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Interview mit Pfarrrerin Sabine Sauerwein

"Ganze seelsorgerliche Kompetenz ist gefragt"

LukasgemeindeVor der geschlossenen Domklirche in Lampertheim: die Outdoor-Kirche der Lukasgemeinde

In der Corona-Krise herrscht Ausnahmezustand. Was bedeutet dies für Pfarrerinnen und Pfarrer und was macht es mit ihnen und mit ihren Gemeinden. Wir veröffentlichen in loser Folge Interviews mit Pfarrerinnen und Pfarrern im Evangelischen Dekanat Bergstraße. Heute: Pfarrerin Sabine Sauerwein von der Lukasgemeinde in Lampertheim.

LukasgemeindePfarrerin Sabine Sauerwein

Gottesdienste können in gewohnter Form nicht stattfinden. Sind Sie eigentlich in „Kurzarbeit“ oder haben Sie sogar mehr zu tun als sonst?

Die Frage nach der „Kurzarbeit“ ist schwierig zu beantworten. In den ersten 14 Tagen nach der Anordnung des Kontaktverbotes habe ich keinen Unterschied in der Arbeitsbelastung gemerkt, da es so viel zu organisieren gab. Jetzt ist es schon so, dass ich öfter zuhause bin als sonst, weil Sitzungen wegfallen, weil Konfirmandenunterricht und Kindertag nicht stattfindet, auch mussten schon die ersten Trauungen für die kommenden drei Wochenenden abgesagt werden.

Andererseits merke ich, dass ich alles, was ich tue, auch gründlicher bedenken kann und muss. Die Vorüberlegungen für unseren sonntäglichen Audiopodcast haben Zeit in Anspruch genommen, ebenso die Gestaltung unserer täglich geöffneten „Outdoor-Kirche“ im äußeren Vorraum der Domkirche. Die inhaltliche Zusammenarbeit mit meinem Kollegen Pfarrer Sven Behnke und unserer Kantorin Heike ( immer schön im Sicherheitsabstand draußen im Hof vor dem Gemeindebüro ) war gedanken- und zeitintensiv, hat uns alle drei aber auch mit Freude erfüllt. Auch für die Formulierung der Gebete und Gedanken, sowie die Erstellung der Aufnahmen nehmen wir uns bewusst Zeit. Es ist eine andere Art des Arbeitens, würde ich sagen, auch was die Seelsorge betrifft.

Was macht die Coronakrise mit Ihrer Gemeinde und was macht sie mit Ihnen?

Ich musste erstmal verstehen und bewältigen, dass vieles, worauf ich mich in meinem Dienst gefreut hatte, abgesagt werden musste. Es ist mir sehr schwer gefallen, die Tauffamilien und Brautpaare anzurufen, die Kasualgespräche waren zum Teil ja schon geführt. Ganz besonders die Absage der Konfirmation und der in gewisser Weise brutale Kontaktabbruch mit unseren Konfis, die wir sonst wöchentlich sehen und die gerade dabei waren, ihre Konfirmationssprüche auszuwählen, hat mir persönlich zu schaffen gemacht. Wir versuchen durch kreative Aktionen wie den Osterbackwettbewerb, das Domrätsel, über facebook, instagramm, durch mails und Telefonate den Kontakt auch zu den jungen Familien und Gemeindemitgliedern zu halten. Mit unseren älteren Gemeindemitgliedern telefonieren wir viel. Die sonntäglichen Audiopodcasts erreichen alle Generationen, denn viele junge Menschen haben ihre Eltern und Großeltern mittlerweile digital „aufgerüstet“. Hier bekommen wir sehr viele positive Rückmeldungen, das Bedürfnis nach geistlichem Zuspruch ist sehr groß.

Die Runde der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin hat beschlossen, dass die Religionsfreiheit zunächst weiter eingeschränkt bleibt. Wenn Baumärkte oder Geschäfte bis 800 Quadratmeter Verkaufsfläche wieder öffnen können, dann scheint der notwendige Sicherheitsabstand in den allermeisten unserer Kirchen auch möglich zu sein. Abstand halten angesichts der Besucherzahlen in den Gottesdiensten dürfte doch eigentlich kein Problem sein. Wie sehen Sie das?

Ich hoffe, dass wir dazu in der nächsten Woche eine klare Stellungnahme von Seiten unserer Landeskirche erhalten. Natürlich mache ich Gedankenspiele, wie wir gerade in unserer großen Kirche Möglichkeiten entwickeln können, um bald wieder Gottesdienst zu feiern. Es kann ja aber nicht darum gehen, möglichst bald wieder „irgendwie“ Gottesdienst zu feiern, sondern es sind auch Fragen zu bedenken wie: „Was ist, wenn zu viele kommen? Schicken wir Leute nachhause, wenn uns Platzbudget ausgereizt ist?“ Ich glaube, hier ist im Einzelnen noch viel Klärungsbedarf, ähnlich wie es ja auch nicht so ohne weiteres möglich ist, einen Schulbetrieb wieder in Gang zu setzen.

Als besonders gefährdet gelten ältere oder kranke Menschen. Kann Seelsorge in Pflegeeinrichtungen oder Altenheimen überhaupt stattfinden und was bedeutet das für die Alten? 
Für die alten Menschen und ihre Angehörigen ist das eine sehr bittere Zeit und es tut im Herzen weh, dies mitzuerleben. In gewisser Weise sind wir als Gemeindepfarrer hier auch ein wenig „abgeschnitten“, denn anders als sonst finden unsere Angebote für Senioren nicht statt, zu denen sonst auch Bewohnerinnen und Bewohner aus den Pflegeeinrichtungen kommen. Ich glaube, dass hier in der Folge noch ein hoher seelsorgerlicher Bedarf sein wird, um das Erlebte aufzuarbeiten.

Taufen oder Trauungen können ggf. verschoben werden, Beerdigungen nur sehr bedingt. Hatten Sie schon Beerdigungen und wenn ja, wie bedrückend erleben Sie das für sich und für die Angehörigen angesichts der Kontaktbeschränkungen?

Trauergespräche und Beerdigungen nehmen derzeit einen besonderen Raum ein. Es bedarf einer besonderen inneren Vorbereitung, so empfinde ich das, um die Angehörigen zu begleiten, um die Telefongespräche zu führen oder auch, um ein Treffen in geschütztem Rahmen zu ermöglichen. Auf dem Friedhof sind wir mit unserer ganzen seelsorgerlichen Kompetenz und Existenz gefragt. Hier können wir aber auch sehr viel geben und Trost spenden. Auch hier glaube ich, wird in der Folgezeit noch viel Trauerarbeit zu leisten und zu begleiten sein.

Not lehrt beten, heißt es im Volksmund. Hilft beten?

Auf jeden Fall. Wir haben in unserer „Outdoor – Kirche“ eine Fürbittenbox aufgestellt. Sonntags vor dem Gottesdienst, den mein Kollege oder ich stellvertretend in der geschlossenen Kirche für die Gemeinde feiern, lesen wir im geschützten Raum alle Fürbitten vor. Es werden von Sonntag zu Sonntag mehr. Ich bin tief berührt von den Fürbitten und merke auch, wie sich mein eigenes Gebet verändert.

Die TV-Gottesdienste und auch die vielen digitalen Angebote der Gemeinden haben zum Teil sehr hohen Zuspruch. Werden nach Corona mehr Menschen in die Kirche kommen?

Ich glaube, dass die Menschen jetzt gerne in die Kirche gehen würden, wenn sie könnten. Für die Zeit nach Corona hoffe ich es ganz einfach.

Wird die evangelische Kirche nach der Krise digitaler sein?

Für einen Menschen, der nicht so superdigital aufstellt ist wie ich, ist das nicht so einfach zu beantworten. Wahrscheinlich wird ja das ganze öffentliche Leben digitaler werden – und insofern wird es auch Kirche betreffen. Ich könnte mir z.B. vorstellen, unseren Audiopodcast auch nach Corona zu bestimmten Zeiten aufzunehmen und an Menschen weiterzuleiten, die aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Gottesdienst kommen können. Ich finde es toll, wie unsere homepage mehr und mehr ins Bewusstsein der Gemeindemitglieder kommt. Ich freue mich aber auch ganz einfach auf persönliche Begegnungen und Gespräche, auf ein Miteinanderfeiern in der Kirche, auf Gesichter, in die ich nicht nur über skype schauen kann.

 

Zur Homepage der Lukasgemeinde Lampertheim geht es hier

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