Rede von Pfarrer Markus Stambke
Demonstration gegen rechts in Runkel
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17.02.2025
cvdressler
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Mein Name ist Markus Stambke, Pfarrer der Evangelischen Kirche in Limburg und im Nachbarschaftsraum Mittleres Lahntal, zu dem auch Runkel gehört. Ich wurde gebeten, hier zu stehen und ein Statement zu sprechen.
Mein Name ist, so hab ich angefangen. Ich habe ihn mir nicht gegeben. Meinen Namen. Mein Name ist wie er ist. Mein Name ist Mensch. So sagte Rio Reiser einmal in einem seiner Lieder.
Mein Name ist Mensch
Ich habe viele Väter.
Ich habe viele Mütter,
und ich habe viele Schwestern,
und ich habe viele Brüder.
Meine Väter sind schwarz
und meine Mütter sind gelb
und meine Brüder sind rot
und meine Schwestern sind hell.
Ich bin über zehntausend Jahre alt,
und mein Name ist Mensch!
Ich bin über zehntausend Jahre alt,
und mein Name ist Mensch!
Und ich lebe von Licht,
und ich lebe von Luft,
und ich lebe von Liebe,
und ich lebe von Brot.
Ich habe zwei Augen
und kann alles sehn.
Ich habe zwei Ohren
und kann alles verstehen.
Ich mag diesen Satz. Mein Name ist Mensch. Ich vermisse diesen Satz in all dem Getöse und all dem Gefackel, das in diesen Tagen in unserem Land veranstaltet wird. Ich vermisse diesen Blick, der mit Maß, mit Sachlichkeit und mit Klarheit und mit Menschlichkeit nach politischen Antworten fragt. Antworten für soziale Gerechtigkeit. Antworten für Wohnungsnot. Antworten für die Frage nach bezahlbarer und klimagerechter Energie. Antworten auch auf die Frage, wie wir zugewanderte Menschen besser integrieren und Zuwanderung steuern können. Ohne alle aufzunehmen und ohne alle abzuschieben.
Ich brauche keinen Blick und keinen Ruf nach dem starken Mann. Und keinen Ruf nach dem ersten Tag des Amtsantrittes, an dem mit Paukenschlägen ausgeteilt und die Dinge scheinbar wieder in Ordnung gebracht werden. Ich brauche keine starken Sprüche, die nichts anderes bedienen als Ängste und Unsicherheit.
Ich brauche keinen Blick, der nicht nach links und rechts schaut. Und auch noch stolz darauf ist. Ich misstraue dem, der nur geradeaus will. Ich brauche keinen Blick von oben nach unten, der z.B. alle Migranten über einen Kamm schert. Ich brauche keinen Blick, der nur das sieht, was man sehen will.
Ich brauche Menschen in den Führungsebenen unseres Landes.
Menschen, die zwei Augen und zwei Ohren haben.
Denn mein Name ist Mensch.
Menschsein heißt auch,
Feinde, Gegner zu haben.
Das wusste auch Rio Reiser.
Denn in seinem Song heißt es:
Wir haben einen Feind.
Er nimmt uns den Tag,
er lebt von unserer Arbeit,
und er lebt von unserer Kraft.
Er hat zwei Augen,
und er will nicht sehen.
Und er hat zwei Ohren
und will nicht verstehen.
Er ist über zehntausend Jahre alt
und hat viele Namen.
Er ist über zehntausend Jahre alt
und hat viele Namen.
Anscheinend ist das so.
Mein Name ist Mensch.
Und wir haben einen Feind.
Und der ist auch Mensch.
Einer, der nicht sieht und nicht hört.
Obwohl er zwei Ohren und zwei Augen hat.
Oder wie Jesus sagte:
Sie sehen und sehen nicht, sie hören und hören nicht.
Und was man nicht sehen und nicht hören will,
blendet man einfach aus.
Blendet auch den aus,
den man nicht sehen und nicht hören will.
Mein Name ist Mensch,
vielleicht muss ich gerade dann genau hinschauen
Und hinhören: Damit nicht ich der bin,
der nicht sieht und nicht hört.
Mein Name ist Mensch.
Sagt Rio Reiser.
Und nun wäre Reiser nicht Reiser,
wenn er darauf nicht eine Antwort hätte.
Denn zum Menschsein gehört auch das.
Zu kämpfen.
Zu hoffen.
Zu glauben.
An ein Wir.
Ich weiß, wir werden kämpfen,
ich weiß, wir werden siegen,
ich weiß, wir werden leben,
und wir werden uns lieben.
Der Planet Erde
wird uns allen gehören,
und jeder wird haben, was er braucht.
Es wird keine zehntausend Jahre mehr dauern,
denn die Zeit ist reif.
Und es wird keine zehntausend Jahre mehr dauern,
denn die Zeit ist reif.
Ja, sie ist reif.
Dass wir nicht zu Feinden werden.
Dass wir uns verständigen.
Dass wir eben genau das, nach links und rechts schauen.
Dass wir mit Augenmaß urteilen.
Dass wir nicht alle über einen Kamm scheren.
Dass wir Menschen bleiben.
Die Zeit ist reif.
Unser Land gehört uns allen.
Unser Leben gehört uns allen.
Unser Recht gehört uns allen.
Unsere Würde gehört uns allen.
Denn mein Name unser Name
ist Mensch.
Seht welch ein Mensch, sagt der römische Statthalter Pilatus.
Und meinte Jesus. Bruder aller Menschen.
Sehen wir also auf den Menschen.
Um uns und in uns.
Markus Stambke, Pfarrer der Evangelischen Kirche Limburg und im Nachbarschaftsraum Mitte des Evangelischen Dekanats an der Lahn
Rio Reiser, Mein Name ist Mensch, zitiert aus:
Rio Reiser, Für immer und dich, Songtexte, Reclam 2024, S. 13f.