Sonntagswort: „Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen“
29.05.2022
ahrt
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Mann, was war sie zornig! Sie fühlte sich, als würde sie gleich in die Luft gehen. Am liebsten hätte sie ihre ganze Wut einfach herausgeschrien. Ganz bewusst hatte er sie provoziert, immer wieder gestichelt. - Zorn ist ein Gefühl, das zum Menschsein dazu gehört. Im Epheserbrief heißt es aber: „Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.“ (Eph 4, 26) Klar: Wer vom Zorn übermannt wird, gerät in Gefahr, die Kontrolle über sich und sein Handeln zu verlieren. Zorn ist kein guter Ratgeber. Manche Freundschaft würde heute noch bestehen, manche Ehe wäre nicht zerbrochen, manch gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Völkern hätte verhindert werden können, wäre man in der Lage gewesen, den Zorn im Zaum zu halten.
Und doch wissen wir: Eine Unterdrückung und Verinnerlichung von Wut und Zorngefühlen kann auf die Dauer nicht hilfreich sein. Der Bibelvers sagt deshalb auch nicht: Zürnt nicht! Sondern: „Zürnt ihr, so sündigt nicht.“ Zorn wird hier also geradezu als Möglichkeit menschlichen Ausdrucks vorausgesetzt. In bestimmten Situationen ist er einfach eine Realität. Aber wenn du zornig bist, dann sündige nicht! Sünde ist das, was uns von Gott trennt. Wir sündigen dort, wo wir die Brücke einreißen zur Quelle des Lebens.
Darum fordert uns der Epheserbrief dazu auf, uns in unserem Zorn nicht von Gott abzuwenden. Auch in den Situationen des Lebens, wo einem die Galle überläuft, ist Gott mir nicht ferne. Gott ist da keine abstrakte himmlische Größe, sondern er begegnet mir vielleicht gerade in meinem Gegenüber, der oder die mich bis ins Innerste herausfordert, überfordert und mich erzürnt.
Trotz meines Zorns hilft es, mich von dieser Person nicht vollständig abzuwenden, nicht die Brücken abzureißen, sondern nach dem reinigenden Gewitter zu versuchen, neue Brücken zu bauen; ganz im Sinne des letzten Teiles dieses biblischen Wortes: „Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.“