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Zur Wahl der neuen Pröpstin

3 Fragen an Claudia Gierke-Heinrich...

Foto: Peter Wagner

Die amtierende Pröpstin für die evangelische Propstei Nord-Nassau, Annegret Puttkammer, wird zum 1. Dezember 2020 neue Direktorin des Neukirchener Erziehungsvereins. Ihre Nachfolge hätte bereits auf der Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) beschlossen werden sollen, der Termin wurde jedoch wegen der Corona-Situation auf den 19. September verschoben. Ein Gespräch mit der stellvertretenden Dekanin und Kandidatin Claudia Gierke-Heinrich.

Zwei Bewerberinnen stehen zur Wahl für dieses Amt, Sabine Bertram-Schäfer, 53, Dekanin des Dekanats Büdinger Land und Claudia Gierke-Heinrich, 59, stellvertretende Dekanin im Dekanat Runkel und Klinikseelsorgerin am St. Vincenz-Krankenhaus in Limburg. Der Öffentlichkeitsbeauftragte des Dekanats Runkel sprach mit Claudia Gierke-Heinrich.

Sie sind Kandidatin für das Amt der Pröpstin als Nachfolgerin für die scheidende Amtsinhaberin Annegret Puttkammer. Wie kam es dazu?

Nachdem bekannt geworden war, dass Pröpstin Puttkammer Nord-Nassau verlassen wird, wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, für das Propstamt zu kandidieren. Nach kurzem Nachdenken antwortete ich: „Ja, das kann ich mir vorstellen.“ Ich wurde dann dem Kirchensynodalvorstand als Kandidatin vorschlagen, der mir die Möglichkeit gab, mich schriftlich zu bewerben. Schließlich wurde ich vom Kirchensynodalvorstand zu einem Gespräch eingeladen, das ich als anspruchsvoll empfand und das von den Mitgliedern des Kirchensynodalvorstandes sehr kompetent geführt wurde. Am Ende entschied sich der Kirchensynodalvorstand, mich als eine von zwei Kandidatinnen für das Propstamt der Synode präsentieren zu wollen.

Nachdem ich dem Pfarrerausschuss der EKHN, den Vorsitzenden der Dekanatssynodal-vorstände und der Dekane in Nord-Nassau vorgestellt worden war und diese keine Einwände gegen meine Kandidatur äußerten, stand meiner Bewerbung bei der Synode eigentlich nichts im Weg. Eigentlich: Denn dann kam die Coronakrise. Die Frühjahrssynode der Landeskirche konnte nicht wie geplant im April 2020 stattfinden. Nun ist der 19.09. als Synodentermin gesetzt.

Für den Fall Ihrer Wahl: Was würde Sie an diesem Amt besonders reizen?

Mich reizt, Kirche zusammen mit anderen zu gestalten. Die EKHN ist gerade dabei, sich im Prozess EKHN 2030 zu gesellschaftlichen Fragen zu positionieren, um aus Sicht des Evangeliums Stellung zu nehmen - etwa zu Fragen von Nachhaltigkeit und Klimaschutz oder Digitalisierung.

Kirche schweigt auch nicht, wenn es um einen immer stärker werdenden Rechtspopulismus geht. Kirche erhebt auch dort ihre Stimme und handelt, wo Menschenrechte bedroht sind, wo Demokratie in Gefahr ist. Migration- und Flüchtlingspolitik sind hier ebenso ein Thema wie der grassierende Antisemitismus. Ich möchte diese Themen im Sinne der Gesamtkirche in Nord-Nassau in die Öffentlichkeit tragen, damit jedem klar wird, für was die EKHN steht.

Mein Engagement soll aber keine Einbahnstraße sein. Ebenso möchte ich die Themen und Belange der Menschen in Nord-Nassau in die Gesamtkirche einbringen. Nord-Nassau hatte und hat noch immer mit Pröpstin Puttkammer eine hervorragende Lobbyistin, die Nord-Nassau zu einer angesehenen Größe in der EKHN gemacht hat. Das ist ein Anreiz für mich, den eingeschlagenen Weg weiterzuverfolgen.

Der besondere Reiz, als Pröpstin in Nord-Nassau wirken zu wollen, ist für mich jedoch das kirchliche Leben in der Region. Evangelische Kirche in Nord-Nassau ist vielfältig. Die Dekanate Runkel und Weilburg stehen für eine andere Frömmigkeitskultur als die anderen Dekanate in der Propstei. In der Vielfalt sehe ich eine große Chance. Denn jede Vielfalt ist befruchtend. Es reizt mich, zusammen mit Haupt- und Ehrenamtlichen Möglichkeiten und Strukturen zu schaffen, wo Menschen miteinander über religiöse Themen reden, sich über Glaubensfragen austauschen und ihre spirituellen Erfahrungen teilen. Das schärft das theologische und spirituelle Profil einzelner Gläubiger ebenso wie das der Kirche in der Region und stiftet Identität.

Die großen Kirchen haben – wie kürzlich bekannt gegeben wurde – mit hohen Austrittszahlen zu kämpfen. Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Menschen wieder verstärkt teilhaben zu lassen an kirchlichen Angeboten?

Kirche hat viel zu sagen, aber sie hat in der Vergangenheit häufig zu wenig gesagt oder hat so gesprochen, dass sie nicht gehört wurde. Kirche ist für viele Kirchenmitglieder deshalb nicht mehr attraktiv. Sie fragen sich: „Warum soll ich für etwas bezahlen, was mir nichts bringt?“

Das bedeutet für mich, unser Kirchenpräsident Dr. Jung spricht es auch immer wieder an, dass wir die Kommunikation stärken müssen. Und zwar besonders die Kommunikation auf der persönlichen Ebene. Jedes persönliche Gespräch ist wichtig. Aber auch digitale Medien, mit deren Hilfe wir direkt miteinander kommunizieren können, sind hilfreich. Im persönlichen Kontakt entsteht Nähe und Vertrautheit. Das kommt auch den Sonntagsgottesdiensten zugute. Dann muss nicht mehr jeder Sonntagsgottesdienst zum Happening werden. Ganz im Gegenteil, die Menschen werden kommen und werden sich freuen, wenn sie Vertrautes vorfinden.

Wir sind uns in der Kirche fremd geworden. Das ist unser großes Problem. Zur Lösung dieses Problems helfen Angebote, die Kirche gegenwärtig macht, nur bedingt. Viele Angebote der Kirche haben ein Gefälle: die einen machen (häufig sind das die Hauptamtlichen) und die anderen konsumieren. Meiner Meinung nach ist hier ein Umdenken gefragt. Menschen wollen heute selbst kreativ sein, wollen mitgestalten und mitwirken. Angebote sind gefragt, wo Menschen sich mit ihren Gedanken, ihren Wünschen und Bedürfnissen einbringen können. In der Frauenarbeit im Dekanat Runkel haben wir mit solchen Angeboten sehr gute Erfahrungen gemacht, die auch einladend sind für Menschen, die einer anderen Kirche oder keiner Kirche angehören. Auch auf Propsteiebene möchte ich gerne Angebote unterstützen, wo eine Beteiligungskultur gelebt wird. Die Chance, die ich sehe: Viele Kirchenmitglieder wollen ihre Kirche wieder neu entdecken. Wir müssen ihnen dazu nur die Möglichkeit geben.

Zum Schluss mein Herzenswunsch: Ich möchte, dass unsere Kirche für viele Menschen wieder ein geistliches Zuhause wird, wie sie es für mich ist. Ich bin sicher, dann wenden sich auch nicht mehr so viele Menschen, weder alte noch junge, von unserer Kirche ab. Denn das eigene Zuhause verlässt keiner gerne.

Vielen Dank für das Gespräch.

Peter Wagner
Öffentlichkeitsarbeit

Weitere Informationen

zur Propstei und zu den Kandidatinnen finden Sie hier.

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