Fortbildung
Intervention und Prävention Schwerpunkte beim Fachtag „Sexualisierte Gewalt“
© Michael Ränker
15.06.2025
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Sexualisierte Gewalt ist nie ein Problem ausschließlich der Vergangenheit, sondern stets auch eine ständige Gefahr in Gegenwart und Zukunft – und das auch innerhalb der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und ihren Gemeinden. Umso wichtiger sind neben der Aufarbeitung auch Intervention und Prävention. Intervention ist zwingend nötig, sobald es Anzeichen gibt, dass haupt- oder ehrenamtliche Mitarbeitende ihrer Pflicht, Schutzbefohlene vor Gewalt zu bewahren, nicht nachkommen. Und dass Situationen von Ausgrenzung und möglicher Gewalt möglichst gar nicht erst entstehen können, dafür sind präventive Maßnahmen unerlässlich.
Intervention und Prävention bildeten daher auch die Schwerpunkte des Fachtags zum Thema „Sexualisierte Gewalt“, den das Evangelische Dekanat Bergstraße jetzt in Kooperation mit der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt der EKHN organisiert hat. Oberkirchenrätin Dr. Petra Knötzele, Leiterin der Fachstelle, und Anette Neff waren gemeinsam mit Betroffenenvertreterin Alexandra Ehrlich ins Gemeindehaus der Bensheimer Stephanusgemeinde gekommen, um das zu tun, was in der Präambel des Gewaltpräventionsgesetz der EKHN wie folgt zusammengefasst wird:
„Prävention sexualisierter Gewalt umfasst die Sensibilisierung und Qualifizierung aller haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden und Leitungsverantwortlichen auf allen Ebenen kirchlichen Lebens, um Grenzverletzungen zu verhindern.“
„Es ist ein ernstes Thema, aber wir müssen uns diesem Thema widmen“, begrüßte Ute Gölz, Präses der Dekanatssynode und Vorsitzende des Dekanatssynodalvorstands, die fast 50 Ehren- und Hauptamtlichen, die sich zum Fachtag angemeldet hatten. Mit einer berührenden Andacht führten Petra Knötzele und Anette Neff ins Thema ein; es folgte ein betroffen machender Film mit Aussagen von Menschen, denen sexualisierte Gewalt angetan wurde. Alexandra Ehrlich, die in der Evangelischen Kirche sexuellen Missbrauch erlebt hat, schilderte den Teilnehmenden anschließend ihre Situation und verlieh den Aussagen des Filmes ein Gesicht:
„Von einem normalen Leben bin ich weit entfernt“, sie habe in Folge des Geschehenen „mehr Zeit in geschlossenen Psychiatrien verbracht als daheim“. Kaum eine der weitgehend schlaflosen Nächte vergehe ohne Albträume, in denen „die schlimmen Sachen“ wieder auftauchen. Beziehungen zu führen „ist schwer bis unmöglich“; Flashbacks, Erinnerungslücken und Phasen der Spaltung (Dissoziation) bestimmen das Leben von Alexandra Ehrlich. Ihren Glauben an Gott habe sie dennoch nicht verloren, „aber ich war seit Jahren nicht mehr in einem Gottesdienst“. Die Kirche als Institution hat versagt.
Nach einem Input mit Informationen aus der 2024 veröffentlichten „ForuM“-Studie (Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland) und über den Stand von Aufarbeitung und Präventions-Maßnahmen in der EKHN beschäftigten die Teilnehmenden des Fachtags sich in Tischgruppen mit Fallbeispielen. Der anschließende Austausch mit den Expertinnen der EKHN-eigenen Fachstelle führten einmal mehr vor Augen, wie wichtig Schulungen sind, um Übergriffe erkennen und angemessen reagieren zu können. Und wie wichtig es ist, sich Rat und Hilfe suchen zu können – bei der Fachstelle in Darmstadt
https://www.ekhn.de/themen/null-toleranz-bei-gewalt
sowie auf Dekanatsebene bei Gemeindepädagogin Edith Zapf, Dekanatsbeauftragte für Gewaltprävention
https://dekanat-bergstrasse.ekhn.de/ueber-uns/gewaltpraevention.html
Edith Zapf, die zum Thema „Sexualisierte Gewalt“ auch zwei Mal im Jahr Zoom-Schulungen anbietet, aber auch persönlich in die Gemeinden kommt, um zu beraten, erinnerte die Teilnehmenden aus dem Dekanat einmal mehr daran, dass jede Kirchengemeinde verpflichtet ist, ein eigenes Schutzkonzept aufzulegen. Details sind im Gewalt-Präventionskonzept des Dekanats geregelt:
„Wir müssen das Thema ,Sexualisierte Gewalt‘ immer wieder aufgreifen“, bedankte sich Dekanin Sonja Mattes in ihrem Schlusswort für die „große Runde der Teilnehmenden“ sowie die Arbeit der EKHN-Fachstelle und der Dekanatsbeauftragten: „Bei unserer Arbeit mit Schutzbefohlenen müssen wir alle besonders gut hinschauen.“