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Raus aus dem Knast!

Gefängnisseelsorger geht in den Ruhestand

HortienUwe Wießner nimmt Abschied von der JVA Rockenberg (im Hintergrund). Er geht in den Ruhestand.

Seit über 30 Jahren kümmert Pfarrer Uwe Wießner sich schon um „seine Jungs“. Gemeint sind die männlichen Jugendlichen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rockenberg. Zum 1. September geht der Gefängnisseelsorger in den Ruhestand.

Die Gefängnisseelsorge hat den Pfarrer sein ganzes Berufsleben lang begleitet. Bereits in der Ausbildung am theologischen Seminar in Friedberg lernte er Pfarrer Thomas Born kennen, damals Gefängnisseelsorger in Rockenberg. Bei ihm absolvierte er sein Spezialvikariat. Im August 1987 trat er seine erste Pfarrstelle in Limburg an – die Seelsorge in der dortigen JVA war Teil des Dienstauftrags. Als dann die Stelle in Rockenberg ausgeschrieben wurde, erfolgte der Wechsel zurück in die Heimat Wetterau.

Gefängnisseelsorger Uwe Wießner: "Knast hat seinen Reiz"

Das ist inzwischen fast 31 Jahre her. Und noch immer geht Pfarrer Uwe Wießner jeden Tag gerne in den „Knast“. Das merkt man ihm an, wenn er von seiner Arbeit erzählt. „Im Knast passiert immer etwas Neues, es wird nie langweilig. Das hat seinen Reiz“, sagt er. „Zum Teil werde ich von den Jungs schon erwartet, das freut und motiviert mich.“ Dahinter steckt viel Beziehungsarbeit. Damit er als Gesprächspartner wahrgenommen werde, müsse er glaubwürdig und verlässlich sein und das Vertrauen der Jugendlichen gewinnen.

Dazu versucht er möglichst alle kennenzulernen. „Immer dienstags treffe ich mich mit den neu aufgenommenen Jungs zum Mittagessen oder lade diejenigen ein, die ich lange nicht mehr gesehen habe.“ Dazu kommen Einzelgespräche. Die Jugendlichen melden Bedarf an, Pfarrer Wießner holt sie aus der Wohngruppe ab und lädt sie auf einen Kaffee oder Kakao ein. In den Gesprächen geht es dann um die Freundin oder die Familie, die „draußen“ wartet, manchmal um Stress und Konflikte unter den Jugendlichen. Manchmal aber auch um Schuldfragen und Selbstzweifel. „Manche fragen mich, was ich in ihrer Situation getan hätte.“ Themen, die sich nach Feierabend nicht einfach so ablegen lassen. Man müsse immer zwischen Täter und Tat unterscheiden und offen sein, sich auf jeden einzulassen, sonst könne man den Job nicht machen. „Die Jugendlichen haben ein ganz feines Gespür, die merken, wenn du nicht ehrlich mit ihnen bist. Man kann sich nicht hinter Floskeln verstecken.“ Es werde sehr offen und direkt gesprochen – „daran gewöhnt man sich, das kann in meinem privaten Umfeld dann auch mal für Erstaunen sorgen.“

Abschiedsfeiern und Gitarren

Natürlich kämen auch Fragen zu Religion und Glaube – er sei schließlich Pfarrer. So hat Wießner auch schon Religionskurse angeboten. Gottesdienste finden alle 14 Tage sonntags im Wechsel mit dem katholischen Pfarrer statt. Zwischen 10 und 20 Jugendliche sitzen dann um 8 Uhr morgens in den Bankreihen der beeindruckenden Rokoko-Kirche aus dem 17. Jahrhundert. Denn die Strafvollzugsanstalt steht auf dem Gelände eines ehemaligen Nonnenklosters des Zisterzienserordens. Dort wurden früher auch regelmäßig Gemeindegottesdienste gefeiert.

Für diejenigen, die rauskommen gestalten die Pfarrer Abschiedsfeiern. Sie wollen den Wechsel positiv begleiten. Manch einer meldet sich auch nach der Entlassung noch einmal bei Uwe Wießner.

Mit dem Pfarrer sind im Laufe der Jahre über 20 Gitarren in den Wohngruppen eingezogen. Die Jugendlichen dürfen sie in ihrer Freizeit nutzen. Denn oft bleibe sonst als Beschäftigungsmöglichkeit in der Freizeit nur der Fernseher. Wer will, kann sich einige Griffe beibringen lassen oder sogar in einer Band zusammenspielen.

Einen Tag in der Woche ist Pfarrer Uwe Wießner nicht in Rockenberg, sondern in Limburg. Seit 2016 hat er in der dortigen JVA, in der männliche Erwachsene untergebracht sind, wieder einen Dienstauftrag übernommen. Auch dieser endet mit seinem Ruhestand zum 1. September.

„Bei den Jugendlichen habe ich mich selbst immer in der Rolle des Großvaters gesehen“, sagt Wießner. „Ich habe keine direkte Erziehungsfunktion wie die JVA-Bediensteten, sondern bin erstmal ‚nur‘ Gesprächspartner.“ Gleichwenn er ab und zu Methoden aus seiner Beraterausbildung in die Gespräche hat einfließen lassen. „Ich hoffe, einen Denkprozess anstoßen zu können. Zum Beispiel sich öfter mal in die Perspektive des Gegenübers zu versetzen und zu verstehen, dass es mehrere Sichtweisen auf eine Situation gibt.“

Die Jugendlichen in der JVA Rockenberg sind zwischen 14 und 20 Jahre alt und bleiben im Schnitt 17 Monate in Haft. Die Strafen können zwischen 6 Monaten und 10 Jahren betragen. Aktuell sind rund 140 Plätze belegt. Zu den Straftaten zählen schwerer Diebstahl, schwere Körperverletzung, Drogenhandel, Mord oder Totschlag.

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