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#KircheMorgen

Weniger Kirche, mehr Diskussion? – Intensive Debatte über Zukunftspapier

pixabay.com/dimitrisvetsikas1969Junge läutet an einer Glocke an einer geschlossenen Kirchentür

Mit elf Leitsätzen legt die Evangelische Kirche in Deutschland vor, wie sie die Zukunft sieht. Auf Social-Media wird darüber fleißig gestritten: Die einen haben Angst vor schweigenden Kirchenglocken, die anderen wollen schon jetzt die Kirche von Morgen gestalten.

Emotionen werden wach, wo es um Kirchenglocken geht

Die 11 Leitsätze wollen zur Diskussion anregen, das wird in der Einleitung ganz klar formuliert. Dass es bei den Leitsätzen um die Diskussion geht, unterstreicht auch nochmal Thies Gundlach, Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD, im Interview mit domradio. Das Papier wurde vielfach als Entscheidungspapier missverstanden. Es trägt den Titel „Kirche auf gutem Grund – Elf Leitsätze für eine aufgeschlossene Kirche“ und möchte Mut machen, Kirche von Morgen zu gestalten. Als Reaktion haben einige allerdings schon den Abgesang aufs Abendland formuliert; bald würden keine Kirchenglocken mehr läuten, wenn wahr wird, was das Papier fordert.

Dahinter stecken Ängste: Kirche wird weniger, zieht sich aus der Fläche zurück, der symbolische Kirchturm verschwindet. Wie emotional das Symbol der Kirchenglocken ist, durfte Gefängnisseelsorgerin Lotte Jung aus Frankfurt a.M. auf ihrem Facebook-Profil erleben: Die Debatte schwappte in Milieus, wie beispielsweise die Mittelalter-Szene, die kirchenintern kaum im Blick sind und die plötzlich auch etwas zur Kirche von Morgen zu sagen hatten. Wir haben den Ball aufgenommen und eine Debatte mit euch auf Facebook zum Thema geführt.
Im Folgenden sind die Highlights zusammengefasst (alle Zitate stammen, soweit nicht anders benannt sind, aus unserer facebook-Diskussion).

Lasst uns über Kirche reden: … und wer mit wem?

Die einen freuen sich, dass es eine Debatte gibt:
„Aber immerhin läuft ja jetzt im Thread eine muntere diskussion. […] das Papier gibt, wie immer man dazu stehen will, auf jeden Fall Anlass, dass jedwedes Kirchenmitglied die Möglichkeit hat, sich Gedanken um unsere Kirche zu machen.“ (Frank Tuemmler, Schornsheim)

Die anderen sehen das etwas kritisch und hätten sich von Anfang an eine breitere Beteiligung gewünscht: „Schade, dass die EKD da erstmal was vorgeschrieben hat. Ein echter offener Prozess […] wäre vielleicht viel evangelischer.“ (Vikar Lukas Hille, Diez).
Zur Entstehung der 11 Leitsätze lohnt sich ein Blick in den Artikel aus Zeitzeichen von Reinhard Mawick.

Strukturelle vs. geistliche Krise

Auf Twitter wird parallel zur facebook-Debatte heiß diskutiert, inwiefern einerseits die strukturelle und anderseits die geistliche Dimension für die Kirche von Morgen wichtig sind. In den 11 Leitsätzen steckt dazu ein starker Satz, der mehr Sprengstoff birgt als er beim ersten Lesen vermuten lässt:

„Daher ist die Frage nach einer Zukunftsperspektive eine geistliche. Es geht um mehr als um Sparmaßnahmen, Rückbau und effizientere Strukturen.“ Wir hätten eine geistliche Krise. Eine Krise, die sich nicht nur mit smarten Strukturen beheben ließe. Die Gesellschaft wandle sich. Glaube und Kirche haben einen anderen Stellenwert als noch vor 50 Jahren. Natürlich möchte die Kirche diesen Wandel nicht festschreiben, aber sie ist gezwungen darauf zu reagieren. Die einen wollen hinderliche Strukturen abbauen, die anderen suchen Rat von ganz oben.

Johannes Kraus formuliert auf den Punkt: „Für mich wäre eine geistliche Suche das, worauf es zunächst ankommt. Wo will Gott mich, meine Gemeinde, meine Kirche jetzt konrekt haben? Was spricht er? Ein Akt des Hörens ist also Voraussetzung.“ (Pfarrer Johannes Kraus, Hattersheim)

Hanno Terbuyken macht klar, dass die 11 Leitsätze trotzdem gut daran tun, wenigstens Strukturen zu benennen, die Kirche im Weg stehen:
„Es ist “Ein Fehdehandschuh gegen die Behörden-Kirche”, wie ich schon schrieb. Und je mehr ich drüber nachdenke, umso mehr mag ich den Grundgedanken, Kirche neu zu fokussieren.“ (Hanno Terbuyken, Churchdesk)

Fokussierung und Konzentration vs. Verengung und „Weniger“ von Kirche

Konzentration und Fokussierung können positiv klingen. Konkret könnte sich die evangelische Kirche mit ihren öffentlichen Aussagen fokussieren: „Die Kirche wird sparsamer und konkreter zu gesellschaftlichen Prozessen öffentlich Stellung nehmen. Sie wird Zurückhaltung üben, wo der Rückbezug auf das Evangelium nicht deutlich und der Zusammenhang mit dem eigenen Handeln nicht exemplarisch erkennbar werden.“ Das dürfte diejenigen Mitglieder freuen, die Kirche vor allem in der Aufgabe wahrnehmen, für Glaube zuständig zu sein und sich zunehmend unwohl fühlen, wenn die politische Dimension in der Kirche im Vordergrund steht.

Zugespitzt formuliert Mathias Hofmeister: „Unsere Kirche braucht keine neuen Leitsätze. Unser ‚Leitsatz‘ ist Jesus Christus.“ (Mathias Hofmeister, Wiesbaden)

Konzentration auf den Glauben und die eigenen Mitglieder werden dabei nicht von allen positiv gesehen. Vor allem wenn es darum geht, Bildungsangebote auf Evangelische zuzuspitzen. Denn immerhin „wird die evangelische Kirche bei ihrem Bildungshandeln zukünftig stärker jene im Blick behalten, die sie unterstützen und sich ihr verbunden fühlen", so wird es in den 11 Leitsätzen formuliert.

In Bezug auf KiTa-Plätze wird das relevant: „Ich finde es absolut nicht in Ordnung, Plätze in einer evangelischen Kita nur evangelischen Kindern zur Verfügung zu stellen. Das widerspricht meinem christlichen Verständnis von Hilfe und Unterstützung für Menschen.“ (Prädikantin Ute Dollberger, Herbstein)
Welchen Auftrag für wen hat also Kirche? Ist es vor allem Auftrag der Kirche, Traditionsweitergabe zu ermöglichen und Glaubensgewissheit zu fördern oder allgemein und diakonisch alle Menschen zu unterstützen?

Ehrenamt fördern vs. Ehrenamt fordern

Wichtig in der Debatte ist nicht nur, für wen Kirche gestaltet wird – sondern auch von wem. Ehrenamt ist ein Top-Thema, wenn es um Kirche von Morgen geht. Ehrenamtliche sind der eigentliche Motor, das Herz und die konkrete Gestalt von Kirche vor Ort.

Laut Ina Wittmeier lohnt es sich, diesem Thema auf der Spur zu bleiben: „In Bezug auf das Ehrenamt wird hier ein veraltetes Bild gezeichnet. Die EA sollen doch als Lückenbüßer fungieren und hinter der Aussage flexiblere Zahlungen für die Mitarbeit steckt die Gefahr der Monetarisierung.“ (Ina Wittmeier, Ehrenamtsakademie der EKHN) Die Ehrenamtsakademie hat das Thema auf dem Schirm und man darf sich darauf freuen, dass von dieser Seite nachgelegt wird.

Und was ist jetzt zu tun?

Wenn Kirche für Morgen gestaltet werden soll, brauchen wir alle Mitglieder und alle Verbundenen. Vor allem braucht es die Arbeit und das Engagement der einzelnen Landeskirchen.

Die EKHN ist in diesem Prozess vorne mit dabei, denn: „Mir gefällt einiges an diesen Leitsätzen, es bedarf aber der Übersetzungsarbeit, wie schon mehrfach erwähnt wurde. Was ist denn nun konkret gemeint?“ (Pfarrer Johannes Kraus, Hattersheim)

Alle Interessierten können ganz einfach unter dem #KircheMorgen weiter auf facebook oder auch auf Twitter mitdiskutieren!

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