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Corona-Zeit mit Kindern

Kinder-Betreuung in der Krise

Erika von BassewitzGerade für Familien ohne eigenen Garten, Hof oder Balkon sind die gesperrten Spielplätze eine große Belastung.Gerade für Familien ohne eigenen Garten, Hof oder Balkon sind die gesperrten Spielplätze eine große Belastung.

Kleine Kinder, stressige Jobs und keinerlei Hilfe. So sieht der Alltag für viele Familien derzeit aus. Auf der anderen Seite stehen viele Räume in den Kindertagesstätten leer. Ist eine sofortige Kita-Öffnung die Lösung?

Charlotte MattesDer gemalte Regenbogen am Fenster der Krabbelstube „Kinderzeit" macht deutlich: Die Mitarbeitenden vermissen die Kinder!Der gemalte Regenbogen am Fenster der Krabbelstube „Kinderzeit" macht deutlich: Die Mitarbeitenden vermissen die Kinder!

Die Kitas bleiben bis auf weiteres geschlossen. Diese Zusammenfassung der Leopoldina-Empfehlung Mitte April hat Familien mit kleinen Kindern und berufstätigen Eltern schwer getroffen.
Denn die Betreuung eines Kleinkindes ist ein Vollzeitjob, wissen auch die beiden Autorinnen des Texts, die beide Mütter von Kleinkindern sind. Nebenher im Home-Office zu arbeiten, ist nicht möglich. Die Kita ist zu, Großeltern und Freunde darf man nicht treffen, trotzdem soll oder muss man arbeiten gehen. Bis September reicht der Urlaub ganz sicher nicht. Ein Hoffnungsschimmer ist ein Beschluss zur stufenweisen Öffnung von Kitas.

Zwei Jobs, zwei Kinder, keine Kita

Francesca Arienti arbeitet dreißig Stunden die Woche, ihr Mann vierzig. Nebenher müssen sie ihre beiden Söhne Antonio (4 Jahre) und Lorenzo (18 Monate) betreuen. „Anfangs habe ich geweint “, sagt sie. „ Das ist eine Perspektive, die ich mir nicht gewünscht habe.“ Ihre Lösung lautet: Schichtdienst im Home-Office. „Wir haben das Glück, dass wir flexible Arbeitszeiten haben.“ So kann Arienti um 6 Uhr morgens anfangen zu arbeiten, während ihr Mann Giuseppe die Kinder betreut. Nach dem Mittagessen wird gewechselt, Arienti übernimmt die Kinder und Giuseppe arbeitet bis abends. „Es gibt Tage, die sehr, sehr belastend sind, wir sind in der Phase von Trotzanfällen. Wenn wir den ganzen Tag zu Hause verbringen, ist es besonders anstrengend. “ Deshalb versuchen sie, viel Zeit draußen in der Natur zu verbringen. 

Angst vor Ansteckung in der Notbetreuung

Trotzdem sehnt sie sich nicht nach einer sofortigen Kita-Öffnung. „Wenn in der Kita jemand Magen-Darm hat, steckt sich innerhalb von zwei Wochen die gesamte Kita an, inklusive Eltern. Beim Corona-Virus lässt es sich nicht verhindern, dass Geschwister angesteckt werden, dann die ganz Kita, die Eltern bringen es in die Firma, in die Geschäfte“, nimmt sie an. „Wenn es zu schnell passiert, ist mir das Risiko zu hoch.“ 

Leitung unter Druck

Als Krabbelstuben-Leiterin Pera Vogel am Freitag, den 13. März, von der Schließung gehört hat, geriet sie enorm unter Druck. Die evangelische Krabbelstube Kinderzeit in Frankfurt-Bornheim gibt es erst seit knapp 5 Jahren. „Meine Ängste waren: Wie ist das mit der Bezahlung und der Sicherheit für mein Team? Müssen wir in Kurzarbeit gehen? Die Sorgen habe ich auch körperlich gespürt, weil ich anfälliger war.“ Die Lösung für sie und ihre Mitarbeitenden war: Viele Überstunden abbauen und einiges im Home-Office abarbeiten. Sabine Herrenbrück ist die Leiterin des Fachbereichs Kindertagesstätten im Zentrum Bildung der EKHN. Dieser umfasst rund 600 evangelische Kitas in Hessen und Rheinland-Pfalz mit fast 40.000 Betreuungsplätzen. Sie berichtet, dass andere pädagogische Fachkräfte in dieser Zeit zum Beispiel „das Außengelände umbauen, Berichte schreiben, mit den Familien in Kontakt sind oder Konzepte entwickeln.“

Corona-Elterngeld gefordert

Das DIW und die Grünen fordern derzeit ein „Corona-Elterngeld“ für Familien, die ihre Kinder daheim betreuen. 67 % des Gehalts sollen Eltern von Kindern unter 14 Jahren danach bekommen, die Regeln ähneln denen des normalen Elterngeldes. Das hält Arienti im Kern für eine gute Idee, aber „es sind doch große Einkommenseinbußen.“ Das könne sich nicht jede Familie leisten, gerade wenn das Geld schon knapp sei. Aber besser, als die Kitas schnell zu öffnen. „Der Staat soll lieber die Familien besser unterstützen.“ Besonders finanziell. „Ich habe noch keinen Vorschlag gehört, der mich überzeugt hätte. Vielleicht eine allmähliche Ausweitung der Notbetreuung?“

Beschluss zur phasenweisen Kita-Öffnung

Einen Beschluss zur phasenweisen Öffnung von Kitas hat das Bundesfamilienministerium bereits gefasst, gemeinsam mit der Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder (JFMK). Der Beschluss sieht diese vier Phasen vor: „Eingeschränkte Notbetreuung, flexible und stufenweise Erweiterung der Notbetreuung, eingeschränkter Regelbetrieb, vollständiger Regelbetrieb.“ Ein Datum, wann damit begonnen werden soll, gibt es noch nicht. Der Beschluss soll laut Bundesfamilienministerium in Beratungen von Bundeskanzlerin Merkel und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten einfließen, die am 30. April 2020 stattfinden.

Evangelische Kitas bieten Notbetreuung an

Damit liegen Arienti und das Ministerium auf der Linie von Sabine Herrenbrück. Die Hälfte der EKHN-Einrichtungen hat Kinder in der Notbetreuung, manchmal sogar mit einem Erzieher pro Kind. „Für uns ist es gut, dass es häppchenweise zurück in den Regelbetrieb geht“, erklärt Herrenbrück. Jede Woche kämen neue systemrelevante Berufsgruppen – und Kinder – dazu, zuletzt die Lehrer.
Auch in der Krabbelstube Kinderzeit gibt es seit dieser Woche zwei Notgruppen. Das sei auch eine Herausforderung, beschreibt Erzieherin Bianca Erhardt. „Man muss zum Beispiel drauf achten, dass die Gruppen sich nicht treffen, dass nur eine Gruppe im Außenbereich ist oder, dass Gruppenräume geteilt werden und. Das ist unheimlich schwierig.“ 

Auch Kitas können nicht planen

Auf der einen Seite fielen Erzieher aus, die selbst Kinder haben oder zur Risikogruppe gehören, auf der anderen Seite werden die Kinder in Kleingruppen von maximal zehn Kindergartenkindern betreut, die sich nicht begegnen dürfen, so Herrenbrück. Und: Oft sind es ganz neue Gruppen, die da zusammenkommen. Auch die Frage der Räumlichkeiten sei nicht geklärt. „Außerdem sollen die Kitas Schleusen bekommen, weil die Eltern ja oft beruflich mit Covid 19 zu tun haben.“  

Erzieherinnen vermissen Kinder

Lena Gleiser arbeitet in der Krabbelstube Kinderzeit. Sie ist mit vollem Herzblut dabei und vermisst die Kinder sehr: „Die Kinder von jetzt auf gleich nicht sehen zu können war schlimm. Manche Kinder sind in den Kindergarten gewechselt und ich konnte keinen Abschied nehmen. Da habe ich schon gemerkt, wie sehr sie mir hier in der Einrichtung fehlen.“ Auch ein Mädchen in der Notbetreuung hat der 35-Jährigen klar gesagt, was sie von Corona hält: Sie habe keine Lust auf Corona-Ferien, der Virus sei doof. „Und das bezog sich einfach darauf, dass sie ihre Freunde nicht sehen kann und das hat mich sehr gerührt“, fügt die 35-Jährige an.

„Wir fühlen uns absolut allein gelassen“

Diana Fischer ist als Selbständige im Social Media Marketing tätig und damit ebenso wenig wir ihr Mann systemrelevant. Beide arbeiten im Home-Office, sie 25 Stunden pro Woche, er vierzig. Außerdem betreuen sie die beiden Töchter im Alter von sieben und vier Jahren. „Wir arbeiten früh morgens oder nachts. Irgendwie muss man das zu zweit alleine regeln und das ist ganz schön anstrengend“, erzählt sie von ihrem Alltag. „Wir empfinden es als Belastung, weil uns niemand hilft. Wir fühlen uns absolut allein gelassen in dieser ganzen Situation. Es gibt keinen Plan, wann es weitergehen soll, und man fühlt sich einfach im Stich gelassen.“

Kinder vermissen Freunde

Sie merke, dass ihre Kinder ihre sozialen Kontakte, ihre Freunde und ihre Erzieher vermissen. „Sie fragen jeden Tag, wann sie wieder dorthin gehen dürfen“, sagt sie. Wenn sie könnte, würde sie die Kinder in die Betreuung geben. Ein Corona-Elterngeld statt Kinderbetreuung findet sie zwar im Prinzip gut für Eltern, die daheim bleiben wollen oder müssen. Sie selbst würde aber lieber die Kinderbetreuung nutzen und sei es nur stundenweise. „Sie brauchen einfach Zeit mit Gleichaltrigen, mit anderen Kindern.“ Und Bewegung. Eine Idee hätte Herrenbrück zumindest für letzteres: „Man sollte die Spielplätze öffnen und die Erzieher den Verkehr regeln lassen.“ Diese Empfehlung steht auch im gemeinsamen Beschluss des Bundesfamilienministeriums und der JFMK: „(…) die Öffnung der Spielplätze sowie der Einzelspielgeräte im öffentlichen Raum ist in Abhängigkeit von der Entwicklung des regionalen Infektionsgeschehens zu überprüfen, um Kinder und ihre Eltern zu entlasten.“

 

Freistellung zur Kinderbetreuung
Eltern von Kindern unter 12 Jahren können sich unter bestimmten Umständen für höchstens sechs Wochen von der Arbeit freistellen lassen. Allerdings nicht, wenn sie im Home-Office arbeiten können. (Quelle: § 56 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) Absatz 1a und Absatz 2 (neu))

Notbetreuung
Eltern aus systemrelevanten Berufen und berufstätige Alleinerziehende dürfen ihre Kinder in die Notbetreuung geben. Die Liste der systemrelevanten Berufe wird ständig erweitert, aktuell zählen etwa Ärzte, Polizisten oder auch Lehrer dazu. Wenn Kinder durch Gewalt in der Familie gefährdet sind, dürfen sie unabhängig vom Beruf der Eltern die Kita besuchen.

Corona-Elterngeld
Die Grünen fordern ein Corona-Elterngeld, das dem normalen Elterngeld ähnelt. Größter Unterschied: Es soll für alle Eltern von Kindern unter 14 Jahren gelten.

Beschluss zur phasenweisen Kita-Öffnung
Das Bundesfamilienministerium hat einen Beschluss zur phasenweisen Öffnung von Kitas gefasst, gemeinsam mit der Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder (JFMK). Der Beschluss sieht vier Phasen vor. Er soll laut Bundesfamilienministerium in Beratungen von Bundeskanzlerin Merkel und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten einfließen, die am Donnerstag, den 30. April 2020 stattfinden. www.bmfsfj.de/blob/155140/5a66b0c67a42c6c52e6a15b098d76401/jfmk-beschluss-wiedereinstieg-kinderbetreuung-data.pdf


Von Erika von Bassewitz und Charlotte Mattes

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