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Ein Gespräch mit dem Ehepaar Barner über die Ökumene und die Zukunft der Kirche

„Das sind schwierige Zeiten, aber auch Zeiten, die Chancen eröffnen“

A.BarnerSeit über 40 Jahren leben sie als konfessionsverbindendes Ehepaar die Ökumene: Dr. Susanne Barner und Prof. Dr. Andreas Barner

Für das konfessionsverbindende Ehepaar Dr. Susanne Barner und Prof. Dr. Andreas Barner ist die Ökumene seit mehr als 40 Jahren fester Teil ihres Alltags. Im steten Austausch vertrauen die beiden auf die Zukunftschancen, die eine fortschreitende Ökumene sowohl der Katholischen wie der Evangelischen Kirche eröffnet. Lesen Sie das Online-Interview.

Seit mehr als 40 Jahren ist die Ökumene fester Teil ihres Alltags. Mit dem Entschluss, sich ökumenisch trauen zu lassen, wurden die Katholikin und der Protestant Ende der 1970er Jahre im vorwiegend katholischen Freiburg zu Schrittmachern. Für beide, für den Mathematiker und Mediziner Prof. Dr. Andreas Barner, Mitglied des Rates der EKD, ehemaliger Kirchentagspräsident, Mitglied des Präsidiumsvorstandes des ÖKT und früherer Vorsitzender der Unternehmensleitung des Ingelheimer Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim, und für die Chirurgin Dr. Susanne Barner, Geschäftsführende Vorsitzende der Diözesanversammlung im Bistum Mainz, Pfarrgemeinderatsvorsitzende der Pfarrgruppe Gau-Algesheim und Lektorin, ist die Ökumene ein ganz besonderes Anliegen. Im steten Austausch lebt das Ehepaar die Ökumene nicht nur, es vertraut auch auf die Zukunftschancen, die eine fortschreitende Ökumene sowohl der Katholischen wie der Evangelischen Kirche eröffnet. Wir fragten nach:

Herr Prof. Dr. Barner, Sie haben einmal gesagt: „Die Auseinandersetzung mit ganz unterschiedlich Denkenden finde ich spannend.“ Welche Auswirkung hat die unterschiedliche Konfession auf Ihre Partnerschaft gehabt?

Prof. Dr. Andreas Barner: Wir sind beide von derselben großen Akzeptanz der jeweils anderen Religion geprägt. Das war wichtig, denn es geht in einer konfessionsverbindenden Ehe nicht nur darum zu sagen, ‚Ich bin tolerant, ich habe nichts gegen meine katholischen bzw. evangelischen Kirchengeschwister‘, sondern es geht darum, dass man in der jeweils anderen Religion etwas findet, von dem man glaubt, ‚Mensch, das machen die richtig gut.‘ Das hat uns, glaube ich, beide geprägt. Wir haben beide in der jeweils anderen Konfession Qualitäten gesehen, von denen wir sagten, doch, davon könnte meine Kirche etwas lernen. Mich faszinierte zum Beispiel, dass der katholische Gottesdienst immer etwas feierlicher ist. Er spricht das Herz und alle Sinne an. Die Achtsamkeit, die der Hostie, dem Brot des Herrenmahls, gilt, ist in der katholischen Kirche größer. Wir lernen, glaube ich, als Evangelische Kirche insgesamt dazu, wenn wir offen und wertschätzend ökumenisch unterwegs sind. Meine Frau wird vielleicht besonders geschätzt haben, dass in der Evangelischen Kirche auch Frauen Pfarrerinnen sein können.

Dr. Susanne Barner:  Ja, richtig. Ich könnte vielleicht noch ergänzen, dass für mich die Bedeutung des Wortes im Glauben und im Gottesdienst in der Evangelischen Kirche etwas war, was mir durch unsere Gespräche über Religion und den wechselseitigen Besuch von evangelischen und katholischen Gottesdiensten richtig bewusst geworden ist. Die selbständige und gottesdienstunabhängige Beschäftigung mit der Bibel habe ich als sehr wertvoll angenommen.

Herr Prof. Dr. Barner, der katholische Publizist Joachim Frank hat vor kurzem auf katholisch.de geschrieben: „Um die Ökumene ist es ähnlich bestellt wie um die Pandemie. Es gibt viele Hoffnungen, aber auch große Fährnisse.“ Wo sehen Sie die Hoffnungen und wo die Fährnisse?

Prof. Dr. Andreas Barner: Die Hoffnung ist natürlich, dass wir weiterkommen in der Ökumene. Wenn Sie sich ein paar Jahre zurückversetzen, da war es für konfessionsverbindende Ehepaare in der Katholischen Kirche nicht möglich, gemeinsam zum Tisch des Herrn zu gehen. Da ist ein großer Schritt gemacht worden, seitdem Papst Franziskus 2015 die lutherisch-evangelische Gemeinde in Rom besucht hat. Das ist das Hoffnungsvolle. Das Mühsame und Anstrengende dabei ist: Es dauert insgesamt sehr lange. Im September 2019 wurde dieses wunderbare Papier „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ des Ökumenischen Arbeitskreises veröffentlicht. Ganz hervorragend detailliert ausgearbeitet, soweit ich das als Laie überhaupt beurteilen kann. Ich fand es jedenfalls sehr überzeugend. Die Idee des gemeinsamen Einladens ist eine sehr gute, sie machte Hoffnung. Leider wurde bald klar, wie schwer es ist, ein solches theologisches Ergebnis beim Ökumenischen Kirchentag dann wirklich umzusetzen. Denn im Augenblick sagt Rom: „Nein, eine gegenseitige Einladung ist nicht möglich, das ist noch zu wenig durchdacht und zu wenig auf die Weltkirche reflektiert worden.“ Dafür habe ich als evangelischer Christ Verständnis. Trotzdem wäre es schön, wenn man schon weiter wäre.

Frau Dr. Barner in Ihrer Funktion als Geschäftsführende Vorsitzende der Diözesanversammlung im Bistum Mainz begleiten Sie auch den Pastoralen Weg in ihrem Bistum. Welche Chancen der gegenseitigen Unterstützung sehen Sie bei den kirchlichen Veränderungsprozessen, in denen sich beide Kirchen im Moment befinden?

Dr. Susanne Barner: Angesichts dessen, dass es vermutlich in nicht allzu ferner Zukunft immer weniger Christen geben wird, sehe ich ein ganz großes Ziel darin, an Orten, in denen es eine evangelische und eine katholische Gemeinde gibt, an bestimmten Sonntagen gemeinsam Gottesdienst zu feiern. Das würde für mich ein großer Schritt auf dem Weg zur Einheit der Christen sein, und es würde gleichzeitig für katholische und evangelische Gemeinden die Chance sein, vor Ort einen Gottesdienst pro Sonntag zu haben. Ein weiteres Ziel wäre es außerdem, mit der gemeinsamen Nutzung von Gebäuden voranzukommen – seien es nun Pfarrsäle, Gemeindesäle, ganz unterschiedliche Gebäude. Die Gebäudeerhaltungskosten sind ein immenser Posten in jedem Haushalt. Wir werden uns – und ich denke da geht es der Evangelischen Kirche ja auch nicht anders – von Gebäuden trennen müssen. In Zukunft wird immer weniger Geld zur Erhaltung von Steinen da sein. Das sage ich jetzt einmal so ganz plakativ. Ich glaube, dass es gut ist, wenn wir uns wirklich ganz bald auf den Weg machen und schauen, wie es gelingen kann, Räume, die alle Gemeinden regelmäßig – aber nicht jeden Tag – brauchen, gut gemeinsam zu nutzen und diese dann zu erhalten. Dann könnten wir uns von anderen Gebäuden trennen. Für mich ist der Gedanke erschreckend, dass wir unter Umständen karitative Aufgaben oder Bildungsaufgaben, ich denke da gerade an die Kinder und Jugendliche und deren christliche Bildung, vernachlässigen müssen, weil wir so viel Geld für die Erhaltung von Gebäuden brauchen. Das wären für mich nicht die richtigen Prioritäten.

Prof. Dr. Andreas Barner: Weil wir uns beide in unseren ehrenamtlichen Funktionen, ich als Ratsmitglied in der EKD und hier zuständig für den Ausschuss für die langfristige Finanzstrategie der EKD und meine Frau im Rahmen des Pastoralen Wegs im Bistum Mainz, auch mit der Zukunftsfähigkeit unserer Kirche in materieller Hinsicht auseinandersetzen, gehört es zu unserem guten ökumenischen Miteinander, dass wir gerade über diese Frage sprechen. Das sind jetzt schwierige Zeiten, aber es sind auch Zeiten, die Chancen eröffnen, weil man sich dann auch Fragen stellt, so wie meine Frau es gerade gesagt hat: „Haben die Steine oder die Menschen Priorität?“ Natürlich gibt es Steine, die wir unbedingt erhalten wollen und erhalten müssen. Aber diese Abwägungen zu machen, diese Diskussionen zu führen, das ist etwas wirklich Gutes. Sich ehrlich zu fragen: was ist mir denn wichtiger, was ist uns wichtiger in den jeweiligen Konstellationen.

Dr. Susanne Barner: Und es ist vielleicht auch eine kleine Hoffnung, dass unter dem Druck der Verhältnisse im 21. Jahrhundert manche Entscheidungen in der Ökumene leichter getroffen werden können, als wenn dieser Druck nicht da wäre.

Prof. Dr. Andreas Barner: Die Bevölkerung würde sich ohnehin schwertun, präzise zu definieren, was die Unterschiede zwischen dem evangelischen und dem katholischen Glauben sind. Die Feinheiten, über die die Theologen zum Beispiel in dem Dokument „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ sprechen und die Überlegungen, die dann in Rom und in Deutschland dazu angestellt werden, die können, glaube ich, 80 bis 95 Prozent der aktiven Christen überhaupt nicht nachvollziehen. De facto ist es doch auch so – und das wissen, glaube ich, auch alle – dass bezüglich der Eucharistiefeier und des Abendmahls die gelebte Praxis eine ganz andere ist. Da stimmen die Menschen sozusagen mit den Füßen ab. Wir beide haben uns bis zu der Aussage von Papst Franziskus 2015 immer sehr zurückgehalten, weil wir niemanden verletzen oder in einen Konflikt stürzen wollten. Jetzt können wir aufgrund der Handreichung als konfessionsverbindendes Ehepaar gemeinsam zum Abendmahl gehen. Darüber sind wir sehr froh.

Was wünschen Sie sich für die Ökumene der Zukunft?

Prof. Dr. Andreas Barner:  Die Ökumene muss weitergehen und sie wird weitergehen. Wobei wir aber nicht vergessen dürfen, dass die Frage der Ökumene im Sinne evangelisch-katholisch ja nur ein in Deutschland relevantes Thema ist, vielleicht ein bisschen noch in der Schweiz und ein ganz kleines bisschen in Skandinavien, aber eigentlich ist das an sich kein weltweites Thema, das sollte man <s>ja </s>auch immer bedenken. Und da gibt es noch ein Zweites: Die Ökumene bietet die Chance, dass das Christentum in Deutschland lebendig bleibt, aber sie ist auch abhängig davon, dass die Kirchen weiter existieren, dass es auch in den nächsten Jahrzehnten noch Gläubige gibt, die sie und ihre Aufgaben unterstützen.  

Dr. Susanne Barner: Ich würde trotzdem mit einem Quäntchen Hoffnung auf die Zukunft blicken, weil ich sehe und miterlebe, dass die jungen Leute sowohl katholischerseits als auch evangelischerseits kein Problem mit der Ökumene haben, für sie ist das Gemeinsam-Christsein das Wesentliche. Sie haben nicht so viel Ballast aus der Vergangenheit, von wegen ‚Das darf ich doch nicht, das soll ich doch nicht, das ist doch falsch.‘ Sie lassen sich viel weniger erzählen, was sie dürfen oder was sie nicht dürfen, sie machen die Dinge einfach gemeinsam: Gottesdienste, Freizeiten und andere Aktivitäten, und ich glaube, wenn man sie ernst nimmt und unterstützt, dann ist das auch eine gute Saat für die Zukunft.

Prof. Dr. Andreas Barner:  Das heißt eben auch, dass man den jungen Menschen die Chance gibt, sich viel stärker einzubringen. Wir haben das jetzt bei der EKD-Synode gesehen: Da sind für junge Christen ganz bewusst Plätze frei gemacht worden, damit eben diese Stimme deutlicher wird. Das setzt so viel Kraft frei, so viele Ideen und so viel Mut. Man muss junge Menschen hereinlassen, man muss sie zu Wort kommen lassen. Wenn nur diejenigen reden, die älter als 60 sind, dann ist das keine Kirche der Zukunft.

Dr. Susanne Barner:  Ich glaube, dass wir die jungen Menschen auch in ihrem Zugang zum Glauben ernst nehmen müssen. Es gab in letzter Zeit mehrere Umfragen unter jungen Menschen, im Bistum Mainz z. B. die Umfrage „Ein Platz für Dich“, und auch im Dekanat Bingen wurden im Rahmen des Pastoralen Wegs Umfragen unter Jugendlichen gemacht. Da ist – natürlich nicht bei allen– durchaus Interesse an religiösen Fragen, Interesse an der Gemeinschaft mit anderen jungen Christen, aber da ist kein Interesse an einer Kirche, die so bleibt, wie sie heute ist. Ich glaube, wenn wir als Kirche dieses Interesse ersticken, weil wir nicht bereit sind, uns zu ändern, uns zu erneuern, uns zu entwickeln, auch in all den alltäglichen Ausprägungen von Glaubensleben, von Gottesdiensten usw. dann wird es schwierig, denn die jungen Leute sind viel ungebundener, sie suchen sich dann etwas Anderes.

Herr Prof. Barner: Die Vorbereitung des Ökumenischen Kirchentages war aufgrund von Corona äußerst schwierig, haben Sie da nicht mitgelitten? Und welche Hoffnung setzen Sie auf den nun so ganz anderen Ökumenischen Kirchentag?

Prof. Dr. Andreas Barner: Als Mitglied im Vorstand dieses Deutschen Evangelischen Kirchentages bin ich einerseits auch im gemeinsamen Präsidium des ÖKT und andererseits auch im gemeinsamen Präsidiumsvorstand des ÖKT. Daher gehöre ich zu denjenigen, die das Umplanen des ÖKT mitentscheiden mussten, und bin über diese Höhen und Tiefen auch ganz persönlich die Achterbahn mitgefahren. Ewas Mühsameres habe ich in meinem Leben ganz, ganz selten erlebt. Wir hatten eigentlich gehofft, dass das Konzept mit Testen und mit Abstand uns viel mehr erlaubt, als es die Stadt Frankfurt im Moment für möglich hält, möglich halten kann und auch die bundesweiten Regeln vorsehen. Drei verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Zahlen an Teilnehmenden wurden zunächst geplant, aber dann wurde rasch klar, dass der ÖKT so nicht stattfinden können wird. Die Lösung war dann: der 3. ÖKT wird dezentral und digital realisiert. Und nachdem dieses Konzept „digital und dezentral“ einmal stand, da war wieder Kraft da und dann ist es wieder vorangegangen. Ich sehe das bei den Gemeinden, bei der Geschäftsstelle, ich sehe das im Präsidium und im Präsidiumsvorstand – überall: Da tut sich jetzt richtig viel. Deshalb bin ich ausgesprochen optimistisch, dass das nun letztlich ein guter Kirchentag unter den Rahmenbedingungen der Pandemie wird.

Frau Dr. Barner: Wie werden Sie das ÖKT-Wochenende vom 13. bis zum 16. Mai verbringen? Sind Sie evtl. beim ÖKT-Studio mit dabei?

Dr. Susanne Barner:  Genaues vorherzusehen ist im Moment so schwierig, weil niemand vorhersagen kann, ob dezentrale Präsenzveranstaltungen Mitte Mai überhaupt möglich sein werden. Viele evangelische Gemeinden haben ihre Präsenzgottesdienste bis April komplett ausgesetzt und möchten dann erst entscheiden. Wir müssen alle flexibel und sehr spontan sein und Anfang Mai schauen, wie die Pandemiesituation aussieht und was wir gemeinsam machen können. Insofern können wir beide uns im Moment noch gar nicht festlegen, wo wir sein werden, aber auf jeden Fall werden wir an einem Samstagabend-Gottesdienst teilnehmen und, wenn irgendwie möglich, mit ein paar Menschen zusammen den gestreamten Himmelfahrtsgottesdienst und den Abschlussgottesdienst mitfeiern. Und ich habe immer noch die Hoffnung, dass es vielleicht doch möglich sein wird, die eine oder andere Veranstaltung am Samstag in einem Gemeindesaal oder in einer Kirche auf einer großen Leinwand in ökumenischer Gemeinsamkeit zu verfolgen und nicht jeder für sich. Das würde mir sehr weh tun für den Kirchentag. Jeder für sich allein am Bildschirm, das passt einfach nicht zu einem Kirchentag.

Herr Prof. Dr. Barner, Frau Dr. Barner, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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