30 Jahre Dekanatskantor
Kantor Thomas Wächter: „Musikalisch neugierig und vielfältig bleiben“
(c) Dekanat / C.Weise
04.07.2025
cw
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„Damals wurden in der EKHN noch Stellen neu eingerichtet“, erinnert er sich. Wächter betrat damals Neuland und sollte im damaligen Dekanat Bad Schwalbach sowie den Kirchengemeinden Strinz-Margarethä und Niederlibbach die Kirchenmusik aufbauen. „Der Start war nicht einfach“, sagt er.
Wächter erkannte schnell, dass viele Menschen sich gerne für eine bestimmte Zeit verabreden und nicht dauerhaft in einem Chor singen möchten und gründete ziemlich bald zwei Projektchöre, die es auch heute noch gibt: die „Taunussteiner Kantorei“ und den späteren „Gospelchor „Rejoice!“. „Das war genau richtig so“, stellt er fest. Denn in diesen Chören waren damals – wie heute – ein sehr hoher Anteil an Menschen, die sich sonst nicht fest an einen Chor binden würden. „Ich möchte gemeinsam mit Menschen musizieren, egal welche musikalische Vorbildung sie haben“, war sein Credo. Dennoch gab es zu Beginn sogar Leserbriefe, in denen beklagt wurde, dass Projektchöre die traditionellen Chöre kaputt machen würden.
Gospelchor als „klassisch geprägter Musiker“
Kurze Zeit später lernte Thomas Wächter über seine Nachbarin die Soul- und Gospelmusik „richtig kennen und verstehen“. Er sprang auf die gerade anwachsende „Gospel-Welle“ auf und gründete den Gospelchor „Rejoice!“. Dazu musste er aber viele Stücke selbst arrangieren „damit es für den Chor passt.“ Und das obwohl Wächter eigentlich aus der klassischen Musik kommt. Wächter kommt ins Schwärmen, wenn er von „Rejoice!“ erzählt: Chorfreizeiten, Konzertreisen nach Spanien oder die Teilnahme an Gospelkirchentagen zeigen ihm, „was für eine tolle Gemeinschaft“ dieser Chor ist. Zudem macht er deutlich, dass es in der Chorarbeit nicht nur um Musik, sondern auch um eine individuelle Auseinandersetzung mit den Texten geht. „Kirchenmusik ist Verkündigung“, so Wächter. In Chorproben und in Konzerten und beim Üben zu Hause beschäftigen sich Menschen lange und intensiv mit biblischen Texten und „viele Texte werden zu Begleitern im Leben“ oder helfen bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte, weiß Wächter aus Erfahrung. Zudem sei kirchenmusikalische Arbeit immer gemeindeübergreifend: „Menschen unterschiedlichen Alters, sozialen Milieus und Frömmigkeit kommen zusammen, um an einer Sache zu arbeiten.“
Es ist wohl eine seiner Stärken, dass er stets danach schaut, was die Menschen brauchen und flexibel bleibt und seine Angebote entsprechend danach ausrichtet. Vom „Weihnachtsoratorium“ bis zu Songs von den „Ärzten“ - „Ich will musikalisch neugierig sein und vielseitig bleiben“, formuliert er es.
30 Jahre Orgelunterricht
Ein weiterer Teil seiner Arbeit, neben dem von außen oft unterschätzten Üben an Orgel, Klavier und Akkordeon, ist der Orgelunterricht. Seit 30 Jahren begleitet Wächter Menschen unterschiedlichsten Alters, um ihnen das Spielen an der Orgel beizubringen. Meist mündet das in der D-Prüfung, die die Menschen befähigt dann in Gottesdiensten Orgel zu spielen. Die jüngste Orgelspielerin derzeit ist etwa 20 Jahre, die älteste 60 Jahre.
Lernen von der Jugend
„Riesenspaß“ macht Wächter auch die Arbeit mit der Taunussteiner Jugendband, die er vor zwei Jahren gegründet hat. „Ich lerne viel von ihnen, weil sie mir ständig neue Lieder bringen“, sagt er. Auch hier arrangiert er die Stücke passend für die Besetzung. Der Dekanatskantor ist zudem immer wieder als Komponist gefragt, wie jüngst bei der Kirche Kunterbunt an Palmsonntag mit Eseln. „Ich habe geschaut, ob es Stücke mit Eseln zu Palmsonntag mit Kindern gibt, und nichts gefunden. Da habe ich dann selbst ein Lied komponiert.“
Derzeit arbeitet Thomas Wächter an der finalen Setliste für das kommende Konzert mit „Rejoice!“ im Dezember. Das werde von Auszubildenden einer Fernsehanstalt professionell aufgenommen, „und dann haben wir eine Aufzeichnung für uns.“
Ob Kantorei, Gospelchor, Folkband, Jugendband, das „Folkduo Lässig“ oder die interreligiösen Konzerte, die er zusammen mit der Klarinettistin und „Queen of Klezmer“ Irith Gabriely in ganz Deutschland gibt, „man muss seiner Zeit voraus sein“, weiß Wächter. Spüren, welche Musikrichtung dran ist, welches Format für die Menschen passt. So habe er sich in den vergangenen Jahren immer wieder neu ausgerichtet und musikalisch neue Felder erschlossen. Immer wieder holt Wächter auch namhafte Solisten und Musikerinnen in die Region.
Als Wegbegleiter und Ermöglicher unterwegs
Nach so vielen Jahrzehnten ist der Dekanatskantor aber immer noch nicht müde und macht seine Arbeit mit großem Engagement und Begeisterung. Wächter sieht sich dabei als „Wegbegleiter und Ermöglicher, der einen Raum für das gemeinsame Musizieren öffnet.“ Auch den anstehenden Veränderungsprozessen in der Kirche steht er optimistisch gegenüber. „Musik ist milieu- und generationenübergreifend“, freut er sich – und spielt auch bei der Neuausrichtung der Gemeindearbeit eine zentrale Rolle. Er hat die regionale Musikszene in den letzten Jahren positiv und nachhaltig geprägt und sein Engagement und die Konzerte seiner Chöre sind weithin auch bei Nicht-Kirchgängern bekannt. Eine Chorsängerin formulierte die Bedeutung der Musik ihm gegenüber einmal wie folgt: „Kirchenmusik ist eine unverzichtbare Art, den eigenen Glauben auszudrücken.“
Alle Konzerttermine und Infos zu den musikalischen Gruppen finden sich auf der Webseite der „Taunussteiner Kirchenmusik“: www.projektchor.de