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Personalie

Die Horizont-Erweiterin

sru/DekanatAnnette Claar-Kreh, Referentin für Gesellschaftliche Verantwortung im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald, ist in den Ruhestand gegangen.

Im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald gibt es personelle Veränderungen. Nach fast 20-jähriger Tätigkeit ist Annette Claar-Kreh, Referentin für Gesellschaftliche Verantwortung, zum 1. September in den Ruhestand gegangen. Ihr Nachfolger Samuel Stauß kommt am 1. Oktober.

Die letzten Tage und Wochen im Dekanatszentrum waren hart. Was Annette Claar-Kreh  auch in die Hand genommen hat, Erinnerungen an Projekte und Wegbegleiter*innen stiegen auf. Dazu kommt der Abschied von den Kolleginnen und Kollegen. Für einen kleinen Scherz ist sie aber immer zu haben, steigt in den silberfarbenen Wagen auf Rollen, in den die alten Akten kommen, lässt sich durch den langen Gang im Dekanatszentrum fahren – und lacht ihr mitreißendes Annette-Lachen. 

Viele Projekte und Kooperationen
In den knapp zwanzig Jahren als Referentin für Gesellschaftliche Verantwortung – erst im Dekanat Reinheim, nach der Fusion im Dekanat Vorderer Odenwald – hat sie vieles angepackt. In Schlagworten zusammengefasst klingt das so: Gedenken und Erinnerung, Veränderung der Arbeitswelt, Demokratie, Nachhaltigkeit, Kooperationen und Gesellschaft. Da sind die von Annette Claar-Kreh initiierten Resolutionen der Dekanatssynode, unter anderem für Demokratie und Vielfalt, gegen den Stellenabbau bei Continental oder die Werksschließung von Merz, da sind die Kooperationen mit „Bunt ohne braun“ und den „Bündnissen gegen rechts“ in Südhessen, Vorstandstätigkeiten in der Regionalentwicklung der Landkreise Darmstadt-Dieburg und Odenwald, die Zusammenarbeit mit der Regionalen Diakonie etwa beim Bewerbercafé in Babenhausen, die verschiedenen und zumeist ökumenischen Ausbildungs- und Arbeitsmarktnetzwerke. Da sind die Projekte, die besonders in Erinnerung bleiben wie die „Rosenstraße 76“, eine interaktive Ausstellung zum Thema Häusliche Gewalt im Jahr 2007, die erste Klimaschutzmesse der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), die das Dekanat unter der Schirmherrschaft des damaligen Kirchenpräsidenten Dr. Volker Jung 2011 in Groß-Umstadt ausrichtete. 

Die Friedhofsroute „Gärten der Erinnerung“ wurde in Kooperation mit dem Landkreis Darmstadt-Dieburg 2014 eröffnet, Jahre später war sie bei der Entwicklung des TrauerWegs in Brensbach dabei. Mit Blick auf das 500. Reformationsjubiläum organisierte sie drei Mal ein „Frauenmahl“, das einer alten Tradition im Hause Martin Luthers folgte, in geselliger Runde bei einem guten Essen streitbare Tischreden zu halten. Ihre Arbeit. Das alles immer im Team. „Ich bin keine, die alleine arbeitet. Ideen haben, das geht nur mit anderen zusammen“, sagt die 66-Jährige. 

Kirche ist „unbedingt politisch“
Es gab das Projekt „Von Gott reden an alltäglichen Orten“ – am Bahnsteig, auf dem Flohmarkt und bei der Flüchtlingsstelle des Landratsamtes. Sie setzte sich für Nachhaltigkeit ein – 2024 wurde das Dekanatszentrum mit dem „Grünen Hahn“ zertifiziert. 

Nicht zu vergessen die dekanatsübergreifenden Wahltalks mit Kandidat*innen vor wichtigen Wahlen, das Format „Kirche findet Stadt“ und die Gedenkveranstaltungen und -gottesdienste rund um Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Immer wieder mit Zeitzeugen und jungen Leuten, um das Generationenübergreifende der Ereignisse deutlich zu machen. „Wir sind als Kirche Teil dieser Gesellschaft, deshalb müssen wir uns einmischen – das ist meine tiefste Überzeugung“, sagt sie. Deshalb ist Kirche für „mich auch unbedingt politisch“. 

Annette Claar-Krehs Lebenslauf ist eine protestantische Biografie wie im Bilderbuch: Sie ist in Groß-Umstadt in einer Pfarrersfamilie mit vier Schwestern aufgewachsen. Ihren Mann Arno Kreh lernte sie durch die Evangelische Jugend kennen. Er machte zunächst eine Ausbildung zum Bankkaufmann, Annette begann ein Theologiestudium in Frankfurt. Später studierten beide Theologie in Marburg und gründeten noch während des Studiums mit Anfang 20 eine Familie. Nach zehn Semestern gab Annette Claar-Kreh das Studium auf, um sich der Familie zu widmen. Denn so einfach ließ sich alles dann doch nicht wuppen wie zunächst gedacht. Vier Söhne haben die beiden und mittlerweile auch sieben Enkelkinder. Von 2001 bis 2005 studierte sie dann Sozialpädagogik an der Evangelischen Hochschule in Darmstadt und kam mit Mitte Vierzig als Berufsanfängerin ins damalige Dekanat Reinheim, das 2010 mit dem Dekanat Groß-Umstadt zum Dekanat Vorderer Odenwald fusionierte. 

Himmel und Erde
„Ich sag immer, ich hab den Himmel und die Erde studiert“, so Annette Claar-Kreh. Um das Wort Gottes zu verkünden, ist sie selbst als ehrenamtliche Prädikantin in den Gemeinden unterwegs. Stets arbeitete sie außerdem Hand in Hand mit ihrem Mann, der lange Gemeindepfarrer in Groß-Umstadt war, bevor er Dekan an der Bergstraße wurde und voriges Jahr in den Ruhestand ging. „Den Horizont erweitern, miteinander reden, darüber nachdenken, welche Möglichkeiten es gibt, das war mir immer das Wichtigste“, sagt sie. Dass es gelungen ist, zeigt sich in den gelungenen Projekten, aber auch in den vielen Abschiedskarten und -gesprächen. 

Annette Claar-Kreh ist ein umtriebiger und bewegungsfreudiger Mensch. Sie mag Yoga, Laufen und das Fitnesscenter, ist eine begeisterte Zeitungsleserin und Theatergängerin und noch dazu musikalisch. Mehr Zeit zu haben fürs Singen und Flöte spielen, darauf freut sie sich, auch darauf, ihre Enkelkinder zu fördern und Saxofon zu lernen. Dem Dekanat bleibt sie auch ein klein wenig erhalten – bei der Kirchen-Erlebnistour „Aufgetan“ wird sie fortan ehrenamtlich im Team sein, ebenso beim TrauerWeg. Was bedeutet ihr der Glaube? „Mein Leben ist davon durchdrungen. Ich bin nicht ohne zu glauben, zu zweifeln und zu hoffen. Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit (2. Tim 1,7) – das ist mein Spruch.“

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