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Der Weg zur Toleranz

Evangelisches Dekanat Mainz / Armin ThomasDer ehemalige EKD-Ratsvorsitzende und Landesbischof Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Huber sprach auf Einaldung von Stadtkirchenpfarrer Rainer Beier in der Mainzer Christuskirche über aktuelle Glaubensfragen

Rund 100 Besucher kamen in die Mainzer Christuskirche, um den Vortrag des ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) über „Glaubensfragen – eine evangelische Orientierung“ zu hören, dem gleichnamigen Titel seines jüngsten Buches. Der renommierte Theologe stellte freilich nicht nur Fragen, er lieferte Antworten. Eingeladen hatte die Evangelische Stadtkirchenarbeit Mainz.

Warum er über Glaubensfragen spricht, beantwortete Bischof Huber ohne Umschweife: „Der christliche Glaube hat an Selbstverständlichkeit verloren. Lassen Sie uns dies als Herausforderung sehen.“ Die Säkularisierung führe zur Marginalisierung des christlichen Glaubens. Gleichzeitig aber müsse man – weltweit betrachtet – wahrnehmen, dass Christentum und Islam wachsende Religionen sind. Obwohl das Christentum in der Mitte Europas statistisch gesehen rückläufig ist, bezweifelt Huber die gängige Prognose der weiter sinkenden religiösen Zugehörigkeit der Menschen. Von daher hält er wenig von dem Ansatz zu überlegen, „wie wir das kleiner Werden gestalten wollen“. Sein Credo: „Es geht darum, das Miteinander zu gestalten.“

Vernünftige Argumentationen sollte man nicht als voraussetzungslos begreifen, ist der 76-Jährige überzeugt. „Jeder Mensch ist ein Ebenbild Gottes. Und niemand verfügt über die Endlichkeit seines Lebens.“ Wolfgang Huber brachte die Zuhörer zum Nachdenken und stellt ihnen eine persönliche Frage: „Haben Sie bei fast acht Milliarden Menschen auf der Erde die Vorstellung, dass es  irgendwo auf der Welt einen Doppelgänger von Ihnen gibt?“ Ähnlichkeiten mit anderen Menschen gebe es durchaus, betonte Huber. „Aber jeden Menschen gibt es nur einmal.“ Dies lasse sich durch menschliche Vernunft allein nicht erklären.

Also rückte Huber die Religion wieder ins Blickfeld. Die Aufgabe der Christen besteht laut Huber darin, Gott im Alltag nicht zu verstecken. Christen sollten „Glaubensfragen“, wie im Buchtitel angesprochen, zur Sprache bringen. Religiöses Zeugnis ablegen – das ist Huber wichtig. Er erinnerte an Begegnungen mit dem im vorigen Jahr verstorbenen Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann, der diesen Begriff geprägt hat: „Religiöses Zeugnis ist ein Prinzip, das Toleranz nicht abstreitet, sondern ihr dient.“

So versteht Huber auch den Untertitel seines Buches: „Evangelische Orientierung“ sei nicht konfessionell gemeint. „Der christliche Glaube stützt sich auf das Evangelium Jesu Christi. In dessen Zentrum stehen die Gnade Gottes und seine Barmherzigkeit.“ Katholisch sein, bedeute im Wortsinn „das Ganze umfassend“. Dies wiederum heiße, Vielfalt zu tolerieren und zu gestalten. „Wir haben einen gemeinsamen Bezugspunkt“, fasste Huber seine Ausführungen zusammen: „Die Orientierung an der Botschaft Jesu Christi ist die Kernorientierung unseres Glaubens.“

In der anschließenden Gesprächsrunde, die Stadtkirchenpfarrer Rainer Beier moderierte, stellten die Besucher dem prominenten Experten viele „Glaubensfragen“: Inwieweit muss sich der Islam in unseren Breiten verändern, wenn er mit uns ins Gespräch kommen will? Wie steht es um den christlich-jüdischen Dialog? Wie entwickelt sich Ökumene unter Papst Franziskus?

Huber betonte, dass man im Blick auf den Islam auch kritische Fragen stellen müsse. „Wir tun gut daran, wenn wir die unterschiedlichen Strömungen im Islam wahrnehmen.“ Ein Grundproblem des christlich-islamischen Dialogs bestehe im jeweiligen Selbstverständnis als Buchreligion: „Der Koran ist für Muslime die Offenbarung Gottes, die Bibel bezeugt die Offenbarung Gottes – das ist ein wesentlicher Unterschied.“ Und ja, der Islam müsse sich hierzulande verändern, um demokratiefähig zu werden.

Im jüdisch-christlichen Dialog habe es in den vergangenen Jahrzehnten auf theologischer Ebene einen fruchtbaren Austausch  gegeben. So habe die hebräische Bibel  in der protestantischen Theologie eine enorme Aufwertung erfahren. Im Alltag der Gemeinden allerdings gebe es kaum Kontakte zueinander, bedauerte Huber.

Die Ökumene sei nirgendwo so weit fortgeschritten wie in der Heimat der Reformation. Aber die von Papst Franziskus angekündigten Reformen kämen nicht zum Zug, bemängelte der frühere EKD-Ratsvorsitzende.

Bei allem Bemühen um Dialoge dürfe man seine eigene „Lerngeschichte“ nicht vergessen, mahnte Huber. Gewaltverherrlichung etwa finde sich auch im Alten Testament. „Wir müssen ehrlich und selbstkritisch sein, wenn wir Selbstkritik von anderen einfordern.“       

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