"Fest der Demokratie" in Gießen:
Haltung zeigen – begleitet von Fürbittengebet
© Matthias Hartmann
Dr. Anke Spory, Pröpstin für die Propstei Oberhessen, sprach auf dem "Fest der Demokratie". Sie stand mit Vertretern anderer Religionen, bzw. Konfessionen, aus Gießen auf der Bühne: dem katholischen Pfarrer Erik Wehner (links) und Dr. Halit Aydin von der muslimischen Gemeinde (rechts). Auch Dov Aviv von der Jüdischen Gemeinde Gießen beteiligte sich, der hier nicht auf dem Foto zu sehen ist.
04.12.2025
pwb
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veröffentlicht 30.11.2025
von epd/red
Parallel zur geplanten Gründung einer AfD-Jugendorganisation setzen zahlreiche Gruppen in Gießen ein Zeichen für Demokratie. So ist die evangelische Kirche maßgeblich an der Ausrichtung eines "Festes der Demokratie" vor dem Gießener Rathaus beteiligt. Bereits am Nachmittag des 29. November 2025 präsentieren sich Gruppen und Initiativen mit Ständen, unter anderem die Lebenshilfe, die Jugendwerkstatt und Parteien.
Pröpstin: "Wir stehen ein für Demokratie"
Auf der Bühne sprachen neben Vertreterinnen und Vertretern anderer Religionen auch Dr. Anke Spory, Pröpstin für die Propstei Oberhessen. Sie betonte, dass Prinzipien wie die unantastbaren Menschen- und Grundrechte nicht verhandelbar seien, denn "sie schützen die Schwachen und geben jedem Menschen seinen Wert", so die Pröpstin. In ihrer Rede machte sie klar: "Wir wenden uns nicht gegen Menschen. Wir wenden uns gegen Ideologien, die spalten. Wir wenden uns gegen Haltungen, die Hass säen, und wir wenden uns gegen Strukturen, die extremistische Strukturen normaliseren wollen." Wer Angst benutze, um Macht zu gewinnen, "arbeitet gegen das Vertrauen, dass wir in einer freien Gesellschaft brauchen", warnte die evangelische Theologin. Schließlich erinnerte Pröpstin Spory an die Worte von Martin Luther Kings: „Es ist immer die richtige Zeit, das Richtige zu tun.“ Für Spory bedeutet dies heute: „Uns jetzt klar zu positionieren, ist unsere Verantwortung. Lasst uns heute und in der Zukunft klar, laut und friedlich zeigen: Wir stehen ein für die Demokratie.“
Bereits am Samstag haben nach Polizeiangaben 25.000 bis 30.000 Menschen demonstriert. Die meisten äußerten friedlich ihren Protest. Doch es kam auch zu gewaltsamen Protesten und die Polizei hat bereits Blockaden geräumt. Im Vorfeld hatten sich leitende Geistliche für ein friedliches und gewaltfreies Engagement für Demokratie ausgesprochen.
Fürbitten-Gebet anlässlich des „Festes der Demokratie“ in Gießen
Die Kirche möchte ihre gesellschaftliche Verantwortung auch geistlich begleiten. So hat in der zuvor stattfindenden Synode der EKHN der Synodale Gerhard Schulze-Velmede ein Gebet anlässlich des kommenden Ereignisses gesprochen, das weiter geteilt werden kann:
Herr Gott,
Du hast uns geschaffen, so wie wir sind,
in unserer Vielfalt und in unserer Einzigartigkeit,
jeder und jede ist ein von Dir geliebter Mensch.
Wir bitten Dich, lass es uns gelingen,
dass wir als Christinnen und Christen und
als Bürgerinnen und Bürger dieses Landes deutlich machen,
dass allen Menschen eine unangreifbare Menschenwürde zusteht.
Vor Dir haben alle Menschen denselben Wert,
Gerechte und Ungerechte,
Glaubende und Zweifelnde,
Große und Kleine,
Deine Gnade umfasst alle Menschen –
unabhängig von Geschlecht, Nation oder Religion, Herkunft und Prägung.
Wir bitten Dich,
mach uns stark,
wo dieser Grundsatz in Frage gestellt wird,
gib uns Kraft,
dass wir für Vielfalt eintreten, wo Ausgrenzung gefordert wird,
dass wir uns für Frieden einsetzen, wo Hass gepredigt wird,
dass wir aufeinander zugehen, wo uns Ablehnung entgegenschlägt.
Herr Gott,
wir bitten Dich,
gib allen Menschen,
die sich am Wochenende in Gießen versammeln,
Besonnenheit und Einsicht,
dass Hass und Gewalt der falsche Weg sind.
Wir bitten Dich um Bewahrung und Vernunft bei ihrem Handeln.
Wir bitten Dich
für unsere Regierungen,
dass sie die richtigen Entscheidungen treffen,
damit alle Menschen in Frieden und Gerechtigkeit leben können.
Wir bitten dich
um Bereitschaft,
aufeinander zu hören und miteinander zu reden,
um gemeinsam Wege in eine gute Zukunft zu finden.
So bitten wir Dich um Frieden für uns,
für unser Land und für die ganze Welt.
Amen.
(von Gerhard Schulze-Velmede)
Haltung zeigen
Damit wird deutlich: Kirche und Stadtgesellschaft treten gemeinsam für Demokratie und Vielfalt ein. Auf dem „Fest der Demokratie“ hat neben der evangelischen, oberhessischen Pröpstin Anke Spory unter anderen auch Gießens Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher (SPD) gesprochen.
Bisherige Nachwuchsorganisation löste sich auf
Die Polizei hatte sich nach eigenen Angaben seit mehreren Wochen auf den Einsatz vorbereitet. Die bisherige Nachwuchsorganisation der AfD hatte sich im März aufgelöst. Am Nachmittag des 29. Novembers 2025 hatte die AfD nun in den Gießener Hessenhallen ihre neue Jugendorganisation "Generation Deutschland" gegründet. Solange die AfD als Partei nicht verboten sei, stehe es ihr frei, auch wieder eine neue Jugendorganisation zu gründen, sagte die Gießener Politologin Dorothée de Nève in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Es geht um die Interessenvertretung und die Selbstorganisation von Bürgern - in diesem konkreten Fall eben um die Selbstorganisation von jungen Bürgern am extremen rechten Rand des politischen Spektrums." Im breiten Protestbündnis gegen die Gründungsversammlung sah sie "ein starkes Signal für Zusammenhalt und Partizipation".
