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Kirchenpräsident Jung warnt davor, Wachstum zum Götzen zu machen

Neue Kriterien für die Wirtschaft nötig

Frankfurt, 15. September 2010. „Es ist nötig, eine Debatte über das Wachstum zu führen, denn die ausschließliche Orientierung der Wirtschaft an der Richtgröße Bruttoinlandsprodukt (BIP) reicht nicht aus.

Das ökonomische Wachstum muss in einem globalen, ökologischen und sozialen Horizont gesehen werden.“ Das hat Kirchenpräsident Dr. Volker Jung am Mittwoch bei der Jahrestagung des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer (AEU) in Frankfurt gefordert. Das Bruttoinlandsprodukt sei als Maßstab für Wirtschaftswachstum ungeeignet, da es Folgekosten wie etwa durch Umweltbelastungen und Ressourcenverbrauch nicht erfasse, außerdem nichts über die damit geschaffene Lebensqualität ausgesagt werde. So treibe jede Sondermülldeponie das BIP in die Höhe. Dafür würden andere wertschöpfende Leistungen wie Hausarbeit, Erziehung von Kindern, Pflege von Kranken und Alten nicht berücksichtigt. Als bessere Alternative bezeichnete Jung einen Katalog verschiedener Bemessungsgrundlagen, zu denen auch der Zustand des Ökosystems, das menschliche Wohlergehen und Generationsgerechtigkeit gehören müsse. Jung, der vor 130 evangelischen Unternehmern einen Vortrag zum Thema „Ist Wachstum ein Götze?“ hielt, bezeichnete eine entsprechende Regulierung der Wirtschafts- und Finanzmärkte in einer weltweiten demokratischen Struktur als „große Lern- und Gestaltungsaufgabe der Menschheit“.

Hinter der Fassade der konsumorientierten Hochgeschwindigkeitsgesellschaft

Nach Jungs Auffassung bedarf es einer „Umorientierung - auch in grundlegenden Lebenseinstellungen“. Dazu gehöre ein Wechsel vom „Prinzip Schneller - Höher - Weiter zum Prinzip Anders - Besser - Weniger“. Damit, sagte Jung, vertrete er keine neue Verzichtsethik sondern „eine Umorientierung an Lebensqualität, an sozialer Gerechtigkeit, an Teilhabe und damit letztlich auch an Sicherheit und Frieden“. Der Weg dahin sei nicht einfach. Aber „hinter der Fassade einer sehr individualisierten und konsumorientierten Hochgeschwindigkeitsgesellschaft gibt es eine Sehnsucht, sich in diese Richtung zu orientieren“. Die Kirche stehe mit ihrem Welt-, Menschen- und Gottesverständnis dafür ein, „dass sich diese Sehnsucht an Leit- und Hoffnungsbildern orientieren kann und Menschen ermutigt werden, auch das eigene Leben neu auszurichten“. Jung räumte ein, dass auch der Kirche eine solche Umorientierung nicht einfach falle, denn auch sie habe Anteil am Wirtschaftswachstum.

Wachstum nicht zum Götzen machen sondern gestalten

Das gegenwärtige Wirtschaftssystem sieht Jung in der Gefahr, Wachstum zum Götzen zu machen und „so etwas wie eine totale Heilserwartung mit dem Wachstum zu verknüpfen“. Das sei der Fall, „wenn Wachstum nicht mehr hinterfragbar wird, wenn alles Leben dem unterworfen wird“. Jung forderte, „Wachstum religiös und ökonomisch wieder in das Maß zu setzen, das ihm eigentlich eigen ist“. Wachstum sei ein ökonomischer Faktor, mit dem man rechnen müsse und das man gestalten könne. „Gott ist nicht wachstums- und wohlstandsfeindlich.“, betonte Jung. Nach der Bibel stehe der Mensch inmitten der Schöpfung unter dem Wachstumssegen Gottes. „Schöpfung ist nicht eine einmalige Setzung, sondern andauerndes Geschehen im Zusammenwirken von Gott und Mensch.“, sagte Jung wörtlich.

Kluft zwischen arm und reich nicht zu groß werden lassen

Dem Menschen werde als Mitarbeiter in der Schöpfung Verantwortung übertragen, sage Jung. Die Erde sei dem Menschen anvertraut und geliehen. Das finde in der Bibel praktischen Ausdruck darin, dass auch das Land, das man besitzt, als von Gott geliehen verstanden werde. Bereits in der Bibel gelte, dass „Eigentum verpflichtet“. Deshalb vertrete die Bibel das Sabbatjahr, um das Land zu schonen, und das Erlassjahr, um Verschuldung abzubauen, damit die Kluft zwischen arm und reich nicht zu groß werde. Vor diesem Hintergrund werde Wohlstand und Reichtum im biblischen Denken durchaus als besonderer Segen Gottes gewürdigt. Zugleich werde eindringlich auf die Gefahr hingewiesen wird, sich an Reichtum und Wohlstand zu verlieren.

gez. Stephan Krebs, Pressesprecher EKHN

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