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Sonntagswort: Mission - das ist gemeinsam lernen

Pfarrer Uwe Wießner erzählt aus seinem Alltag bei der JVA Rockenberg/JVA Limburg.

„Na, warst du wieder die Knackies missionieren?“ begrüßt mich mein Nachbar flapsig, als ich abends nach Hause zurückkomme. „Ich hab‘s versucht“, antworte ich gut gelaunt, „aber bei denen geht es mir wie bei dir!“  Wir beide grinsen.

An diesem Sonntag steht der sogenannte „Tauf- und Missionsbefehl“ aus Matthäus 28, 18-20, im Zentrum des Nachdenkens. Es gibt wenige Worte, die mit so negativen Assoziationen belastet sind wie das Wort Mission. Sofort kommen mir die Bilder in den Sinn, wie Konquistadoren in alle Welt aufbrachen, um den „wahren Glauben“ unter den „Heiden“ mit Feuer und Schwert zu verbreiten. Oder die Kreuzfahrer, die mit ihrem „Gott will es“ ein Bild vom Christentum verbreiteten, das bis heute nachwirkt.

Mission, das ist auch der selbstlose Einsatz von vielen Menschen, um Not zu lindern und Hilfe weiterzutragen. Fast alle berufen sich dabei auf das Matthäus-Evangelium. „Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker“, steht es in älteren Übersetzungen. Doch trifft diese Übersetzung den Kern der Aussage, die uns von Jesus überliefert ist?

Ein Blick in den griechischen Urtext hilft hier, klärt auf und bringt ein Aha-Erlebnis. „Mathäteusate“ steht dort als zentrales Wort. Ein griechischer Begriff, für den es keine direkte Übersetzung gibt.

Man könnte es am besten mit „verschülern“ übersetzen, denn „Mathätis“ ist der Schüler, die Schülerin. Und wichtig zu wissen ist, dass in der Antike Schüler und Lehrer in Lebensgemeinschaften gemeinsam lernten. Der Dialog, das Beobachten, das Diskutieren und Weiterentwickeln von Ideen und Thesen standen im Mittelpunkt.

Man hörte aufeinander, ergänzte sich und suchte gemeinsam nach mehr Wissen. Schulen der Theorien entstanden. Nicht das Hören und Wiederholen, sondern die Weiterentwicklung war das Ziel. Und dazu hatte jeder/jede etwas beizutragen.

Der Begriff „Jünger“ erweckt sofort die Assoziation, dass es hier um Nachfolge geht. „Zu Jüngern machen“ bringt uns sofort zu der Idee, dass es darum geht, Kirchenmitglieder zu rekrutieren. Den „armen Heiden“ beizubringen, was der „wahre Glaube“ ist, und das im Namen des Herrn. Mir gefällt als Übersetzung und Kunstwort „verschülern“ viel besser. Lebenslang von und mit anderen zu lernen, drückt das nicht viel besser die Botschaft des Jesus von Nazareth aus?

In diesem Sinne bin ich auf Mission, im Auftrag, unterwegs. Nicht als ein Belehrender, der alles weiß, sondern als Suchender, Fragender, Forschender, der zusammen mit den mir Begegnenden nach Erklärungen und Lösungen sucht. Dabei habe ich erfahren, dass gerade in der internationalen kleinen Welt eines Gefängnisses, einem Krisenort, es viele Dinge zu lernen gibt. Viele dieser Lebenskonzepte und Lösungen sind mir fremd. Aber gerade dadurch bereichernd und herausfordernd.

Matthäus 28,18-20   nach:  BIBEL in gerechter Sprache
Jesus trat heran und sprach zu ihnen: “Gott hat mir alle Macht im Himmel und auf der Erde gegeben. Macht euch auf den Weg und lasst alle Völker mitlernen. Taucht sie ein in den Namen Gottes, Vater und Mutter für alle, des Sohnes und der heiligen Geistkraft. Und lehrt sie, alles, was ich euch aufgetragen habe, zu tun. Und seht: Ich bin alle Tage bei euch, bis Zeit und Welt vollendet sind“.

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