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38 Grad in Deutschland

Megasommer oder Megakatastrophe?

Xurzon/istockphoto.com

Temperaturen jenseits der 35 Grad - und das schon seit Wochen. Was für die einen ein grandioser Sommer ist, bedroht andere in ihrer Existenz. Besonders die deutschen Bauern befürchten Rekordausfälle bei der Ernte. Deshalb fordern sie eine Milliarde Euro Unterstützung vom Bund. Kritiker sagen: Eine total unangemessene Summe.

„Eine Milliarde Euro wäre wünschenswert, um die Ausfälle auszugleichen“, sagt der Bauernverbands-Präsident Joachim Rukwied den Zeitungen der Funke Mediengruppe.  Unterstützt werden sollten Betriebe, deren Ertrag mehr als 30 Prozent unter dem Schnitt der letzten drei Jahre liege. Mit bis zu 60 Prozent Ertragsausfall bei vielen Bauern  rechnet sogar Werner Schwarz, Präsident des schleswig-holsteinischen Bauernverbandes im Deutschlandfunk. Einige Bauernfamilien stünden vor dem Ruin.

Regionale Unterschiede müssen beachtet werden

Die pauschale Forderung von einer Milliarde Euro sei aber nicht zu rechtfertigen, sagt dagegen Maren Heincke vom  Referat Ländlicher Raum des Zentrums Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.  „Zwar haben wir tatsächlich einen extremen Sommer und viele Bauern müssen mit hohen Ernteausfällen rechnen. Dennoch müssen wir genau schauen, um welche Regionen und Betriebe es geht“.  Die Ankündigung von Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner, zuerst die realen Ernteausfälle im August auszuwerten, unterstützt Heincke.

Tierhaltung besonders von Futtermangel betroffen

„Für eine sofortige Hilfszahlung müsste ja auch zuerst ein Schaden von nationalem Ausmaß ausgerufen werden, der den Bund zu solch einer Hilfszahlung berechtigt“, so Heincke. Die besonders extrem von der Dürre betroffenen Bundesländer in Ost- und Norddeutschland könnten hingegen bereits jetzt in ihrer Existenz gefährdete Landwirtschaftsbetriebe durch entsprechende Länderprogramme unterstützen. Das wäre wünschenswert zur Bekämpfung akuter Liquiditätsengpässe. Die durch die Trockenheit  finanziell besonders stark betroffenen Betriebe seien vor allem die Tierhaltungsbetriebe. Sie müssten jetzt teures Futtermittel zukaufen, damit die Tiere genug zu fressen haben. „Im Ackerbau hingegen gab es in der letzten Zeit auch gute Jahre – einfach jetzt eine Milliarde zu fordern, ist unangemessen“, sagt Heincke.

Ganz einfach sei die Situation aber dennoch nicht: Zum einen müsste man natürlich die Bauern an ihr unternehmerisches Risiko erinnern, zum anderen erfülle die Landwirtschaft mit ihren 16,8 Millionen Hektar Landwirtschaftsfläche  aber auch eine gesellschaftlich wichtige Funktion. „Stellen sie sich eine Woche ohne Brot in den Supermärkten vor“, so Heincke. Tatsächlich käme der Großteil der Grundnahrungsmittel aus deutscher Produktion,  und da sei schon eine gewisse Systemrelevanz der Landwirtschaft gegeben.

Landwirte sind Opfer und Täter zugleich

Mit Blick auf die immer häufiger werdenden Trockenperioden in den letzten 20 Jahren seien die Landwirte Opfer und Täter zugleich. „Einerseits sind die Landwirte ganz klar Opfer – sie haben jetzt den Schaden durch die Ernteausfälle. Die Landwirtschaft ist für die zunehmenden Wetterextreme aufgrund des Klimawandels besonders stark anfällig. Der Klimawandel wird hingegen durch eine Vielzahl an Wirtschaftssektoren wie Energieerzeugung, Mobilität etc. verursacht.
Andererseits befördert die Landwirtschaft besonders durch die Tierhaltung aber auch ca. 7 Prozent der klimaschädlichen Gase in die Atmosphäre, vor allem Methan und Lachgas. Das ist eine ähnliche Dimension wie die ganzen Industrieprozesse“, erklärt Heincke. Der dadurch mitausgelöste Klimawandel fördert dann wiederum wieder die extremen Trocken- oder Regenperioden.

Klimafreundlichere Landwirtschaft ist möglich

Das Dilemma aufzulösen, sei aber nicht unmöglich. Mittlerweile gebe es viele Methoden, um klimafreundlicher auf den Feldern zu wirtschaften. So könnte man heutzutage klimaschädliche Gülle auch direkt in den Boden einspritzen. So könnten kaum schädliche Gase entweichen. Zudem könnten Bauern Humus aufbauen, in dem Co2 aus der Luft gebunden wird. „Das alles sind natürlich kostenintensivere Methoden“, ergänzt Heincke. „Entscheidend ist, dass die gesamte Gesellschaft mehr gegen den Klimawandel unternimmt – z. B. weniger fliegt. Dieser Hitzesommer und die z. T. bedrohlichen Ernteausfälle sind erst die Vorboten noch größerer zukünftiger Wetterextreme. Die Themen Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln zu angemessenen Preisen sowie die Wertschätzung für die Arbeit der Bauern werden stark an  globaler Bedeutung gewinnen.“

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