Menümobile menu
Info

„Eine erfüllende Reise voller Eindrücke“ – Partnerschaftsbesuch in Amritsar

CK Bad VilbelGruppenbild im Headquarter der Diözese Amritsar

Vor Ostern war eine große Delegation der Bad Vilbeler Christuskirchengemeinde für knapp zwei Wochen zu Besuch bei den nordindischen Partnern in der Diözese Amritsar, mit der das Dekanat Wetterau eine langjährige Partnerschaft pflegt.

Bildergalerie

Wieder zurück in Deutschland geriet Pianist Sven Roth ins Schwärmen von den „richtig tollen Menschen, die man dort kennenlernen durfte“ und Andreas Giese fasste die knapp zwei gemeinsamen Wochen zusammen: „eine erfüllende Reise voller Eindrücke“. Mit sehr besonderem Gepäck machten sich die 14 Personen der Ev. Christuskirchengemeinde aus Bad Vilbel Mitte März am Frankfurter Flughafen auf den Weg: Keyboard und E-Bass, E-Gitarre und Akustikgitarre mussten gesondert aufgegeben werden – aber so ist das eben, wenn sich eine Kirchenband auf eine Flugreise begibt! Nach 2019 zum zweiten Mal hatte Gemeindereferent Thorsten Mebus aus den vielen Bandmusikern der musikalisch bekanntlich sehr aktiven Kirchengemeinde eine hervorragende Band zusammengestellt, um in Indien ein Konzert zu geben und Gottesdienste zu begleiten. Neben den Instrumentalmusikern und fünf Sängerinnen waren auch Andreas Giese als ehrenamtliches Gemeindemitarbeiter und Pfarrer Dr. Klaus Neumeier Teil der Partnerschaftsdelegation, die die rege Besuchstätigkeit der vor-Corona-Jahre fortsetzte.

Seit 2016 ist die Ev. Christuskirchengemeinde mit der Christchurch-Cathedral in Amritsar verbunden. „Wir haben damals gemerkt, dass nicht nur der Name gut zusammen passt“, so Klaus Neumeier. Doch da inzwischen der damalige Pfarrer in einer anderen Gemeinde arbeitet, gestaltete sich der direkte Gemeindekontakt dieses Mal schwieriger: „Es hängt überall eben doch wesentlich an den konkreten Menschen…“. Da aber die Gemeindepartnerschaft Teil der größeren Verbindung des Ev. Dekanates Wetterau und der Diözese Amritsar ist, waren erneut viele alte Freunde über die Christchurch-Gemeinde hinaus in die Besuchsreise einbezogen, allen voran Bischof Dr. Samantaroy, Motor und Herz der Partnerschaft. Er und andere Mitarbeiter des Bistums waren bereits am Flughafen, um die Gäste abzuholen.

Gleich am nächsten Morgen gab es dann einen gemeinsamen Gottesdienst mit deutscher Band und einer Predigt von Pfarrer Neumeier, die direkt vom Englischen in Hindi übersetzt wurde. Anders aber als meist in Deutschland waren mehrere hundert Besucher in der bis hinten voll besetzten Kirche. Und dann gab es im Anschluss wie immer in Indien viele Selfies, Segenszuspruch mit Handauflegung, Händeschütteln: Es ist ein sehr unverkrampftes Miteinander, das zwischen Indern und Deutschen gelebt wird. Aber nach diversen wechselseitigen Besuchen in den letzten rund fünfzehn Jahre sind tatsächlich sehr viel Vertrauen und Freundschaft gewachsen. Und viel selbstverständlicher als bei uns gehört für die Menschen in Indien ihr Glaube zum alltäglichen Leben, wie Sängerin Vivien Wicke betont: „Ich fand es beeindruckend, mit wie viel Stolz Religion und Glaub gelebt und vielfach auch ausgedrückt wird und verschiedene Glaubensrichtungen untereinander akzeptiert werden.“ Tatsächlich ist Indien ein multireligiöses Land, und auch wenn es vor allem zwischen nationalistischen Hindus und manchen muslimischen Gruppen immer wieder mal zu Konflikten kommt, ist insgesamt eine enorme religiöse Toleranz gelebte Alltagspraxis: Man ist sich einig in Religiosität ansich.

Musikalischer Höhepunkt war das Konzert im Außengelände der St. Pauls-Church am Dienstag der ersten Besuchswoche: Sicher 500 Menschen waren dabei, als die Vilbeler Band moderne geistliche Lobpreismusik mit englischen Texten spielte. Und allen voran der Bischof selbst sprang immer wieder begeistert auf und animierte seine eigenen Landsleute zum Tanzen und Klatschen. Spätestens ein paar Tage später bei einem gemeinsamen Bibelgespräch mit haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden der Diözese wurde deutlich, wie sehr alle Alltagsfragen vom Glauben durchdrungen sind und auch ein Konzert dem Lob Gottes dient. Und noch einmal konnte die Band auf großer Bühne spielen, denn am Palmsonntag, eine Woche vor Ostern, kamen Christinnen und Christen mit Reisebussen aus der ganzen Diözese nach Amritsar, um gemeinsam open air-Gottesdienst zu feiern und anschließend – dem Einzug Jesu in Jerusalem nachempfunden – durch die Straßen der Stadt Amritsar zu ziehen: „Eine Prozession von rund 1.500 Christinnen und Christen, die doch nur wenige Prozent der nordindischen Gesellschaft ausmachen: Was für ein starkes Zeichen öffentlich gelebten Glaubens“ zeigte sich Pfarrer Klaus Neumeier sehr beeindruckt.

Projekte mit finanzieller Unterstützung aus Bad Vilbel: Vielfältige Besuche in und rund um Amritsar

Neben Gottesdienst und Palmsonntagsprozession, Konzert und Bibelgespräch besuchte die Vierzehnköpfige Bad Vilbeler Delegation verschiedene Projekte, die teilweise seit vielen Jahren finanziell von Bad Vilbeler Spendengeldern ermöglicht oder zumindest unterstützt werden. Das gilt auch für das Gästehaus der Diözese neben der kirchlichen Alexandra-School in Amritsar selbst; es wird derzeit weiter ausgebaut und soll dem Zusammenkommen von Pfarrerinnen und Pfarrern zu Bistumstagungen dienen oder auch dem Treffen ehrenamtlicher Mitarbeiter*innen. Tatsächlich sind die Entfernungen in der Diözese Amritsar so groß, dass es ohne Übernachtungen nicht geht. Die Bad Vilbeler Christuskirchengemeinde und auch das Ev. Dekanat Wetterau und der dort angeschlossene Nordindien-Förderverein unterstützen unter anderem diesen Ausbau. Wichtiger aber als Gebäude sind die Menschen und Sängerin Joy Hinkel betont: „Die Herzlichkeit und Gastfreundschaft haben einen sehr hohen Stellenwert und als Gast habe ich mich sehr aufgehoben gefühlt“.

In Dogar, rund eine Stunde nördlich von Amritsar wurde der deutschen Delegation das „Turning Point Project“ vorgestellt: Vor allem Menschen mit einem Suchthintergrund soll ein neues Leben ermöglicht werden, ein „Wendepunkt“. Vom eigenen Leben berichtet hat aber auch ein Mann, der auf einen sehr persönlich angepassten Rollstuhl angewiesen ist, der ihm durch Spendengelder ermöglicht wurde. Andreas Giese: „Bewegend, wie durch ein motorisiertes Gefährt ein kleines Stück Bewegungsfreiheit wiedergegeben werden konnte.“

Ebenfalls nördlich von Amritsar besuchte die Gruppe eines von mehreren hundert initiierten Mikrokreditprojekten: Echte Hilfe zur Selbsthilfe und vor einigen Jahren von Dr. Reinhard Walter aus der Christuskirchengemeinde zusammen mit Bischof Samantaroy entwickelt. Joy Hinkel zeigte sich beeindruckt über die Hilfe, „die Frauen gewährt wurde und mit welchem Können sie versuchen, andere Frauen mit ins Boot aufzunehmen! Scheinbar effizienter, flexibler, mit großer gegenseitiger Hilfe und Unterstützung! Frauen scheinen die Männer zu ‚überflügeln‘.“ Und Sängerin Melanie Flick betonte in ähnlicher Weise: „Die Wirkung der Mikrokredite für Frauen zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Situation hat mich auf dieser Reise am meisten beeindruckt. Ein Weg zu Anerkennung und Empowerment, der zu unternehmerischem Denken anregt und so weitere Möglichkeiten schafft für die einzelne Kreditnehmerin, ihre Familie und ihr weiteres Umfeld.“ Als Beispiel wurde ein sehr kleiner Lebensmittelladen im Dorf Abusaid präsentiert. Auch hier - wie überall - wurde der Besuch der deutschen Gäste mit enormer Neugierde wahrgenommen: „Menschen fühlten sich durch unser Interesse erkennbar gesehen und wertgeschätzt“, so Klaus Neumeier. Und aus der Sicht der hiesigen Spenderinnen und Spender fasste Pianist Jan Brüggemann den Eindruck der Besucher zusammen: „Ich fand den Ausbau der Projekte beeindruckend: sei es die kluge Verbesserung der persönlichen Lebenssituation über Mikrokredite sei es der Aufbau einer Schule, oder, oder... Jede Rupie (indische Währung) ist ein gutes Invest und macht die Welt ein bisschen besser“.

Und die Bemühungen um eine Verbesserung der Bildungssituation konnten die deutschen Gäste insbesondere im südlich gelegenen Tarn-Taran sehen: Wo derzeit nur wenige Dutzend kleinere Kinder in die Schule gehen, ist ein großes Schulprojekt für rund 2.000 Schülerinnen und Schüler geplant. Gute Bildung als Schlüssel zu einem eigenständigen Leben – dies ist das ergänzende Modell zu den vielfältigen Mikrokrediten, die an erwachsene Frauen vergeben werden: Jungen und Mädchen sollen von vornherein durch eine gute Schulbildung bessere Lebenschancen erhalten als sie oft ihre Eltern hatten. Die Gruppe pflanzte einige kleine Sträucher und mehrere große Palmen auf dem Schulgelände und ließ sich das gesamte Projekt zeigen. Gitarrist Ralf Camrath betonte die Wahrnehmung dieses indischen Großprojekts der Diözese: „Der Kontrast zwischen der trostlosen Umgebung und der schönen und gut ausgestatteten Schule könnte größer kaum sein. Schön, dass die Kinder in einer solchen Umgebung lernen und hoffentlich den Grundstein für eine bessere Zukunft legen können.“

Viele Details der Reise werden nun in den kommenden Wochen im Partnerschaftsteam der Ev. Christuskirchengemeinde ausgewertet werden und bei einem für September geplanten Besuch von Bischof Dr. Samantaroy miteinander besprochen werden, um die so vielfältige und intensive Partnerschaft auch für die Zeit abzusichern, wenn der aktuelle Bischof Anfang 2025 in den Ruhestand gehen wird. Pfarrer Klaus Neumeier: „Wir sind als evangelische Christen sehr dankbar für diesen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus.“ Und Jan Brüggemann ergänzt das Resümee: „Trotz der Möglichkeiten von Videokonferenzen lassen sich meines Erachtens nach nur von 'Angesicht zu Angesicht nachhaltige Beziehungen aufbauen und echte Erkenntnisse gewinnen sowie beständige Freundschaften aufbauen“.

Ein Bericht von Lutz Rosenkranz

to top