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Lutherglossen

Freiheit = Chaos + Verderben?

privatHans-Joachim Greifenstein ist Pfarrer im Ruhestand und Kabarettist.

Hans-Joachim Greifenstein ist Pfarrer und Kabarettist. Er lebt in Babenhausen und hält als Ruhestandspfarrer nach wie vor Gottesdienste, zum Beispiel in Langstadt. Was würde Luther dazu sagen? Dazu hatte er anlässlich des Reformationsjubiläums Glossen geschrieben, die nach wie vor aktuell sind. In unregelmäßigen Abständen werden sie hier veröffentlicht. Heute: Freiheit oder: das Wort handeln lassen.

Mit dem Wort Freiheit wird auch viel Quatsch gemacht. Vor Jahren wurde zum Beispiel. heftig über die Einführung des Gurtzwangs in Autos diskutiert. Die Gegner beklagten staatszwänglichen Fürsorgeterror und agitierten mit dem Slogan „Freie Fahrt für freie Bürger” für mehr Fahrspaß und damit indirekt für mehr Tote im Straßenverkehr. Deren Zahl ging nach Einführung des bußgeldbewehrten Anschnallenmüssens von 20.000 auf 3.500 zurück. Vielen Dank liebe Macho-Lobby! Hätten Massenmörder mit „Freie Bahn für freie Würger” geworben, würde es bestimmt weniger lange gedauert haben bis die Vernunft gesiegt hätte.

Bungee Jumping ohne Seil ist keine Freiheit sondern Dummheit!

So ähnlich dachte auch die Katholische Kirche im Mittelalter. Die guten schlauen Hirten sollten die unvernünftig dummen Schafe fest im Griff behalten, weil Freiheit nur Chaos und Verderben bedeutet hätte. Sie hielten sich für sowas wie Lehrer, die die Kinder im Klassenraum nicht alleinlassen könen, weil danach sofort die Schwämme fliegen. Was ihnen entgangen war: Im ausgehenden Mittelalter waren die Schafe weniger dumm und die Hirten weniger gut geworden. Die Christen waren immer mehr auf eigene Gedanken und der Klerus immer mehr auf den Hund gekommen. Wer Kirchengut verprasst, verpasst das Gute in der Kirche.

Für Luther & Co waren die Sicherheitsgurte der Römlinge zu würgenden Weglaufsperren geworden. Für sie war klar: Eine Institution kann man reformieren, eine Inquistion muss man abschaffen. Zwang und Glaube geht genauso wenig wie Zwang und Liebe: „Der Glaube will niemanden zum Evangelium zwingen und dringen, sondern es einem jeden frei lassen und ihm anheim stellen. Wer da glaubet, der glaube, wer da kommt, der komme; wer da draußen bleibt, der bleibe”, sprach Luther einst bei Tisch. Und begrub damit das Mittelalter.

Angefangen hatte es dermaleinst mit dem Kirchenvater Cyprian, einer Art Lenin der Frühkatholiken. Er zwangsbeglückte die Heiden mit seinem berühmen Diktum: „Nötigt sie hereinzukommen.” Unter dem Tisch dieses strengen Vaters wollte der Lausbub Luther seine Füße nicht mehr haben. Und führte lose, freiheitliche Reden: „Summa summarum: Predigen will ich es, sagen will ich es, schreiben will ich es. Aber zwingen, dringen mit Gewalt will ich niemanden, denn der Glaube will willig, ungenötigt angezogen werden... Ich hab nichts gemacht, ich hab das Wort lassen handeln.”
 
Freiheit UND Gottes Wort: Damit macht man keinen Quatsch!

 

Hans-Joachim Greifenstein hat zusammen mit Clajo Herrmann der Erste Allgemeine Babenhäuser Pfarrer(!) Kabarett gegründet. Am 4. Februar 2024 ist Clajo Herrmann im Alter von 68 Jahren überraschend gestorben. Hans-Joachim Greifenstein hat sich entschieden, alleine weiter zu machen. Wie es ihm dabei geht, schildert er auf www.pfarrerkabarett.de/ Hier gibt es auch die Termine.
Die Lutherglossen sind zum Reformationsjubiläum im Magazin „blick in die Kirche” der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) erschienen.

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