Hilfe nach der Katastrophe
Notfallseelsorge-Pfarrer Heiko Ruff-Kapraun im HR-Interview zu Volkmarsen
© Notfallseelsorge im Main-Taunus-Kreis / fundus.ekhn.de
26.02.2020
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Von Rebecca Keller
Dazu wurde neben Gerichtsreporterin Heike Borufka auch Pfarrer Heiko Ruff-Kapraun, Leiter der Notfallseelsorge Darmstadt und Umgebung, live in der Sendung befragt.
Seelische Verletzung
HR-Moderatorin Selma Üsük fragte den Seelsorger, ob jeder, der das Unglück miterlebt habe, gleich ein Trauma habe. Ruff-Kapraun beschrieb die Wirkung vielmehr als „seelische Verletzung“ und „Schockreaktion“. Auch Kinder reagierten erst einmal so, dass sie es im ersten Augenblick nicht wahrhaben wollten, weinen, schreien, halten sich die Augen zu. Eltern empfahl der Theologe, ihren Kindern angesichts der Erlebnisse ein Gesprächsangebot zu machen, ihnen einen Gesprächsraum zur Verfügung zu stellen, für sie da zu sein, sich ihnen zuzuwenden, ihnen zuzuhören, ohne sie unmittelbar an die Ereignisse zu erinnern.
Befragt danach, was Menschen unmittelbar nach einer Katastrophe helfe, sagte Heiko Ruff-Kapraun: „Betroffene brauchen als erstes einen sicheren Raum, einen sicheren, verlässlichen Kontakt“, Menschen, die sie in ihrem unmittelbaren Erleben wahrnehmen. Da helfe etwa bei Zittern eine Berührung. Auch Tränen sollen fließen dürfen, denn „seelische Schmerzen sind wasserlöslich“. Vieles im Kontakt helfe.
Begriffe finden für das, was passiert ist
Für Betroffene in Volkmarsen ist ein Krisentelefon eingerichtet. Ob der Notfallseelsorger Menschen raten würde, dies in Anspruch zu nehmen? Große Not könne auch schon mal die Worte verschlagen, sagte Heiko Ruff-Kapraun, der seit fast 20 Jahren die Notfallseelsorge in Darmstadt und Umgebung leitet. Man sei in einer solchen Situation jedoch auch damit beschäftigt, „Begriffe zu finden für das, was passiert ist, und Ursachen zu erkennen“. Wie konnte es passieren, dass ein Autofahrer das Leben so vieler Menschen riskieren würde, fragten sich Betroffene, dazu brauche es im Kopf eine Erklärung, so Ruff-Kapraun. Hier sei es hilfreich, sich mit anderen darüber auszutauschen. Vielleicht könne auch helfen, eine demütige Haltung einzunehmen: „Es ist mit mir gemacht worden“, dies könne etwa in ein Gebet münden, indem man sagt: Ich bin froh, dass nicht noch mehr passiert ist, oder ich bin dankbar, dass meine Familie zusammenhält.
Am Abend findet/fand um 18 Uhr in Volkmarsen ein ökumenischer Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Marien statt. Den ganzen Tag über waren die Kirchen geöffnet.