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Reformationstag:

Den aktuellen Zeichen der Zeit begegnen

© Getty Images, metamorworksPeter Kohlgraf und Volker JungDie Zeichen der Zeit: Welche Impulse kann die Kirche zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und Ereignissen geben? Bischof Kohlgraf (rechts) und Kirchenpräsident Jung zeigen im Reformationsgottesdienst Perspektiven auf.

Am Reformationstag skizzierte Bischof Kohlgraf, welche Aufgaben die Kirchen haben angesichts der Missbrauchsskandale, wachsendem Nationalismus, Einsamkeit, Klimawandel und Digitalisierung. Kirchenpräsident Jung widmete sich in seiner Predigt dem Verhältnis von Kirche und Staat.

veröffentlicht 31.10.2024

von Online-Redaktion der EKHN, RH, CS

Während sich vor rund 500 Jahren die Anhängerinnen und Anhänger der Reformation von der katholischen Kirche abgewendet und schließlich die evangelischen Kirchen gegründet haben, gehen die beiden großen Kirchen längst wieder aufeinander zu. Das hat auch der Festvortrag von Peter Kohlgraf, dem Bischof des Bistums Mainz, gezeigt. Anlass dafür war die zentrale Reformationsfeier der EKHN am 31. Oktober 2024 in der Mainzer Christuskirche.

In seinem Vortrag mit dem Titel „Die Zeichen der Zeit deuten. Ein Auftrag in vielfältiger Gestalt“ betonte er das Verbindende beider Kirchen, da ihre Mitglieder „in einem Boot sitzen, wenn wir auf die globalen Entwicklungen schauen.“

Die sechs Zeichen der Zeit nach Bischof Kohlgraf:

Aus Sicht der katholischen Kirche sei es eine wesentliche Aufgabe, die Zeichen der Zeit zu erkennen, sie im Licht des Evangeliums zu deuten. Für Bischof Kohlgraf kristallisieren sich sechs Zeichen der Zeit heraus:

1. Sexualisierte Gewalt in den Kirchen verhindern und Veränderungen umsetzen:

Peter Kohlgraf nimmt wahr, wie bis heute die Missbrauchsfälle die Kirche und Gesellschaft erschüttern. Seiner Deutung nach seien nicht nur einzelne Menschen in der Kirche schuldig geworden, sondern auch die Kirche als Institution. Bischof Kohlgraf stellt unmissverständlich klar: „Es geht um den Narzissmus von Amtsträgern, es geht um ein bestimmtes Menschenbild und eine mangelnde Sensibilität für die Bedürfnisse der Abhängigen und Schutzbefohlenen.“ Er betonte: „Es bedarf der Umkehr, eines neuen Selbstverständnisses, eines neuen Blickes für die Menschen, die uns anvertraut sind.“ Die katholische Kirche in Deutschland habe reagiert, indem sie einen synodalen Weg begonnen habe. 

2. Einsamkeit bemerken und den Wert der Gemeinschaft leben:

Kohlgraf wies darauf hin, dass die Bindungsbereitschaft nachlasse. „Die Kirchen haben den Wert der Gemeinschaft zu leben, so dass andere glauben können.“ 

3. Absage an Nationalismus und für Freude an Demokratie:

„Wir nehmen die neue Versuchung des Nationalismus wahr“, sagte Kohlgraf. Antisemitismus und völkischer Nationalismus dürften keinen Raum in den Kirchen finden. Die Kirchen sollten die Freude an der Demokratie und ihren Chancen vermitteln. Kirche müsste ein Ort sein, an dem Meinungen ausgetauscht, Konflikte gelöst werden ohne dass sich Uniformität bilden müsse.

4. Digitalität und die Konsequenzen für Seelsorge und Verkündigung:

Die Kirchen sollten die Bedeutung digitaler Möglichkeiten für Gemeinschaften und Gemeinden erfassen und welche Folgen sich für Seelsorge und Verkündigung ergeben. Es sei wichtig, sich mit dem christlichen Menschenbild in die Debatten einzubringen. 

5. Klimawandel und handeln aus Liebe zur Schöpfung:

Der Mainzer Bischof griff die Einladung von Papst Franziskus zu einer Schöpfungsspiritualtät auf. Die Kirchen könnten zeigen, „dass wir nicht aus Angst handeln, sondern aus Liebe zur Schöpfung.“ 

6. Ökumenisches Zeitalter:

Bischof Kohlgraf erklärte, dass er auf der persönlichen und auf der Gemeindeebene wahrnehme, dass sich ökumenisches Miteinander vollziehe. Hier zitierte er auch Kardinal Walter Kasper, der von einem ökumenischen Zeitalter gesprochen habe,  das sich dadurch auszeichne, dass „beide Kirchen ihre konfessionskirchliche Selbstbezüglichkeit überwunden und ihr Christsein in Mission, Diakonie und christlicher Weltverantwortung als Geschenk zum Weitergeben neu und tiefer verstehen gelernt“ haben. 

Kirchenpräsident Jung: Staatliche Gewalt soll dem Menschen dienen

Kirchenpräsident Volker Jung hat in diesem Jahr über das Verhältnis von Kirche und Staat gepredigt. Er ging dabei von Worten aus, die der Apostel Paulus an die Gemeinde in Rom geschrieben hat. Kirchenpräsident Jung erläuterte, dass Paulus eine Richtung vorgebe, was die staatliche Macht zu tun habe: „Sie muss vor dem Bösen schützen und das Gute fördern!“ Paulus meine damit, dass der Staat den Menschen helfen müsse, „in Liebe füreinander da sein zu können.“ Volker Jung hat betont, dass in der Demokratie alle in der Pflicht seien, das Gemeinwesen mitzugestalten. Kirche könne darum niemals unpolitisch sein. Mit Blick auf Artikel 1 des Grundgesetzes über die Würde des Menschen sagte Jung: „Diese Worte nehmen auf wunderbare Weise Gedanken auf, die auch in dem zu erkennen sind, was Paulus schreibt. Sie schreiben fest, dass staatliche Gewalt den Menschen zu dienen hat und nicht der Mensch der staatlichen Gewalt. Der Staat ist nicht als solcher als göttliche Ordnung zu verehren. Staatliche Gewalt ist zu achten, weil und insofern sie den Menschen dient.“ Seine Predigt beendet er mit den Worten: „Gott stärke uns durch seinen Zuspruch immer wieder neu, das Gute zu suchen und miteinander nach Gerechtigkeit und Frieden zu streben – für alle Menschen.“

Birgit Pfeiffer, Präses der Kirchensynode, ist dankbar dafür, dass das Reformationsfest gemeinsam ökumenisch gefeiert wird: „Wir können nur miteinander Gottes Menschenliebe in dieser Welt sichtbar machen und in Vielfalt glauben und handeln. Das wird durch die Festrede von Bischof Kohlgraf zum Reformationstag wunderbar zum Ausdruck gebracht.“

Hintergrund: Reformationstag und Festakt

Am 31. Oktober erinnern Protestantinnen und Protestanten in aller Welt an den Beginn der Reformation durch Martin Luther im Jahr 1517 und die Entstehung der evangelischen Kirche. Dann veranstaltet die EKHN eine zentrale Feier am Reformationstag. Sie beginnt mit einem festlichen Gottesdienst, an den sich der Festakt mit Grußworten und dem Festvortrag anschließt. Den Vortrag hält eine bekannte Persönlichkeit, die dabei mit ihrer besonderen Sicht auf das protestantische Profil in der Gesellschaft blickt.

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