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Poetry Slam des Evangelischen Dekanats sorgt für vollen Bananenkeller und ruft nach Wiederholung

Sommertage, Kindheitsdramen, magische Momente und Dada

Bis auf den letzten Platz gefüllt war am vergangenen Samstagabend der Bananenkeller in Alsfeld. Mit einem Poetry Slam, gefördert vom Bundesprojekt „Demokratie leben“, hatte sich das Evangelische Dekanat Vogelsberg an den „Kellerwundern“ beteiligt und viele Menschen aus Nah und Fern in einen der interessantesten Keller der Stadt gelockt.

 Dessen Vorraum, zu erreichen über einen kleinen Tunnel, war wie gemacht für Kunst und Poesie, für Dichtung und Wahrheit, für Lachen und auch für Weinen.

Traudi Schlitt, gemeinsam mit Maria Hoyer für die Organisation der Veranstaltung im Dekanat verantwortlich, begrüßte die zahlreichen Gäste sowie die Künstlerinnen und Künstler, die sich unter der Leitung von Slam-Masterin Stella Jantosca im Bananenkeller eingefunden hatten. Sie kamen aus fast allen Teilen Hessens und hatten für ihr Alsfelder Publikum wunderbare und sehr unterschiedliche Texte und Gedichte mitgebracht. Ein Poetry Slam ist ein Wettbewerb, in dem Schreiberinnen und Schreiber freundschaftlich gegeneinander antreten und das Publikum durch Klatschen oder Wertungstafeln den Sieger ermittelt.

Nachdem Stella Jantosca den noch nicht ganz so Slam-erfahrenen Gästen die Modalitäten eines Slams erklärt hatte, stieg als Erster Sven Timpe aus Frankfurt in den imaginären Ring. Er beschrieb seinen perfekten Sommertag, witzig, abgründig, mit einer ziemlichen Prise Melancholie, etwa, wenn er die Summertime Sadness der Winterdepression vorzog.

Seine Gegnerin in den Eins-zu-Eins-Duellen der Vorrunde war Annika Hempel aus Witzenhausen. In Reimform und mit einem wunderbaren Poetry-Rhythmus sprach sie über das Erwachsenwerden: Von ihren persönlichen Gedanken zu ihren 27 Lebensjahren, von Verbundenheit und Verzweiflung, von Stützrädern und Fallstricken. Beide Poeten bedachte das Publikum mit viel Applaus – sprach sich aber für Annika Hempel aus.

Ihren ersten Poetry Slam überhaupt bestritt Flo aus Limburg. Sie berichtete von Erfahrungen an der REWE-Kasse, wenn man sich klein fühlt, ein Mensch, der allen auffällt und alle aufhält - als „größter Nichtsnutz der Welt.“ Ein nachdenklicher Text, der wie die meisten anderen viel Spielraum bot, über eigene vermeintliche Fehler nachzudenken, einer auch, der Lebenswelten und Empfindungen junger Menschen offenlegte. Das Publikum war sehr berührt.

Ebenfalls aus Limburg stammend, ist Kaddy Kupfer schon lange auf Poetry Slams unterwegs. Grundstein für ihre Lust am Vorlesen sei ihre Aktivität als Freizeitbetreuerin bei der Hessischen Turnjugend gewesen – in Alsfeld. Sie fing das Alsfelder Lebensgefühl (und nicht nur das Alsfelder, sondern das grundsätzliche Lebensgefühl auf dem Land) in ihrem Gedicht „Dorfstsadtkinder“ ein. Mit einer warmen Stimme und einer sehr einnehmenden Betonung berichtete sie von dem Freiheitsdrang, der junge Menschen aus dem Dorf wegzieht, nur um zu merken, dass die große Freiheit der Städte einsam macht, dass man auf der Suche nach dem „Puzzleteil seiner Seele“ bleibt. Ihr Fazit: „Im Dorf bist du wer gewesen, in der Stadt musst du irgendwer sein.“ Wie im ersten Durchgang fiel dem Publikum die Wertung schwer, doch schließlich zog Kaddy Kupfer ins Finale.

Mit Fatih Serbest und Gax Axel Gundlach zogen zwei grundverschiedene Männer ins dritte Duell der Vorrunde: Melancholisch und persönlich angefasst ging Fatih Serbest aus Mainz der Frage nach, wo die eigenen Grenzen sind und wer diese vorgibt. Gibt sie jemand vor? Muss man sie sich setzten lassen? Was macht es mit einem, wenn man immer nur tut, was erwartet wird, aber nie das tun kann, was man will? „Du setzt deine Grenzen und nicht das Grenzgespenst“, resümierte Fatih Serbest und hatte mit seinen erklärtermaßen ganz persönlichen Erfahrungen die Menschen im Keller mitgenommen.

Ganz anders war der Auftritt des Künstlers Gax Axel Gundlach. Der Frankfurter hatte in schönstem Südhessisch den Dialog von Faust und Mephisto verfremdet: Nicht klug wolle man heute werden, sondern möglichst dumm, lautete die Message, die witzig, wortgewandt, blitzschnell und durchaus schlüssig auf das Publikum niederging. „Dumm macht glücklich“, fand nicht nur „Mephidiotels“, sondern wurde von Gax Axel Gundlach eindrücklich bewiesen. Mit diesem Gedicht voller Hintersinn und Sprachwitz entschied er das Duell für sich und trat nach der Pause im Finale gegen Annika Hempel und Kaddy Kupfer an.

Über die Wunder der positiven Psychologie sprach Annika Hempel in wunderbaren Wortbildern. Ein Weg zum Glücklichsein sei, drei Menschen am Tag mit Dankbarkeit zu begegnen, ließ sie die Menschen im Bananenkeller wissen, die zu diesem Zeitpunkt bereits allen Mitwirkenden mehr als dankbar waren für die Inspirationen und den Input, die kreativen Wortschöpfungen, die Offenheit, die Freude am Fabulieren.

„Ich bin der Moment“ – Mit diesem Text nahm Kaddy Kupfer die Zuhörer mit ein die kleinste Zeiteinheit, das „Zischen zwischen den Zeigern der Zeit“, der alle „Empfindungen schenkt, ohne selbst beachtet zu werden“. Eine Ode an die vielleicht wichtigste Zeiteinheit im Leben.

Mit einer Ode an einen toten Gegenstand in Form eines dadaistischen Gedichts begeisterte zum Schluss Gax Axel Gundlach noch einmal das Publikum. In unnachahmlicher und unbeschreiblicher Art und Weise sezierte er die Unbilden und Zumutungen einer Straßenlaterne.

Die Wahl fiel dem Publikum schwer – und endete mit einem Doppelsieg zweier ganz unterschiedlicher Texte und Künstler: Kaddy Kupfer und Gax Axel Gundlach durften sich die die beiden Bananen mitnehmen, die Kellerbesitzerin Silvia Grahmann-Gerhardt überreichte. Zur Freude der Gäste, die unisono bekanntgaben, dass dies nicht der letzte Poetry Slam gewesen seid durfte.

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