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Zentrale Feier in Wiesbaden mit viel Prominenz

Reformationstag: „Luther wollte Wahrhaftigkeit“

EKD/Cover des Themenheftes "Reformation und Politik"Lutherjahr "Reformation und Politik"Lutherjahr "Reformation und Politik"

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau hat den Reformationstag gefeiert und das neue Themenjahr „Reformation und Politik“ eingeläutet. In seinem Gastvortrag forderte der Filmproduzent Nico Hofmann in der Wiesbadener Lutherkirche mehr „Wahrhaftigkeit“. Und Kirchenpräsident Volker Jung verlangte von Verantwortlichen in Gesellschaft, Politik und Kirche mehr „Demut“.

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EKHN/Roger TöpelmannFeier zum Reformationstag 2013 mit (v.r.) Präses Ulrich Oelschläger, Kirchenpräsident Volker Jung, Gastreferent Nico Hofmann, der stellvertretenden Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf und Propst SigurdFeier zum Reformationstag 2013 mit (v.l.) Präses Ulrich Oelschläger, Kirchenpräsident Volker Jung, Gastreferent Nico Hofmann, der stellvertretenden Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf und Propst Sigurd Rink. MEHR FOTOS AM ENDE DES ARTIKELS.

Wiesbaden / Darmstadt 31. Oktober 2013. Der Berliner Filmproduzent Nico Hofmann hat am Donnerstagabend (31. Oktober) in Wiesbaden auf die besondere Rolle der Medien bei der Aufarbeitung der Geschichte hingewiesen. Vor allem Filme könnten dazu beitragen, Vergangenes in Erinnerung zu rufen und dabei helfen, Verdrängtes ins Gespräch zu bringen, sagte der sechsmalige Gewinner des Deutschen Fernsehpreises bei der zentralen Reformationsfeier der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in der Wiesbadener Lutherkirche. Die Veranstaltung bildete auch den Auftakt zum Themenjahr „Reformation und Politik“, das die evangelische Kirche für 2014 ausgerufen hat. In diesem Zusammenhang thematisierte Hofmann unter anderem die Reaktionen auf den Zweiteiler „Die Flucht“ mit Maria Furtwängler in der Hauptrolle, der als erster großer deutscher Film den Exodus der Bevölkerung aus dem deutschen Osten Anfang 1945 erzählte. Viele Menschen hätten dadurch am Fernsehschirm noch einmal „die fürchterlichen Ängste und Schrecken jener Tage“ erlebt und danach zum ersten Mal über ihre schrecklichen Erlebnisse sprechen können und damit begonnen, sie zu bewältigen.

Filmproduzent Nico Hofmann: Neue Wahrhaftigkeit gefragt

So kann Schuld nach Hofmann nie „rein didaktisch abgearbeitet“ werden. Dies gelänge nur emotional und psychologisch. Als Beispiel nannte Hofmann die Wirkungen seines Fernseh-Dreiteilers „Unsere Mütter, unsere Väter“, ein „Film über den Krieg, über das Töten oder getötet werden und über Schuld“. „Unsere Mütter, unsere Väter“ habe in vielen deutschen Familien „einen Bann gebrochen“. Die verdrängten Kriegserlebnisse seien so zum Teil erstmals benannt worden. In Polen habe „Unsere Mütter, unsere Väter“ eine große Debatte über die Rolle des Widerstands und die Folgen des Antisemitismus ausgelöst. Ein Ziel seiner Produktionen sei es auch, zu einer neuen „Wahrhaftigkeit“ zu kommen, sagte Hofmann. Er bezeichnete die Wahrhaftigkeit dabei als religiöse Kategorie, nach der beispielsweise auch Martin Luther gestrebt habe. In seinen Bibelübersetzungen sei es ihm immer um eine authentische Übertragung der alten Schrift gegangen. „Es ging Luther um die Wahrhaftigkeit der Überlieferung“, so Hofmann.

Kirchenpräsident Volker Jung: Mehr Demut ist nötig

Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Dr. Volker Jung,  hat in seiner Predigt bei der Reformationsfeier in Wiesbaden Verantwortliche aus Politik, Kirche und Gesellschaft zu mehr Demut ermahnt. Es sei nötig, dass Menschen ihre Grenzen und ihre Schuld erkennen und dazu stehen. Dies sei der Sinn der biblischen Aufforderung, sich Gott gegenüber demütig zu verhalten. Demut dürfe aber nicht mit Erniedrigung verwechselt werden. Im Gegenteil: Menschen sollten „sich aufrichten, um von Gott immer wieder neu Kraft und Orientierung zu empfangen“, so Jung. Diese Demut sei insbesondere für alle wichtig, denen Macht anvertraut sei „in der Familie, im Unternehmen, in der Wissenschaft, in den Medien, in der Kirche in der Politik“, so Jung.

Flüchtlinge besser schützen

In seiner Predigt forderte Jung auch, sich stärker für Flüchtlinge einzusetzen. „Es ist für mich unerträglich, wenn wir uns in Europa auf unsere jüdisch-christliche Werteorientierung berufen und gleichzeitig Flüchtlinge zu Tausenden im Mittelmeer ertrinken“, sagte Jung. Die biblischen Überlieferungen riefen dazu auf, Menschen mit Barmherzigkeit und Liebe zu begegnen. Das gelte in besonderer Weise für Schwache und Schutzbedürftige.

Nach Recht und Gerechtigkeit fragen

Wichtig ist nach Jung auch eine Orientierung an den Geboten Gottes, die für eine gerechte Gesellschaft sorgen sollten. Sie forderten bis heute dazu heraus, immer wieder neu nach Recht und Gerechtigkeit zu fragen. Als Beispiel nannte der Kirchenpräsident die Debatte um die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Seiner Ansicht nach ist es in den Kirchen „ein guter Weg, homosexuellen Menschen den Weg zu öffnen, dass sie verlässlich in eigetragener und gesegneter Partnerschaft miteinander leben können.“  Der Kirchenpräsident hatte Verse aus dem biblischen Buch des Propheten Micha zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen gemacht. Darin heißt es unter anderem im sechsten Kapitel: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“

Bei der Reformationsfeier viele Mitwirkende und Gäste

Neben Kirchenpräsident Jung gestalteten unter anderem der Propst für Süd-Nassau, Dr. Sigurd Rink, Pfarrerin Ursula Kuhn und Kirchenvorstandsmitglied Sabine Bensberg den Gottesdienst in der Lutherkirche. Darüber hinaus wirkte der bisherige katholische Stadtdekan Wiesbadens Wolfgang Rösch mit, der vor wenigen Tagen zum Generalvikar des Bistums Limburg ernannt wurde. Musikalisch gestalteten der Bachchor und das Bachorchester Wiesbaden unter Leitung von Jörg Endebrock die Feier. Unter den rund 600 Gästen aus Politik und Gesellschaft befanden sich unter anderem die Hessische Kultusministerin Nicola Beer sowie der Rheinland-Pfälzische Finanzminister Carsten Kühl.

Hintergrund: Nico Hofmann

Nico Hofmann produzierte unter anderem den ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ über die Zeit des Zweiten Weltkrieges oder die Verfilmung des Erfolgsromans „Der Turm“, der sich mit der Geschichte der DDR auseinandersetzt. Derzeit arbeitet der Berliner Produzent an einem Doku-Drama über den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff mit dem Titel „Der Rücktritt“. Gleichzeitig hat er mit Überlegungen zu einem Projekt über den Reformator Martin Luther begonnen. Neben zahlreichen Fernsehpreisen erhielt der Geschäftsführer der Filmproduktionsfirma „Ufa-Fiction“ unter anderem auch zweimal den BAMBI sowie die Goldenen Kamera. Der 1959 in Heidelberg geborene Filmemacher wurde für seine künstlerischen Leistungen darüber hinaus zweimal mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet. 2009 erhielt er die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg. In diesem Jahr wurde er mit dem Eyes & Ears Excellence Award ausgezeichnet. Hofmann wurde zuletzt außerdem zum neuen Intendanten der Wormser Nibelungen-Festspiele berufen. Seit 1995 lehrt er auch als Professor am Fachbereich „Szenischer Film“ an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg, den er selbst mit aufbaute. 

Hintergrund: Reformationsfeier

Am 31. Oktober erinnern Protestanten in aller Welt an den Beginn der Reformation durch Martin Luther und die Gründung der evangelischen Kirche vor fast 500 Jahren. Zum 19. Mal veranstaltet die EKHN einen Festakt am Reformationstag. Bei der Feier blickt eine bekannte Persönlichkeit mit ihrer besonderen Sicht auf das protestantische Profil in der Gesellschaft. Bislang zählten unter anderem der frühere DDR-Ministerpräsident Lothar de Mazière, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich oder die ZDF-Journalistin Gundula Gause zu den Referenten.

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