Auszeichnung für Moderatorin
Star Sonya Kraus: Zwischen Lippenstift und Chaos im Kopf
Evangelische Frauen in Hessen und Nassau
14.10.2022
red
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Sie bewundert Frauen, die im Leben etwas riskieren, die rebellisch und gleichzeitig auch zart und empfindsam sind. Die Moderatorin, Schauspielerin und Autorin Sonya Kraus ist eine starke Frau. Sie hat schon 1998 im Fernsehen das „Glücksrad“ gedreht und offensichtlich viel Schwung und Positives fürs Leben mitbekommen. Sie bezeichnet sich selbst als Glückskind, obwohl sie im September 2021 die Diagnose Brustkrebs bekam. Darüber spricht sie ganz offen, denn sie möchte Frauen Mut machen, Ängste zu überwinden und zu Vorsorgeuntersuchungen zu gehen. Der Landesverband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau hat Sonya Kraus jetzt für den couragierten Umgang mit ihrer Erkrankung mit dem Katharina-Zell-Preis ausgezeichnet.
Bloß keine Phantasien
Sonya Kraus hätte das Kopfkino am liebsten ausgeschaltet. Bloß keine Fantasien und negative Gedanken zulassen, sich bloß nicht verrückt machen, auf keinen Fall in Panik geraten und denken, oh Gott, ich kann sterben. Wie wird es den Kindern gehen? „Als ich die Diagnose Brustkrebs bekam, dachte ich, das ist zu viel im Moment, ich muss pragmatisch bleiben, versuchen, die Kraft zu bewahren und die Emotionen in den Griff zu bekommen“, sagt die 49-jährige Frankfurterin.
Chaos im Kopf
Die Nachricht der Ärzte löste im ersten Augenblick bei ihr ein Chaos im Kopf aus. Bilder fliegen vorbei. Gedanken schießen durcheinander. „Ich muss die beiden geplanten Sendungen absagen.“ Über diesen Satz kann Sonya Kraus ein Jahr später lachen. Sie entschied sich auf Raten der Ärzte für eine Chemo-Therapie und ließ sich beide Brüste abnehmen. „Mein zweiter Vorname ist Offenheit“, sagt die Künstlerin, die alle an ihrem Schicksal teilhaben ließ. In der Sendung „Showtime of my life“ und in Talk-Shows sprach sie über ihr Schicksal, ihre Gefühle und darüber, wie wichtig es ist, zu Vorsorgeuntersuchungen zu gehen. Für diesen couragierten und offensiven Umgang mit ihrer Brustkrebserkrankung hat Sonya Kraus am 13. Oktober in Frankfurt den Katharina-Zell-Preis erhalten.
Preis für engagierte Frauen
Der Landesverband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V. verleiht diesen Preis jedes Jahr an eine Frau aus Kirche, Diakonie und Gesellschaft, die sich in besonderer Weise engagiert hat und mit ihrem unerschrockenen Handeln ein Vorbild für andere ist. Der Preis in Form eines silbernen Flugblattes ist benannt nach der Reformatorin Katharina Zell, die Zeit ihres Lebens für ihre Überzeugungen kämpfte. „Noch immer sterben jährlich 18.000 Frauen in Deutschland an Brustkrebs. Aufgrund der mit der Coronapandemie verbundenen Situation in Krankenhäusern und Lieferproblemen von Medikamenten ist die Todesrate wieder angestiegen“, so Anja Schwier-Weinrich, geschäftsführende Pfarrerin im Frauenverband. „Mit ihrer entschiedenen Haltung für Vorsorgeuntersuchungen macht Sonya Kraus vielen Frauen Mut – mehr als 150.000 Fans folgen ihr auf Instagram. Damit ist sie ein starkes Vorbild, vor allem für junge Frauen.“
Bösatiger Tumor
Sonya Kraus‘ bösartiger Tumor wurde früh erkannt, der Brustkrebs hatte nicht gestreut und konnte entfernt werden. „Ich habe mich gleich in Aktionismus gestürzt“, sagt sie. Wo gibt es Spezialisten? Wer ist zuständig in der Uni-Klinik? Wie bekomme ich schnell Termine? Diese konkreten Fragen und ihr Tatendrang seien eine gute Ablenkung gewesen. „Nichts ist schlimmer, als wenn sich das ganze Universum um einen selbst dreht und man zuhause auf dem Sofa liegt und Wunden leckt.“ Während der Therapie hat Sonya Kraus im Chemoraum des Krankenhauses viele Frauen kennengelernt. Manche hätten viel Kraft gehabt, andere eine Riesenangst vor der ersten Behandlung. Einige Frauen seien während der Chemo sogar Vollzeit arbeiten gegangen. „Ablenkung ist wichtig. Für mich hat das funktioniert“, sagt sie. Es gebe kein Patentrezept, jede Frau müsse ihren eigenen Weg finden. Sie wollte, dass alles so normal wie immer ist. „Deshalb habe ich auch während der Chemo unter der Maske roten Lippenstift aufgetragen, Selbstbräuner aufgelegt und, als die Haare ausfielen, künstliche Wimpern geklebt, damit ich nicht so krank aussehe“, meint die Mutter zweier Söhne.
Gedanke an die Kinder
Der Gedanke, wie wird es den Kindern gehen, sei für sie besonders schlimm gewesen. Anfangs habe sie nur ihren Mann involviert und den Söhnen erst nach der OP gesagt, Mama hat ein Knötchen in der Brust und bekommt einen neuen Busen. Doch es habe nach der ersten OP Hämatome gegeben und sie musste erneut ins Krankenhaus. „Meine Kinder hatten Verlustängste. Dass sie das durchleiden mussten, hat mir das Herz gebrochen“, sagt sie und schiebt nach: „Aber das macht resilient und stark. Wir können unsere Kinder nicht in Watte packen.“
Schwungholen für die Bergtour
„Jede Talfahrt ist das Schwungholen für die Bergtour“, hat Sonya Kraus einmal gesagt. Sie erinnert damit an Schicksalsschläge, die „mir gezeigt haben, was echte und unechte Probleme sind. Mein Vater hat sich das Leben genommen und mein Bruder starb, als ich sechs Jahre alt war. Ich war auch in Thailand beim Tsunami, da ging es für andere um Leben und Tod.“ Aufgrund dieser traumatischen Erlebnisse habe sie ein Gerüst entwickelt und ihre Resilienz, die innere Widerstandskraft und Fähigkeit, mit schwierigen Lebenssituationen umzugehen, gestärkt. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man in einer Krise wachsen und sie überwinden kann.“ Statistisch bekomme eine von sieben Frauen die Diagnose Brustkrebs. Sonya Kraus kennt sechs Frauen, die betroffen sind. „Eine meiner Freundinnen ist gestorben. Die Kommunikation unter Frauen ist essenziell. Ich habe mit vielen darüber gesprochen, wie das Leben nach einer Mastektomie und mit künstlichen Brüsten aussieht. Das hat mir Mut gemacht. Dass ich immer pünktlich zu den Untersuchungen gegangen bin und mein bösartiger Tumor früh entdeckt wurde, verdanke ich auch den Gesprächen mit meinen Freundinnen.
Die Community und die Gebetsschwestern
In den sogenannten Sozialen Medien spricht Sonya Kraus ihre Community manchmal mit „Liebe Gebetsschwestern“ an, sie ruft „Halleluja“, wenn sie sich freut und sie sagt, sie habe sich „im Gottvertrauen fallen lassen“, nachdem die Ärzte für sie den besten Behandlungsweg gefunden hätten. Findet sie in der Religion und im Glauben Kraft? „Mein Glaube manifestiert sich nicht in der Person einer Gottheit. Ich erstarre in Ehrfurcht vor der Schönheit der Natur, glaube an das Gute, an das Universum, an das Wunder unseres Seins, eng angelehnt an die Schöpfung.“
Quelle der Resilienz ist Freundeskreis
Die Quelle ihrer Resilienz sieht Sonya Kraus vor allem im Freundeskreis. Soziale Kontakte seien wichtig und sogar gesund, sagt sie. „Meine Freunde sind meine ausgewählte Familie.“ Die Krebserkrankung habe ihr gezeigt, dass es im Leben keine Garantie für irgendetwas gebe. „Ich möchte nicht mehr so viel auf später verschieben, sondern die Pläne jetzt mit meinen Kindern, mit meiner Familie und Freunden umsetzen“. Was auch immer passiert, ich versuche die Situation anzunehmen und sie zu umarmen und das Beste daraus zu machen. Es ist wie es ist.“
Der Katharina-Zell-Preis
Mit dem Katharina-Zell-Preis zeichnet der Landesverband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V. jedes Jahr eine Frau aus Kirche, Diakonie und Gesellschaft aus, die sich in besonderer Weise engagiert hat. Der Preis in Form eines silbernen Flugblattes ist benannt nach der Reformatorin Katharina Zell, die Zeit ihres Lebens für ihre Überzeugungen kämpfte. Sie schrieb theologischen Streitschriften, setzte sich für Flüchtlinge ein und gründete eine Akademie für junge protestantische Theologen. Mehrfach wurde sie unter Schweigearrest gestellt, doch sie ließ sich den Mund nicht verbieten – mittels Flugblätter brachte sie ihre tiefe Überzeugung eines liebenden Gottes zu den Menschen. Zu den Preisträgerinnen der vergangenen Jahre zählt u.a. die Ärztin Kristina Hänel, die sich konsequent und unerschrocken für die Abschaffung des §219a StGB eingesetzt hat.
Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V. (EFHN)
Der Landesverband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V. ist ein Mitglieder- und Dachverband für Frauen- und Familienarbeit auf dem Gebiet der hessen-nassauischen Kirche. Der Verband ist die Stimme evangelischer Frauen in Kirche und Gesellschaft. Er fördert und unterstützt die Arbeit von und mit Frauen in kirchlichen Bezügen und ermutigt Frauen, in der heutigen Welt als Christinnen zu leben. Mit frauenspezifischer Kompetenz und Sicht setzt der Verband theologische, spirituelle, sozialdiakonische und politische Impulse.
Zum Landesverband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V. gehören 190 Mitgliedsgruppen, 80 Kirchengemeinden, 14 Frauenverbände und 370 Einzelmitglieder.
[Mareike Rückziegel]