr. Volker Jung und Musikerkollege und Pfarrer i. R. Eugen Eckert.
Beim anschließenden Fest des Glaubens mit rund 350 Gästen in der Kirche wechselten sich Clemens Bittlinger und seine Band bestehend aus David Plüss, David Kandert und Matthias Dörsam ab mit Beiträgen des Duo Camillos (Fabian Vogt und Martin Schultheiß) und Impulsen von Pater Anselm Grün. Und auch dieses Konzert endete mit Bittlingers wohl bekanntestem Lied „Sei behütet“, bei dem die Gäste Hand in Hand standen und manche Träne rollte.
Vita Clemens Bittlinger:
Clemens Bittlinger, Jahrgang 1959, hat in Mainz und Erlangen evangelische Theologie studiert. Von 1986 bis 1988 war er zunächst als freier Liedermacher unterwegs, dann folgte bis 1990 das Vikariat. Ab 1990 hatte er das neu geschaffene Sonderpfarramt „Musik, Kultur, Verkündigung“ im damaligen Amt für missionarische Dienste der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) inne, das auch einen bundesweiten Konzertreisedienst beinhaltete. Ab 2000 führte er diese Tätigkeit mit halber Stelle, jetzt beim Zentrum Verkündigung angesiedelt, weiter, mit mehr Freiraum für seine freiberufliche Tätigkeit als Musiker. Von 2005 bis 2022 war er Referent für Mission und Ökumene im Evangelischen Dekanat Darmstadt-Land mit Sitz in Ober-Ramstadt, nach der Fusion der Dekanate Darmstadt-Stadt und Darmstadt-Land bis zu seinem Ruhestand 2025 im Dekanat Darmstadt mit Sitz in Darmstadt. Zudem absolvierte er eine Ausbildung zum Kommunikationswirt beim Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) und die Qualifizierung „Lernfeld Ökumene“, und er ist seit 2002 Botschafter der Christoffel-Blindenmission (CBM) in Bensheim.
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Interview zu seinem Abschied als Pfarrer für Mission und Ökumene im Dekanat
(am 25. September geführt):
Der letzte Do:Ku-Abend in Deiner Amtszeit, letzte Termine im Dekanat, kleine Abschiede aus verschiedenen Kontexten: Wie geht es Dir in diesen letzten Wochen im Pfarrdienst vor Deiner Entpflichtung am 1. November?
CB: Es geht mir gut, ich spüre den Wind der Freiheit, aber ich hatte ja auch schon in meinem Pfarramt sehr viel Freiheit, die Dinge so zu gestalten, wie ich es wollte. Dafür bin ich meiner Landeskirche sehr dankbar. Kleine Abschiede gibt es hier und da, na klar. Aber mit vielen Menschen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, werde ich auch weiterhin in Kontakt bleiben. Die Veranstaltungsreihe „Donnerstags:Kultur“ z.B. werde ich auch nach meiner Entpflichtung in den nächsten Jahren weiterorganisieren. Jetzt freue ich mich auf das „Fest des Glaubens“, zu dem ich nach dem Gottesdienst am 1.11. einlade. Es ist eine schöne Möglichkeit, Abschied zu nehmen. Ich bin geprägt von großer Dankbarkeit, bin aber auch bange, was die Zukunft unserer Landeskirche und die Herausforderungen, die vor uns stehen, angeht.
Du warst 20 Jahre lang Referent für Mission und Ökumene auf Dekanatsebene, davor im Sonderpfarramt „Musik, Kultur, Verkündigung“ und immer warst und bist Du auch Musiker, der mit langjährig vertrauten Mitmusikern durch die Lande zog. Wie haben sich beide Standbeine gegenseitig beeinflusst?
CB: Mich hat immer fasziniert, in der Landeskirche Pfarrer zu sein, verbunden zu sein mit einem Dekanat, mit den Kirchengemeinden und mitzubekommen, was dort passiert und wo ich helfen kann mit Musik, Kultur und immer mit einem ökumenischen Ansatz. Beide Standbeine zu bespielen, war nur durch Langzeitplanung möglich. Mein Dienst in der Festanstellung beim Dekanat und meine Aktivitäten als Freiberufler, haben sich immer gegenseitig befruchtet. Entstanden sind in dieser Zeit auch ganz viele Lieder und Texte im Kontext von Gemeinde. Immer wieder auch die Bodenhaftung zu suchen bei der kirchlichen Arbeit vor Ort, war enorm wichtig für meine bundesweite Arbeit.
Was war Dir am wichtigsten in Deinem rund 40-jährigen Dienst als Pfarrer?
CB: Als Pfarrer ist und war mir die Verkündigung, die Kommunikation des Evangeliums auch im säkularen Raum, wichtig. Dabei war die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen-Teams elementar. Dass Menschen, mit denen ich zusammenarbeitete, Wertschätzung erfahren haben, dass man ihnen gezeigt hat, dass sie gebraucht wurden, dass sie Verantwortung übernehmen und selbst kreativ werden konnten, war ein wichtiger Baustein für meine Tätigkeit im Dekanat. Ich war quasi oft nur „der Mensch im Hintergrund“, der Impulse gab, wie etwa bei den Bistro-Nachtcafé-Wochen in Eschollbrücken, Roßdorf und Griesheim. Der interreligiöse Dialog mit den muslimischen Geschwistern, den Bahai und der jüdischen Gemeinde hat mich sehr inspiriert. Fulbert Steffensky hat einmal gesagt: „Mission heißt zeigen, was man liebhat“ und das wollte ich immer: zeigen was mich begeistert und fasziniert. Deshalb war mir der Begriff „Mission“ immer wichtig. Das bedeutet nicht, dass ich den anderen nicht stehen lasse und wertschätze. Der Diskurs mit den anderen Religionen hat mir vieles beigebracht an Wertvollem auch in meinem eigenen Glauben. Die Beratung von Gemeinden und das jeweilige Engagement vor Ort war mir wichtiger als Gremienarbeit. Die freie Predigt zu üben, die Menschen anzuschauen und so wenig wie möglich abzulesen, empfinde ich nach wie vor als lohnende Herausforderung. Es gab ein Zeitfenster innerhalb dessen ich Fernsehgottesdienste für das ZDF, den BR und Bibel TV mitkonzipieren und gestalten durfte. In den letzten fünf Jahren kamen, ausgelöst durch die Corona-Lockdowns, noch die regelmäßigen YouTube-Liedandachten dazu.
Was würdest Du jungen Pfarrerinnen und Pfarrern aufgrund Deiner Erfahrung heute mit auf den Weg geben?
CB: Ich sage es gerne mit einem Zitat von Richard Rohr, einem amerikanischen Franziskanerpater: „You don´t have to be perfect, but be connected“. Du musst nicht perfekt sein, aber sei verbunden mit den Menschen, mit denen du zu tun hast. Das wäre mein ganz wichtiger Rat. Wir müssen mehr denn je elementar predigen und die Fragen aufgreifen, die die Menschen heute bewegen und dafür gemeinsam in den Gemeinden vor Ort Antworten finden und Wege, die wir miteinander gehen können.
Womit hinterlässt Du Spuren als Referent für Mission und Ökumene im Dekanat?
CB: Ich hoffe, dass ich ein paar wohltuende Spuren hinterlasse. Wir laden ja als Kirche ein, Jesus in dieser Welt nachzufolgen. Wir bewegen uns also auf den Spuren Jesu. Für mich habe ich das einmal in einem meiner Lieder so formuliert: „Ich stolpre Jesus hinterher!“, da läuft natürlich auch manches schief, aber die Gesamtrichtung muss stimmen. Ich möchte Jesus im Blick behalten, egal was passiert und das kommt auch in den Liedern, die ich in der Zeit geschrieben habe zum Ausdruck. Das für die Gemeinden veröffentlichte Liederbuch ATEM DES LEBENS (gemeinsam mit Eugen Eckert und Fabian Vogt) ist eine Spur oder die vier Lieder, die auch ins EG+ aufgenommen wurden. Wenn wir miteinander singen, allzumal, wenn wir unseren Glauben singend zum Ausdruck bringen und in den Vielklang der singenden und swingenden Gemeinde eintauchen, dann verändert uns das spürbar und wohltuend. Spuren hinterlassen hat sicherlich die Reihe „Donnerstags:Kultur“ in Ober-Ramstadt, die seit 20 Jahren läuft. Und die, laut Aussage des Bürgermeisters von Ober-Ramstadt mittlerweile „zur DNA der Stadt Ober-Ramstadt gehört“. Da hat sich eine einzigartige Kooperation zwischen Kirche und Stadt entwickelt. Die Studienfahrten nach Israel, Jordanien, Kreta oder Irland, die ich gemeinsam mit unserem Bildungsreferenten Ingo Mörl anbieten durfte, haben natürlich auch meinen Horizont erweitert. Das hat auch bei mir Spuren hinterlassen, etwa in der Art zu predigen. Spuren haben auch die „Sternstundengottesdienste“ hinterlassen, der Arbeitskreis Ökumene, meine Mitarbeit beim Interreligiösen Forum des Kreises und das Bistro-Nachtcafé, die Kooperation mit der Theophrastus Stiftung im Rahmen der Vortragsreihe „Mystische Momente Mühltal“, sowie meine Handreichungen zu den jeweiligen Projekten (Jesus und Yoga).
Mission und Ökumene sind zwei Seiten derselben Medaille. Den eigenen Weg begeistert zu vertreten, zur Nachfolge einzuladen und die Bereitschaft, anderen zuzuhören und sie wertzuschätzen, gehört für mich unbedingt zusammen.
Du bist dafür bekannt, mit Deiner Meinung zu Kirche und Politik nicht hinterm Berg zu halten, hast Dich mit Papst Benedikt in einem Lied angelegt und die direkte Konfrontation mit Coronaleugnern gesucht. Welche Botschaft sollte von der (evangelischen) Kirche in diesen Tagen am dringendsten ausgehen?
CB: Unser Ausgangspunkt der evangelischen Kirche ist Luther und die Entdeckung des gnädigen Gottes. Wir sehen uns heute aber konfrontiert mit drei unbarmherzigen Mächten: den drei Ks: Krieg, Klimawandel und Künstliche Intelligenz. Wir als Kirche, als Christen müssen Antworten finden, ohne in apokalyptischen Fatalismus zu verfallen, wie wir die Menschen begleiten, trösten und wie wir selber vorbildhaft agieren. Wir müssen mit Gefahren wach und engagiert umgehen und die Menschen eng begleiten, auch im Dialog mit der katholischen Kirche und anderen Religionen. Aufgabe für uns als Kirche: prophetisch und pastoral. Wir müssen uns prophetisch, unbequem und natürlich auch politisch miteinbringen. Es braucht klare Ansagen wo und für was wir als Kirche in diesen rauen Zeiten stehen, das meine ich mit „prophetisch“. Und wir müssen bei den Leuten sein, sie begleiten, Raum für Gemeinschaft und Glauben bieten und trösten, das meine ich mit „pastoral“, das Hirtenamt wird wichtiger denn je. Wir leben in einer schwierigen Zeit voller Herausforderungen, da gilt es aber nicht zu resignieren, sondern phantasievoll und kreativ und glaubensstark zu sein. Und wir müssen als Christen lernen, von unserem Glauben zu reden, ohne frommes Blabla. Und wir müssen in Aktion gehen. Wir müssen für andere beten, ihnen aber auch selbst helfen. Unser Gebet sei: „Herr, erneure deine Kirche und fange bei mir damit an!“
Du wirst die Do:Ku-Reihe im Auftrag des Dekanats zunächst weiterführen. Auch wirst Du sicher weiter Konzerte geben. Was hast Du dir darüber hinaus für Deinen Teil-Ruhestand vorgenommen?
CB: Ich will viel reisen, ich schreibe weiterhin Bücher, jetzt im Herbst erscheinen zwei neue, darunter ein spiritueller Roman „Im Kreis der Zwölf“. Im nächsten Jahr will ich ein Buch über Franz von Assisi aus protestantischer Sicht schreiben. Ich werde auch weiterhin Songs schreiben und professionell produzieren. Ich will viel lesen und nach wie vor viele Konzerte geben. Ich werde nächstes Jahr Margot Käßmann auf ihrer bundesweiten Abschiedstournee begleiten und weiterhin mit meinem Freund Pater Anselm Grün öffentlich ökumenische Akzente setzen. Den faszinierenden Dialog mit den Erkenntnissen der Astrophysik will ich gerne weiter ausbauen. Ich möchte auch mehr Zeit für Familie haben.
Hast Du etwas bereut?
CB: Nein, ich habe viel Glück gehabt und immer die richtigen Zeitfenster erwischt, wo vieles möglich war.


