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Afghanistan

PRO ASYL und Landesflüchtlingsräte fordern Abschiebungsstopp für Afghanistan

Jagusch

PRO ASYL und die Flüchtlingsräte der Länder fordern die Bundesregierung auf, jegliche weitere direkte oder indirekte Gespräche mit der afghanischen Regierung sofort einzustellen und einen förmlichen Abschiebungsstopp für das Land Afghanistan zu verhängen.

Obwohl in Afghanistan die Taliban seit fast vier Jahren mit eiserner Hand ihre eigene Bevölkerung unterdrücken, will die deutsche Bundesregierung den Kontakt zu ihnen suchen, um Abschiebungen in das Land zu ermöglichen.

Flüchtlingsrat: Keine Zusammenarbeit mit Verbrecherregimen!

„Die Europäische Menschenrechtskonvention sichert allen Menschen, die sich in Europa aufhalten, das Recht auf eine menschenwürdige Behandlung zu. Niemand darf in ein Land abgeschoben werden, deren oberste Repräsentanten wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IstGH) angeklagt sind. Jeglicher Kontakt mit den Taliban ist für sie ein weiterer Schritt in Richtung internationale Anerkennung“, mahnte Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen.

„Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs wirft ein Schlaglicht darauf, was in Afghanistan täglich passiert und was die Bundesregierung ignorieren will: Schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Abschiebungen in ein Land, in dem Frauen aus der Öffentlichkeit verbannt sind und in dem es zu öffentlichen Auspeitschungen und Hinrichtungen kommt, sind eindeutig völkerrechtswidrig“, so Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.

Allein in Hessen acht Afghanen in Abschiebungshaft

 In Hessen sitzen nach Informationen des Hessischen Flüchtlingsrates derzeit bis zu acht Afghanen in Abschiebungshaft, die für einen kommenden Sammelcharter vorgesehen sind. Schon im letzten August, als noch unter der Ampel-Regierung erstmals seit der Machtübernahme der Taliban 28 Personen nach Afghanistan abgeschoben wurden, beteiligte sich Hessen mit 6 Abzuschiebenden deutlich überdurchschnittlich an der Maßnahme.
 
Das Anbiedern an das verbrecherische Taliban-Regime auch von Seiten der Hessischen Landesregierung ist mehr als bedenklich. Wir fordern die hessische Landesregierung auf, sich nicht an derartigen fragwürdigen Aktionen zu beteiligen“, erklärte Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Hessischen Flüchtlingsrates.
 
Eine Annäherung an die Taliban ist jedoch nicht nur in Bezug auf Abschiebungen erkennbar: In der letzten Zeit passiert es immer wieder, dass Afghan:innen ihre vormals ausgestellten Ersatzpässe nicht verlängert bekommen und darauf verwiesen werden, dass sie sich ja jetzt beim Konsulat in München von den Taliban anerkannte Pässe ausstellen lassen könnten (was in der Praxis meist trotzdem nicht funktioniert). „Hier wird ohne Not das Leben unzähliger Menschen erschwert und der Umgang mit den Taliban Schritt für Schritt normalisiert“, monierte Scherenberg das Verhalten hessischer Behörden.
 
Hintergrund

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag hat am 08.07.2025 Haftbefehle gegen Taliban-Chef Hebatullah Achundsada und den Obersten Richter und Justizminister des Regimes, Abdul Hakim Hakkani, erlassen. Es lägen „hinreichende Verdachtsmomente“ vor, dass beide persönlich für „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ in Afghanistan verantwortlich seien.
 
Nicht erst die Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshof trugen der Gewaltherrschaft der Taliban Rechnung, auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 04.10.2024 bestätigte, dass die Taliban Frauen* systematisch verfolgen – ihre Situation hat sich seither nicht verbessert, sondern weiter verschlechtert. Es darf auf keinen Fall eine konsularische oder diplomatische Anerkennung für die Taliban geben, auch nicht, um Straftäter*innen abzuschieben.
 
Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen, Abschiebungen nach Afghanistan – beginnend mit Straftätern – forcieren zu wollen. Abschiebungen nach Afghanistan würden jedoch gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung) verstoßen. Das Folterverbot ist absolut und umfasst auch Straftäter*innen (siehe hier für weitere Ausführungen).
 
Nach derzeit vorliegenden Informationen plant die Bundesregierung erneut eine Abschiebung in Zusammenarbeit mit den Behörden in Katar. Bundesinnenminister Dobrindt fordert gar direkte Verhandlungen mit den Taliban. Aber auch eine über Bande organisierte Abschiebung ist nicht ohne Kooperation mit dem islamistischen Regime der Taliban möglich.
 
Afghanistan ist überdies von Armut, Hunger und Vertreibung gezeichnet. 2024 benötigten laut UN fast 24 Mio. Menschen humanitäre Hilfe. 12 Mio. waren von Ernährungsunsicherheit betroffen, fast 3 Mio. Kinder unterernährt (Amnesty Report 2024/25). Aufgrund der Einstellung amerikanischer Hilfsgelder sind viele Hilfsprogramme in Afghanistan drastisch unterfinanziert, zum Beispiel müssen hunderte Gesundheitsklinken schließen. Die humanitäre Katastrophe droht sich noch auszuweiten, da Pakistan und Iran im vergangenen Jahr ca. 1.5 Millionen Menschen nach Afghanistan abgeschoben haben und auch aktuell verstärkt abschieben.

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