Glockenguss der Zimmerner Glocken
Ein Hauch von Ewigkeit
Silke Rummel
22.05.2025
sru
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Der Ofen in der Glockengießerei ist seit 6 Uhr in der Früh an, aber als die Besuchergruppe am frühen Nachmittag nach einem schmackhaften Mittagessen mit Blick auf die Burg Greifenstein bei der Firma Rincker ankommt, sind die notwendigen 1100 Grad noch nicht ganz erreicht. Das Feuer lodert aus dem Ofen. Das Feld darunter ist mit Erde aufgefüllt und ein Kanal gebaut, die einzelnen Formen durch einen Schieber getrennt. Schilder markieren, wo welche Glockenform eingegraben ist. Ein Fernsehteam des Hessischen Rundfunks hat sich in einer Ecke positioniert.
Bericht in der Hessenschau
Guss-Team fühlt mit den Füßen
Es ist warm und laut und alles, was in der Werkstatt ist, ist mit einer feinen Rußschicht bedeckt. Bevor es losgeht, gibt es einen Segen. Glocken zu gießen ist auch für die Mitarbeitenden des Familienbetriebs ein besonderer Moment. Während des Gusses soll es mucksmäuschenstill sein, bittet Fritz Georg Rincker, der das Unternehmen zusammen mit seinem Bruder Hanns Martin in mittlerweile 13. Generation führt. Seit 1590 ist die Firma Rincker in Familienbesitz, seit 1817 ist das Unternehmen in der Werkstatt, in der an diesem Nachmittag die Glocken gegossen werden. Auch die Handys sollen stummgeschaltet werden. Denn das achtköpfige Team, das in der Schutzkleidung ein wenig an Star Wars erinnert, fühlt mit den Füßen, ob sich die heiße Bronze richtig verteilt und ob nicht vielleicht irgendwo Gase entstehen. „Wir fertigen heute noch Glocken wie vor hundert Jahren“, sagt Fritz Georg Rincker. Handwerkskunst und Erfahrung im besten Sinne.
Die evangelische Kirchengemeinde Groß-Zimmern verfügt derzeit über drei rund 100 Jahre alte Stahlglocken, die jeden Tag ihren Dienst versagen können. Denn Stahlglocken sind bei weitem nicht so langlebig wie Bronzeglocken. Seit 2019 sammelt ein Glockenförderverein Geld für die neuen Glocken und hat bisher 28 Veranstaltungen organisiert, wie Jürgen Günster, der Vorsitzende des Glockenfördervereins, sagt. Bisher seien knapp 200.000 Euro über Mitgliedschaften, Spenden und dem Erlös aus verschiedene Veranstaltungen zusammengekommen. Pfarrer Michael Fornoff rechnet mit rund 350.000 Euro Gesamtkosten.
Glocken sind Musikinstrumente
Endlich hat der Ofen die nötige Temperatur erreicht. 1115 Grad. Die heiße Bronze läuft aus dem Ofen in den Kanal. Es gluckert und sieht aus wie die Lava nach einem Vulkanausbruch. Bronze besteht aus einer Mischung aus 78 Prozent Kupfer und 22 Prozent Zinn. „Zinn muss zugesetzt werden, damit ein Musikinstrument daraus wird – denn das ist eine Glocke“, hatte Fritz Georg Rincker zuvor erklärt. Die Glocken werden nacheinander gegossen. Dazu öffnen die Männer im Erdfeld die Schieber, die die Formen voneinander trennen, sobald die jeweilige Form vollgelaufen ist. Das erkennen sie daran, dass die Flammenfarbe von grünlich in gelblich wechselt. Sieben Glocken sind es an diesem Tag – die sechs für Groß-Zimmern und eine für Hohenkirchen in Mecklenburg.
Etwa 20 Minuten später sind alle Schieber entfernt und der Guss vollbracht. „Der Guss ist hervorragend gelaufen“, freut sich Fritz Georg Rincker. Die Gruppe applaudiert. Die beiden Männer vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) draußen vor der Tür hatten nichts zu tun. Zum Schutz von Mannschaft und Besuchsgruppe ist bei jedem Guss das DRK in Bereitschaft. Die Mannschaft wird vorgestellt, dabei erfahren die Besucherinnen und Besucher, dass Sohn Christian Rincker die Gießerei in 14. Generation übernehmen wird. Den Bedeutungsverlust der Kirchen merkt auch das Unternehmen in Sinn: Bei sehr guter Auftragslage würden sechs Mal im Jahr Glocken gegossen, so Fritz Georg Rincker. Das Unternehmen hat deshalb noch weitere Standbeine – die Pflege, Wartung und Reparatur von Glocken sowie die Kunstgießerei.
Formen aus Lehm
Die Formen aus Lehm sind in einem aufwändigen Verfahren gefertigt worden. Wie das aussieht, erläutert Christian Rincker bei einem Rundgang. Die Groß-Zimmerner Glocken sind künstlerisch gestaltet und jede einzelne Glocke mit einer Schrift versehen. „Die Schrift zu setzen gibt einem das Gefühl: Jetzt machen wir etwas für die Ewigkeit“, sagt Christian Rincker.
Nach einer Andacht fährt die Gruppe beseelt mit dem Bus zurück nach Groß-Zimmern. Bevor die Glocken nach Groß-Zimmern gebracht werden, müssen sie ein paar Tage auskühlen und nachbearbeitet werden. Am Erntedankfest am 5. Oktober werden die neuen Glocken in der Kirche präsentiert, dann werden sie mit einem Kran in den Glockenstuhl gehoben. Zum Reformationsgottesdienst mit Propst Stephan Arras und Dekan Joachim Meyer am 31. Oktober, 19 Uhr, sollen die sechs neuen Bronzeglocken als Festgeläut ertönen.
„Es war spannend, das zu sehen“, sagt ein Teilnehmer der Fahrt. „Sehr beeindruckend“, sagt ein anderer. „Es war wunderschön, das erlebt zu haben“, sagt ein weiterer. „Für mich ist es sehr bewegend, etwas zu tun, was Bestand für die nächsten Generationen haben wird“, sagt Pfarrer Michael Fornoff, „zum Wohle der Gemeinde und zur Ehre Gottes.“
Wer dieses Projekt der evangelischen Kirchengemeinde Groß-Zimmern unterstützen, etwas spenden oder dem Glockenförderverein beitreten möchte, meldet sich bei dessen Vorsitzendem Jürgen Günster, E-Mail: juergen@guenster.eu, Telefon: 06071/738950, Mobil: 0173/7851870.