Wertschätzender Empfang
Ehrenamt ist Glaube zum Anfassen
Foto: eöa/Maline Thierolf-Jöckel Dankesurkunden überreichen Ulrike Hoppe (links) und Arno Allmann (rechts) an (von links nach rechts): Heike Lahr-Tegel, Volker Hergert, Sebastian Haracic, Karl-Heinz Schwarz, Reinhard Perron, Klaus Krietenstein, Erika Liebschner, Jürgen Schönig, Karin Otto, Astrid Würz und Ute Kehr.15.02.2019 esz Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Der Theologe und Psychotherapeut Karl Neuwöhner aus Stade war zu Gast. Er referierte zum Thema »Ehrenamt: Glaube zum Anfassen. Eine Wertschätzung«. Er zeigte auf, dass die Idee des so genannten Homo oeconomicus, also des rein wirtschaftlich denkenden und handelnden Menschen, eine Ersatzreligion und reine Einbildung ist. Studien führender Wissenschaftler verschiedener Disziplinen zeigten, dass »Hilfsbereitschaft und gemeinschaftliches Handeln in der Natur des Menschen liegen, der auf soziale Resonanz und Kooperation angelegt ist.« Forschungsarbeiten – an einigen habe er mitgewirkt – würden bestätigen, dass Einsamkeit und Beziehungslosigkeit die Krankheitsanfälligkeit dramatisch steigern, Depressionen hervorrufen und zu vorzeitiger Alterung führen.
Trümmerfrauen versehen ihren Dienst nicht freiwillig
Er ging auch auf den Wandel in der gesellschaftlichen Wertschätzung des Ehrenamts in Deutschland ein. Eine missbräuchliche Umdeutung des Ehrenamts habe es direkt nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben, sagte Neuwöhner. Zum Bild der ersten Nachkriegsjahre gehörte die Trümmerfrau, die selbstlos und unermüdlich die Überreste der zerbombten Städte wegräumt. »Aber die Frauen versahen ihren Dienst nicht freiwillig. Die Alliierten haben sie zum Aufräumen verpflichtet. Die Fotos sind in wenigen Straßen Westberlins gestellt worden«, erklärte er. Bürgerinitiativen und Selbsthilfegruppen, Frauen-, Friedens- und Umweltbewegungen prägten das gesellschaftliche Bild der 1970er und 1980er Jahre. Der Trend habe sich auch in den Kirchen bemerkbar gemacht. So bekam beispielsweise der Kirchentag eine neue Gestalt. Es sei politischer, bunter und thematischer geworden.
Wertschätzung gekoppelt an Heuchelei und Ausnutzung
Andere Ehrenamtliche engagierten sich in Bereichen, aus deren Verantwortung sich der Staat nach und nach zurückgezogen habe. Selbsthilfegruppen übernahmen beispielsweise die Beratung und Begleitung von Patientinnen und Patienten in der Krebsnachsorge, es sei eine zivilgesellschaftliche Hospizbewegung entstanden, die dafür eintrat, die Kontrolle über Sterben, Tod und Trauer für die Betroffenen zurückzugewinnen. Die Wertschätzung sei oft nicht frei von Heuchelei und Ausnutzung des guten Willens oder der sozialen Gesinnung der Bürgerinnen und Bürger, wenn das Ehrenamt als Lösung für Finanznot und Personalmangel gesucht wird. Andererseits sei das Ehrenamt für jede Bürgerin und jeden Bürger eine große Chance, Sinn und Zufriedenheit in ihrem Leben zu erfahren.
Maline Thierolf-Jöckel