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Nachfahren von Juden sprechen mit Schülern

Stolpern über die Geschichte

Matthias PierenShimon Herz (links) appelliert an Schülerinnen und Schüler des Kaiser-Friedrich-Gymnasiums, den Mund aufzumachen angesichts von Rassismus und Antisemitismus.

BAD HOMBURG. Zum zweiten Mal wurden in Bad Homburg Stolpersteine in Erinnerung an deportierte und ermordete Juden verlegt. Am Vorabend der Verlegung sprachen Schüler des Kaiserin-Friedrich-Gymnasiums mit Nachfahren der Opfer.

Lutz Neumeier ist Pfarrer in den Kirchengemeinden Lich und Nieder-Bessingen. Nach langen Jahren ist er wieder an sein altes Gymnasium zurückgekehrt. Doch es war keine Einladung zu einem Klassentreffen am Kaiserin-Friedrich-Gymnasium (KFG), die ihn nach Bad Homburg geführt hatte. Neben ihm sitzt sein Bruder Klaus auf dem Podium der KFG-Aula. Auch er ist Pfarrer, in der Christuskirchengemeinde Bad Vilbel. Beide Seelsorger berichten als Nachfahren eines Bad Homburger Juden heutigen Schülern von ihren Erinnerungen an ihren Großvater. Neben den beiden Brüdern waren Juden aus Frankreich und den USA gekommen, um von ihren Erinnerungen an die Schicksale ihrer Vorfahren zu berichten, die während der NS-Zeit in Konzentrationslagern ermordet wurden.

Ludwig Neumeier schaffte es nicht

Ludwig Neumeiers jüdische Eltern ließen ihren Sohn taufen. Neumeier galt gemäß der NS-Ideologie dennoch als Jude. Nach dem Pogrom von 1938 wurde er vorübergehend verhaftet. Er entschloss sich zur Emigration. Die Familie sollte in Bad Homburg bleiben, bis eine neue Heimat gefunden wäre. Doch Ludwig Neumeier schaffte es nicht. Er war 1939 in die Niederlande gegangen, um von dort aus nach Nord- oder Südamerika zu gelangen. Der Zweite Weltkrieg vereitelte diese Pläne. 1944 wurde er in Amsterdam verhaftet und ins KZ Theresienstadt gebracht. Später soll er in Auschwitz ermordet worden sein. Er wurde am 22. Dezember 1947 für tot erklärt.

Der Nachfahre appelliert an die Schüler

Moses und Sarah Sofie Herz brachte man am 28. August 1942 von Bad Homburg nach Frankfurt, vier Tage später nach Theresienstadt und weiter in das Vernichtungslager Treblinka. Am 29. September starben beide dort. Die Familie Herz gehörte zu den angesehensten Familien Homburgs. Moses Herz war der Kantor der Israelitischen Kultusgemeinde und wirkte als Lehrer und ritueller Schächter.

Nun sitzt der Enkel Shimon Herz unter den Schülern. »Nach den furchtbaren Ereignissen von 09/11 habe ich in New York oftmals Graffiti an Häuserwänden gelesen, die ich heute wichtiger denn je finde«, berichtete der Nachfahre: »If you see something, say something«, sei da zu lesen gewesen. »Wenn Ihr in Eurem Alltag irgendwelche Signale von Rassismus, Hass oder Terrorismus erlebt, sprecht darüber«, appellierte Shimon Herz. »Es darf nicht sein, dass man sich in einigen Generationen wieder fragen muss, warum denn niemand etwas gesagt hat.«

Von Matthias Pieren

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