Gedenken
Katharina Staritz: Erste Pfarrerin der EKHN und stille Heldin des Widerstands
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26.03.2025
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veröffentlicht 26.03.2025
von D. Stickler, B. Jagusch, Online-Redaktion der EKHN
„Ich beglückwünsche Sie zu einem außerordentlich guten Examen und dem vielen Wissen, was sie gezeigt haben. Es tut mir nur leid, dass Sie das alles gar nicht mehr verwenden können.“ Die Worte, mit denen man Katharina Staritz 1928 zum ersten Theologieexamen gratulierte, muten wie blanker Zynismus an. Diese Worte zeigen: Der Beruf der Pfarrerin passte nicht ins damalige Frauenbild. Fürsorgerin, wie ihre Schwester Charlotte, war dagegen ein anerkannter Frauenberuf. Zuvor hatte Katharina Staritz, am 25. Juli 1903 in Breslau geboren, Deutsch, Geschichte und Theologie studiert, bevor sie sich zu einem Volltheologiestudium in Breslau und Marburg entschloss.
Promotion, Ordination und Berufung zur Beamtin – aber keine Gleichstellung
Die damals 25-jährige Katharina Staritz ließ sich nicht beirren. Wenig später wurde sie an der Theologischen Fakultät Marburg als hierzulande eine der ersten Frauen promoviert. Nach dem zweiten Theologieexamen in ihrer Heimatstadt Breslau hat man sie 1932 mit der Jugend- und Frauenarbeit sowie Kinderklinik-Seelsorge betraut. Als Vikarin wohlgemerkt, das Pfarramt war Männern vorbehalten. Daran änderte auch ihre 1938 erfolgte Ordination und Berufung zur Beamtin auf Lebenszeit nichts. Auch Aufstiegsmöglichkeiten blieben ihr als Frau verwehrt. Sie durfte nur die Tätigkeiten ausüben, die sie schon in der Lehrzeit praktiziert hatte: Frauenarbeit, Übertrittsunterricht, Taufunterricht bei Jüdinnen und Juden. Taufen durfte sie nicht.
Unterstützung bei der Auswanderung für Menschen jüdischer Herkunft
Dass Katharina Staritz in Breslau für sogenannte „Judenchristen“ zuständig war, sollte sich in Zeiten des nationalsozialistischen Terrorregimes als Segen für die Betroffenen erweisen. Denn der Taufunterricht für Jüdinnen und Juden veränderte sich im Zuge des zunehmenden Antisemitismus hin zu einer aktiven Unterstützung diskriminierter und bedrohter Menschen. Katharina Staritz gehörte der Bekennenden Kirche an und leitete ab 1939 die Außenstelle des Berliner „Büro Pfarrer Grüber“, die „Kirchliche Hilfsstelle für Evangelische Nichtarier“. Sie verhalf über einhundert Frauen und Männern zur Auswanderung und damit zum Überleben. Die Kirchenleitung missbilligte ihr Handeln und setzte ihm 1941 schließlich ein Ende. Katharina Staritz hatte in einem Rundbrief das verordnete Tragen des Judensterns attackiert und die Pfarrer an ihre christliche Verantwortung gegenüber den getauften Jüdinnen und Juden gemahnt. Daraufhin wurde sie von allen Dienstobliegenheiten beurlaubt und gedrängt, Breslau zu verlassen.
Inhaftierung im Konzentrationslager Ravensbrück
Sie siedelte nach Marburg um, lahmlegen und mundtot machen ließ sie sich aber nicht. Ihr widerständiger Geist blieb denn auch den Nationalsozialisten nicht verborgen. 1942 brachten sie Katharina Staritz zuerst ins „Arbeitserziehungslager Breitenau“, dann ins Konzentrationslager Ravensbrück.
Dass sie nach einem Jahr „probeweise“ entlassen wurde, hatte die Theologin ihrer Schwester Charlotte zu verdanken. Deren unermüdliches Insistieren bei Kirchenbehörden wie bei den Nationalsozialisten zeitigte am Ende Erfolg. Zurück in Breslau und unter Aufsicht der Gestapo zur Untätigkeit verdammt, ist Katharina Staritz im Januar 1945 mit Schwester und Mutter nach Marburg geflüchtet. Der Vater war bereits verstorben.
Kampf gegen Vorurteile als Aushilfskraft im Vertretungsdienst
Die Landeskirche Kurhessen-Waldeck beauftragte sie zwar mit Vertretungsdiensten, Gefängnisseelsorge, Religionsunterricht und dem Entwurf einer Vikarinnen-Ordnung. Sie wurde als Kriegsvertreterin eingesetzt und übernahm die Aufgaben der Männer. Nach Einsätzen in Thüringen und in Kassel setzte man Katharina Staritz in Albertshausen bei Bad Wildungen unter anderem als Seelsorgerin in einer Frauenhaftanstalt ein. In den Gemeinden kämpfte sie mit Vorurteilen und mit Widerständen der Kollegen, die sie jedoch durch ihr professionelles Tun schnell ausräumen konnte. Dass sie bereits vor Jahren in Breslau Beamtin auf Lebenszeit geworden war, spielte keine Rolle, sie blieb eine Aushilfskraft. Ihre Ordination wurde nicht anerkannt.
1950: Katharina Staritz wird Stadtvikarin für Frauenarbeit in Frankfurt am Main
Martin Niemöller holte sie schließlich 1949 als Vikarin für Frauenarbeit an die Frankfurter Katharinenkirche und sie begann im November probehalber ihrer Arbeit.
Im April 1950 ernannte er Katharina Staritz zur Beamtin auf Lebenszeit und führte sie als Stadtvikarin für Frauenarbeit ein. Auch ein Predigt- und Seelsorgeauftrag an der St. Katharinen-Gemeinde gehörte zu ihrer Stelle. Es war deutschlandweit die im April 1950 erste Planstelle für eine Theologin. Am 10. November erfolgte die Einführung in der Alten Nikolaikirche in Frankfurt. Allerdings bekam sie nur 80 Prozent des Gehalts der Männer. Helga Engler-Heidle, die in der Mainmetropole das Frauenpfarramt von 1985 bis 2001 begleitete, hat sich eingehend mit dem Leben und Wirken ihrer Vorgängerin befasst und kann deren unentwegten Kampf nur bewundern.
Vorbehalte aus der Pfarrerschaft
Katharina Staritz habe darauf bestanden, pfarramtliche Aufgaben wie Gottesdienste und Predigten zu übernehmen. Ihre Amtsbrüder seien deshalb empört gewesen und hätten ihr das Leben schwer gemacht – ausgenommen Wilhelm Fresenius, der einer der führenden Vertreter der Bekennenden Kirche war.
Für Helga Engler-Heidle steht außer Zweifel: „Katharina Staritz war eine große Theologin, die mit ihrem Engagement während des NS-Regimes und ihrem Einsatz für die Gleichstellung von Frauen im Amt praktisch auf ein Privatleben verzichtete. Sie hätte sich auch gerne habilitiert, was Frauen aber damals nicht möglich war.“
Früher Tod aufgrund eines Krebsleidens
Die Früchte ihres Bemühens blieben Katharina Staritz weitgehend versagt. Wegen einer Krebserkrankung schied sie 1952 aus dem Dienst und verstarb Anfang des Folgejahres mit nur 49 Jahren. Zum Bedauern von Helga Engler-Heidle erinnert in der hessen-nassauischen Kirche nichts an die Verdienste der großen Theologin. Ihre direkte Nachfolgerin im Frauenpfarramt Gerlind Schwöbel habe 1990 eine Staritz-Biografie geschrieben und sich lange Zeit erfolglos für eine Gedenktafel eingesetzt. Die gebe es bis heute nicht.
Würdigung sichtbar machen
In Frankfurt hat die Gemeinde Bockenheim auf der freien Fläche um das Grab von Katharina Staritz, ihrer Schwester und ihrer Mutter inzwischen ein Gemeinschaftsgrab geschaffen und im Zuge der Arbeiten die Kreuze der drei Frauen restauriert. Da regelmäßig Anfragen von Besuchergruppen kommen wird die Friedhofsverwaltung am Eingang einen Hinweis sowie eine Infotafel am Grab installieren. Für Dore Struckmeier-Schubert, die sich in der Bockenheimer Gemeinde für das Gemeinschaftsgrab engagierte, setzt die sichtbare Präsenz des Katharina Staritz Grabs gerade in Zeiten von wachsendem Antisemitismus und rechter Hetze ein deutliches Zeichen.
Literatur über Katharina Staritz
Gerlind Schwöbel: Ich aber vertraue: Katharina Staritz - eine Theologin im Widerstand, Schriftenreihe des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt am Main 1990.
Ilse Meseberg-Haubold/Dietgard Meyer/Hannelore Erhart: Katharina Staritz (1903-1953), Dokumentation Bd.1: 1903-1942, Vandenhoeck & Ruprecht 2002.
Ilse Meseberg-Haubold/Dietgard Meyer/Hannelore Erhart: Katharina Staritz (1903-1953), Dokumentation Bd.2: 1942-1953, Vandenhoeck & Ruprecht 2022.