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Buchmesse 2013

Luther-Biograph Moritz Stetter im Interview

Moritz Stetter

Ein wollüstiger Papst, Dämonen, die unschuldige Reisende anfallen und viel Alkoholgenuß findet man im neuen Graphic Novel „Luther“ von Moritz Stetter. Nach „Bonhoeffer“ porträtiert er bereits zum zweiten Mal einen bekannten Protestanten. An Gott aber glaubt der Autor nicht. Wie er das mit seiner Arbeit zusammenbringt, erklärt er im Interview.

Vladimir Subbot

Der ausgebildete Zeichner Moritz Stetter hat sich nach „Bonhoeffer“ das Leben von „Luther“ vorgenommen und in einen Graphic Novel gepackt. Er selbst bevorzugt den Ausdruck Biographic für die Biografie in Comic-Form und bezeichnet sich selbst als Agnostiker. Grund genug, ihm ein paar Fragen zu stellen.

Sie haben die Biographien von Luther und Dietrich Bonhoeffer als Graphic Novel umgesetzt. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Der Verlag ist an mich herangetreten. Ich bin im Internet ziemlich aktiv und habe dort meine Arbeiten gezeigt. Eine Lektorin hat dann im Internet recherchiert und ist auf mich gestoßen.

Ich habe mich nach der Anfrage mit dem Thema beschäftigt und gesehen, dass ich auch für mich etwas damit anfangen kann. Es hat ja auch gesellschaftliche und politische Relevanz, dadurch habe ich mich schnell begeistern können. Der Verlag hat mir bei der Umsetzung große Freiheiten gelassen. 

Sehen Sie sich selbst als Zeichner oder als Autor?

Das würde ich nicht trennen. Ich habe bei beiden Bereichen einen gewissen Anspruch und möchte das möglichst professionell und ungewöhnlich machen.

Wie sind Sie darauf gekommen, Comic-Autor zu werden?

Ich zeichne schon seit ich denken kann Comics. Der klassische Anfang waren Sachen wie Asterix und Lucky Luke. Irgendwann habe ich aber gemerkt, dass man mit dieser Kombination aus Bild und Text auch andere Geschichten erzählen und erwachsenere Themen behandeln kann. Und dass man da völlige Freiheiten hat. Ganz frei von Einflüssen ist man natürlich nicht. Autoren wie Robert Crumb oder die französische Bewegung der letzten Jahre mit Autoren wie Joann Sfar haben mich schon beeinflusst.

Comics werden in Deutschland ja oft für Kinderbücher gehalten. Wer dürfte der typische Leser Ihrer Comics sein?

Ich hoffe, dass es möglichst breit gefächert ist. Ich möchte sowohl junge als auch ganz alte Menschen ansprechen und begeistern. Ich hoffe, dass es möglichst aufgeschlossene und unvoreingenommene Menschen sind. Der Verlag hat es eher für junge Leute lanciert. Ich glaube aber, dass die Leser eher in meinem Alter, so um die dreißig sind.

In Ihrem Erklärungsbedarf-Comic bezeichnen Sie sich selbst als Agnostiker. War es schwierig für Sie als bekennenden Agnostiker gleich zwei Bücher über christliche  Persönlichkeiten zu machen?

Gar nicht.  Ich finde nicht, dass es rein religiöse Themen sind, sondern sie gehen in beiden Fällen weit darüber hinaus und haben auch gesellschaftlich eine große Relevanz. Wie ich auch in dem Erklär-Comic schreibe, finde ich es wichtig, dass sich nicht nur religiöse und atheistische Menschen mit diesen Themen auseinandersetzen. Jeder hat sowohl das Recht und auch die Pflicht, sich mit diesen Themen zu beschäftigen, weil sie in unserer Kultur einen großen Einfluss haben. Und ich halte es für wichtig, dass man diese Themen aus verschiedenen Perspektiven betrachtet.

Der Luther-Comic endet mit Luthers Hetzreden gegen die Juden, im Nachgang zitieren Sie den Gauleiter Julius Streicher: „Wenn Martin Luther heute lebte, dann säße er hier an meiner Stelle als Angklagter.“ Warum?

Das wurde mir auch in einer Rezension vorgeworfen. Da hieß es, ich wolle Luther in eine Ecke stellen, was nicht meine Intention war. Ich fand es einfach interessant. Ich habe möglichst viele interessante Fakten gesammelt und diesen Satz von Julius Streicher fand ich einfach heftig. Ich würde niemals unterschreiben, was er gesagt hat und Luther als Prä-Nazi hinstellen.

Ich fand es einfach spannend, auch auf die Hetzreden einzugehen, weil es auch ein Aspekt von Luther war, den man auf keinen Fall verschweigen sollte. Wie die meisten Menschen im Alter etwas engstirniger werden, Dinge sagen, die sie in ihrer jüngeren Phase nicht gesagt haben. Man kann das auch anders sehen oder im Laufe des Buches zu einem anderen Schluss als Julius Streicher kommen. Hoffe ich.

Sie meinen, Sie haben sich um größtmögliche Objektivität bemüht?

Eine Biografie ist immer eine Auswahl. Man trifft immer noch Entscheidungen, was man wie zeigt. Völlige Objektivität ist natürlich unmöglich, aber es ist ein anderer Blickwinkel als wenn jemand anderes das Buch gemacht hätte.

Wie haben Sie sich vorbereitet?

Die Recherchephase hat fast ein Jahr gedauert. Ich habe möglichst viele Bücher gelesen, die auch hinten im Buch aufgelistet sind. Das Luther-Buch hatte noch einen großen Rattenschwanz, an den ich anfangs nicht gedacht hatte: Ich musste mich in die komplett andere Welt des Mittelalters einfühlen. Wie die Menschen damals dachten, was für Moralvorstellungen sie hatten. Ich hoffe, dass ich es geschafft habe und nicht zu sehr aus der heutigen Perspektive auf die Geschichte blicke. Ich bleibe schließlich komplett in der Sicht der damaligen Zeit und habe keine Erzählerstimme, zumindest keine allwissende aus der heutigen Zeit.

War das bei Bonhoeffer genauso?

Da musste ich mich weniger in die Welt einfühlen, da uns diese Zeit noch etwas näher ist und ich auch vorher schon viel über dies Zeit wusste. Wichtig war hier eher Sensibilität und die Frage, wie man mit dem Thema umgeht. Mir war schnell klar, dass ich kein Konzentrationslager wirklich zeigen möchte und die Schrecken und das Leiden dieser Zeit lieber symbolisch darstelle. Da den Weg zu finden, hat relativ viel Zeit gebraucht. Auch die Frage, wie ich Hitler darstelle, wenn ich ihn zeigen muss, war schwierig. Mir war wichtig, dass er nur ein Gewirr aus Stacheldraht ist und nicht als wirklicher Mensch, aber auch nicht als Monster oder als Fratze, sondern als nichtgreifbare Gestalt auftaucht.

Waren die Dämonen bei Luther eine ähnliche Herausforderung?

Bei Bonhoeffer ist das alles abstrakter, die Menschen sind uns auch näher und auch aufgeklärter. Im Mittelalter haben die Menschen Dämonen als real empfunden. Sie waren zwar nicht wirklich da, aber immer um sie herum. Gott war ihnen auch näher, glaube ich. Ich habe bei den Dämonen schnell gemerkt, dass man sie auch als Luthers innere Ängste darstellen kann. Gott taucht bei mir eher als Schatten auf.

Haben Sie keine Angst, von Anhängern der evangelischen Kirche kritisiert zu werden?

Was heißt Angst? Ich habe versucht, meinen eigenen Ansatz zu finden. Man kann ja nicht nur, weil man Angst davor hat, irgendwo anzuecken irgendwas machen, womit man nicht wirklich leben kann. Ich habe versucht, den Comic möglichst objektiv zu machen. So, wie ich es begreifen kann, dass jemand an Dämonen oder an ein göttliches Wesen glaubt, so habe ich es auch dargestellt. In der evangelischen Kirche herrscht ja auch eine Streitkultur, man geht die Dinge dort nicht so dogmatisch an. Ich komme ja auch aus einem evangelischen Background: Meine Mutter ist mit einem evangelischen Pfarrer verheiratet. Aus Gesprächen im Vorfeld wusste ich daher, dass dort eine gewisse Toleranz herrscht und dass man auch verschieden Sichtweisen zulässt.

Vielen Dank für das Interview.

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