60 Jahre im Dienst der Kirchenmusik
Organist Reinhard Sillus „verkündigt mit den Tasten“
© Michael Ränker
Organist Reinhard Sillus steht seit 60 Jahren im Dienst der Kirchenmusik - stellvertretende Dekanin Silke Bienhaus (l.) würdigte sein Orgelspiel jetzt als „eine Verkündigung mit den Tasten“. Unser Bild zeigt ihn gemeinsam mit seiner Frau Bärbel Andreas-Sillus.
17.11.2025
mr
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Seit nunmehr 60 Jahren spielt der Zwingenberger Reinhard Sillus als nebenberuflicher Kirchenmusiker in evangelischen Gemeinden der Region die Orgel. Dafür wurde er jetzt vom Evangelischen Dekanat Bergstraße und seiner Heimatkirchengemeinde im Gottesdienst zum Volkstrauertag gewürdigt – der Termin war gut gewählt: Den ersten Gottesdienst, den der im Jahre 1965 gerade einmal 15-Jährige Reinhard Sillus musikalisch begleitete, war ebenfalls ein Gottesdienst aus Anlass des Volkstrauertags. Seine erste Organistenstelle trat der Teenager in Bickenbach an und sein erster Einsatz im dortigen - vollen - Gotteshaus bleibt ihm bis heute unvergesslich. „Ich habe es überstanden“, sagt er rückblickend und schmunzelt.
Ausbildung mit strengen Lehrern
Angefangen hat alles, als er 13 Jahre alt war. Damals ermutigte ihn der Zwingenberger Pfarrer Adam Höfle, das Orgelspiel zu erlernen. Reinhard Sillus bildete sich fortan stets weiter – unter anderem beim Kantor der Darmstädter Pauluskirche, Erich Fischer, und beim Leiter des Darmstädter Bachchores, Horst Gehann. Seinen Erfolg verdanke er vor allem seinen Mentoren. „Nur bei strengen Lehrern kann man etwas lernen“, erzählt er. Er habe deren hohen Maßstab irgendwann auf sich selbst übertragen – eine Haltung, die ihm half, die C-Prüfung als kirchenmusikalische Ausbildung erfolgreich abzuschließen.
Stationen eines Musikerlebens
Von 1967 bis 1975 spielte Sillus in der evangelischen Gemeinde Alsbach; anschließend bis 1992 erneut in Bickenbach. Seit 1992 ist er Organist in seiner Heimatgemeinde Zwingenberg. Im Hauptberuf arbeitete er bis zu seinem Ruhestand beim Amtsgericht in Darmstadt. „Mir hat irgendwie der Mut gefehlt, hauptberuflich als Organist zu arbeiten“, sagt er offen. Die Verbundenheit zu seiner Heimatkirche spielt für ihn eine große Rolle. Als Kind habe er die Kirche in Zwingenberg selbst besucht und sei dort konfirmiert worden. Deshalb bestehe „eine besondere emotionale Verbindung“, betont er.
Ein Gottesgeschenk
Ohne Orgel würde ihm etwas Entscheidendes fehlen. „Es war ein Gottesgeschenk, dass ich das lernen durfte“, sagt er. Viele Gottesdienste gestaltet Sillus gemeinsam mit seiner Frau, der Prädikantin Bärbel Andreas-Sillus. Die Monate, in denen die Bergkirche für die Renovierung geschlossen war und er im Gemeindehaus auf ein Klavier ausweichen musste, beschreibt er als „schwere Zeit“. „Das ist nicht mein Instrument“, räumt er ein.
Man lernt eben nie aus
Auf die Frage nach seinem Lieblingskomponisten kommt die Antwort ohne Zögern: Bach. „Da geht nichts darüber“, sagt Sillus. Jeden Gottesdienst empfinde er als kleines Konzert und jedes Konzert als eine Art Verkündigung. Trotz seiner Erfahrung spürt er bis heute die Herausforderung des Orgelspiels. „Man lernt eben nie aus“, sagt er. Es sei wichtig, offen für Neues zu bleiben und nicht nur ein festgefahrenes Programm abzuspulen. Deshalb habe er „noch lange Zeit Unterricht genommen“, selbst als er schon längst Organist war.
Ein Amt, das trägt
Auch nach Jahrzehnten bleibt Sillus der Zwingenberger Orgel treu. „Man ist oft auch der Beschenkte, ich bekomme sehr viel zurück“, sagt er. An Aufhören denkt er nur, wenn die Qualität nicht mehr stimmen sollte: „Solange ich kann, möchte ich spielen. Wenn ich es nur noch mäßig kann, höre ich auf, öffentlich zu spielen.“ Dass sich die Kirche in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert hat, hat er hautnah erlebt. Als er als kleiner Junge begann, sei es selbstverständlich gewesen, einer Kirche anzugehören. Heute sei vieles anders – „es ist eben eine andere Zeit“, sagt er nachdenklich.
Musik, die nicht nur Räume füllt
Pfarrerin Silke Bienhaus, stellvertretende Dekanin des Evangelischen Dekanats Bergstraße und unter anderem zuständig für den Bereich Kirchenmusik, dankte dem Jubilar für dessen außergewöhnliches Engagement mit einem sehr persönlichen Grußwort, in dem sie das Lebenswerk des Kirchenmusikers in den Mittelpunkt stellte. Sie würdigte Sillus als einen Organisten, der beim Spielen „sich selbst und die Menschen um sich herum vergisst und ganz in Gottes Gegenwart aufgeht“. Sein Orgelspiel sei „eine Verkündigung mit den Tasten“ – Musik, die nicht nur Räume füllt, sondern „tief in die Menschen hineingeht“. Seit sechs Jahrzehnten gestaltet Sillus auf diese Weise Gottesdienste, Festtage und besondere liturgische Momente. Seine Musik sei, so Bienhaus, ein Gottesgeschenk – für ihn selbst wie für die Gemeinden, die er begleitet.
Besondere Gabe
Silke Bienhaus erinnerte mit Blick auf den Volkstrauertags-Gottesdienst vor 60 Jahren daran, wie prägend dieser geschichtliche Kontext gewesen sein muss: Nur zwanzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs saßen in der Kirche Menschen, die den Krieg unmittelbar erfahren hatten. Der Volkstrauertag sei „damals noch ganz anders mit Emotionen besetzt gewesen als heute“. Inmitten dieser beklemmenden Atmosphäre habe ein junger Organist, der selbst nach dem Krieg geboren wurde, die Gemeinde musikalisch begleitet – und damit bereits früh seine besondere Gabe unter Beweis gestellt.
Ein ganz, ganz großes Danke
Dieses Gottesgeschenk, das Sillus damals empfing – das Orgelspiel erlernen und in den Dienst der Kirche stellen zu dürfen –, sei heute ein Geschenk an die Gemeinden, die er seit sechs Jahrzehnten mit seiner Musik bereichert. „Für uns ist es ein Gottesgeschenk, dass Sie für uns die Gottesdienste musikalisch gestalten“, sagte Bienhaus in ihrem Grußwort. „Dafür sage ich Danke – ein ganz, ganz großes Dank!“ Diesem Dank schloss sich auch Kirchenvorstandsvorsitzende Claudia Willbrand für die Heimatgemeinde an.
Zahlreiche Gratulanten reihten sich ein, darunter viele Pfarrpersonen: Die Emeriti Bernhard Dienst (Zwingenberg), Klaus-Willi Schmidt (Bickenbach) oder Hans-Peter Rabenau (Jugenheim) sowie die amtierende stellvertretende Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf (ehemals Pfarrerin in Zwingenberg sowie in Alsbach).






