Pfarrerin aus dem Dekanat Gießener Land bringt ländliche Perspektive ins Kirchenparlament
Frisch gewählt: Carina Schmidt-Marburger in der Landessynode
Patricia Luft
08.05.2025
ast
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„Ich habe mich sehr über das große Vertrauen gefreut“, sagt sie. 95 Prozent der Stimmen in der letzten Dekanatssynode seien ein starkes Zeichen – „das nehme ich mit als Rückenwind in die Landessynode“. Aber was ist eigentlich eine Synode? Die Kirchensynode ist das höchste Leitungsgremium der EKHN – vergleichbar mit einem Parlament. Hier wird über wichtige Zukunftsfragen beraten: Wie soll sich Kirche organisieren? Wofür gibt sie Geld aus? Welche gesellschaftlichen Herausforderungen will sie mitgestalten? Entscheidungen, die dort getroffen werden, wirken bis in die Gemeinden vor Ort. Und genau deshalb ist Carina Schmidt-Marburger das Mitwirken so wichtig: „Kirche ist von unten aufgebaut. Jede Stimme zählt – und ich möchte, dass auch unsere Stimme vom Land gehört wird.“
Als Vertreterin des Dekanats Gießener Land hat sie eine besondere Perspektive: Ihr Dekanat ist aus drei ländlich geprägten Altdekanaten hervorgegangen – ein großes Gebiet mit ganz eigenen Herausforderungen und Stärken. Gemeinsam mit den ehrenamtlichen Synodalen Susanne Koch, Michael Knoll und Jan-Philipp Krätschmer sowie den jeweiligen Stellvertretungen bringt sie diese Erfahrungen in die Landessynode ein. „Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Stimmen gut nutzen. Ich möchte zeigen, was im ländlichen Raum gut läuft, nicht nur sagen, was hier nicht funktioniert.“
Gremienarbeit? Für viele ein Graus – für Carina Schmidt-Marburger ein Gewinn: Andere schrecken vor dicken Aktenordnern und langen Sitzungen zurück. Carina Schmidt-Marburger nicht. Schon während ihres Theologiestudiums engagierte sie sich hochschulpolitisch. Aufgewachsen ist sie in der Nähe von Dortmund, studierte Evangelische Theologie in Marburg, Münster und Mainz. Ihr Vikariat absolvierte sie in Hirzenhain und Steinberg im Wetteraukreis, das Spezialvikariat im Zentrum Verkündigung in Frankfurt am Main, mit dem Schwerpunkt „Kunst und Kirche“. „Ich bin ein Gremienmensch“, sagt sie. Aktuell wühlt sie sich durch die ersten Synodenunterlagen – mehrere tausend Seiten in einer digitalen Kirchen-Cloud. „Ich wusste, dass es viel wird – aber es ist eben auch wichtig. Wenn wir mitreden wollen, müssen wir uns reinarbeiten.“
In der Synode will sie nicht nur zuhören, sondern mitgestalten. Besonders interessiert sie sich für den sogenannten „Jubel“-Ausschuss – Jugend, Bildung, Erwachsene und Lebenswelt. Themen wie Generationengerechtigkeit, Klimagerechtigkeit und eine offene, solidarische Kirche treiben sie an. „Ich will die theologische Perspektive mit einbringen“, sagt sie. „Was bedeutet es für uns als Kirche, wenn wir bestimmte Entscheidungen treffen? Welche Haltung leitet uns dabei?“
Ein zentraler Punkt in ihrer Arbeit ist Beteiligung. „Ich wünsche mir, dass Minderheiten zu Wort kommen. Dass wir nicht nur über Menschen reden, sondern mit ihnen“, sagt sie. Sie selbst kommt nicht aus einem christlichen Elternhaus. Ihre Prägung: eine Kirche mit offenen Armen, solidarisch mit denen am Rand der Gesellschaft. Dieses Bild von Kirche will sie stärken – als Hoffnungsgemeinschaft, die sich verändern darf und trotzdem ihre Botschaft bewahrt.
Die Synode selbst ist für Carina Schmidt-Marburger auch ein Ort der Begegnung. Kolleginnen und Kollegen haben ihr bereits erzählt, wie inspirierend die Gespräche am Rande, die Diskussionen am Abend, der Spirit der Versammlung seien. Darauf freut sie sich. „Ich hoffe, dass ein guter Geist weht – auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind.“
Carina Schmidt-Marburger sieht sich nicht nur als Entscheidungsträgerin, sondern auch als Bindeglied zwischen Basis und Leitung sowie als Brückenbauerin: „Ich will Themen aus unserem Dekanat mitnehmen nach Frankfurt – und umgekehrt erklären, was dort entschieden wurde und warum. Damit wir wegkommen von diesem Denken: ‚Die da oben in Darmstadt‘. Ich will vermitteln.“ Und ja, das bedeutet auch: Zeit freischaufeln, Mails lesen, Texte studieren, Ausschusssitzungen besuchen – neben der Arbeit in der eigenen Gemeinde.
Als junge Pfarrerin will sie auch die Bedürfnisse ihrer Generation stärker ins Blickfeld rücken. Die 20- bis 40-Jährigen, die oft übersehen werden, wenn es um kirchliche Angebote geht. „Ich will eine Kirche mitgestalten, die einladend ist, die wirklich offen ist – nicht nur auf dem Papier.“ Das bedeutet: zuhören, verändern, neue Wege wagen.
Mit klarem Blick, großer Motivation und einem echten Anliegen startet sie in ihre neue Aufgabe. Für das Dekanat Gießener Land. Für die Kirche. Und für eine Zukunft, in der Veränderung kein Verlust, sondern eine Chance ist. Denn: „Es liegt an uns, worauf wir unseren Blick richten. Und ich glaube: Da ist noch viel Gutes, das wachsen kann.“
Zur Synode: Vom 8. bis 10. Mai findet die Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in Frankfurt statt. In diesem Jahr stehen wichtige Themen wie Klimaschutz, Nachhaltigkeit, die Fusion zur Evangelischen Hochschule Hessen und die Rolle der Kirche in einer diverseren Gesellschaft auf der Tagesordnung. Die Synode wird mit rund 120 Delegierten abgehalten und ist für alle Interessierten live im Stream verfügbar. Weitere Informationen zur Synode, zu den Tagesordnungspunkten und den Live-Übertragungen können auf der offiziellen Webseite der EKHN unter www.ekhn.de abgerufen werden.