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Pfarrer Dr. Dr. Harms feierte 65. Ordinationsjubiläum

Streitbares Bindeglied zwischen Theologie, Politik und Philosophie

Ehemaliger Polizeipfarrer Dr. Dr. Klaus Harms feiert in Mainz im Rahmen eines festlichen Gottesdienstes mit Propst Dr. Klaus-Volker Schütz sein 65. Ordinationsjubiläum.

H.WiegersPfarrer Dr. Dr. Klaus Harms (Mitte) beim Festgottesdienst zu seinem Ordinationsjubiläum mit dem Propst für Rheinhessen und das Nassauer Land, Dr. Klaus-Volker Schütz (r.), und dem Pfarrer der Evangelischen Maria-Magdalena-Gemeinde Lerchenberg/Drais, Christoph Kiworr (l.)

„Sie sind ein Hoffnungsbotschafter mit Tiefgang, Freude und Witz, der so manche Diskussion pointiert und akzentuiert zu führen weiß“, treffender, als es der Propst für Rheinhessen und das Nassauer Land, Dr. Klaus-Volker Schütz, in seiner Würdigung von Pfarrer i.R. Dr. Dr. Klaus Harms anlässlich dessen 65. Ordinationsjubiläums formulierte, lässt sich diese außergewöhnliche Theologen-Persönlichkeit wohl kaum charakterisieren. Mit einem Festgottesdienst in seiner Heimatgemeinde, der evangelischen Maria-Magdalena-Gemeinde Lerchenberg-Drais wurde die Lebensleistung des 91 -jährigen Theologen gewürdigt, der im Ruhestand zweimal ­– in Philosophie und Theologie – promoviert wurde.

Der in Freiburg im Breisgau 1928 geborene Jubilar ließ es sich wiederum nicht nehmen, die Predigt dieses Gottesdienstes am 10. Sonntag nach Trinitatis, selbst zu halten:  Eine Literaturpredigt, in deren Fokus Albert Camus‘ Roman „Die Pest“ stand, einem Klassiker, der angesichts der Corona-Pandemie erschreckende Aktualität gewonnen hat. Mit rhetorischer Eleganz und sprachlicher Eindringlichkeit wusste Klaus Harms einen Bogen von der derzeitigen Bedrückung durch die Corona-Pandemie zu der Frage zu schlagen, wie nah auch in diesen schweren Zeiten das „laute Nein“ gegen jede Ungerechtigkeit erklingen darf, wie es Camus auch in seinem nicht weniger aktuellen  Roman „Der Mensch in der Revolte“ beschreibt. - Gleichzeitig klagte der streitbare Theologe, dass „ausgerechnet in dieser Zeit, in der man zusammenhalten muss, neue braune Flecken erscheinen“ und spielte damit auf die nicht nur in Deutschland immer lauter werdenden Stimmen des Rechtsradikalismus an.

Nach dem Vikariat und Gemeindepfarramt in Berlin konnte Klaus Harms während der mehr als vier Jahrzehnte seines Pfarrdienstes zahlreiche Erfahrungen mit der harten gesellschaftlichen Realität sammeln. Dazu inspirierte ihn auch der junge Pfarrer und spätere Theologieprofessor Ernst Lange (1927-1974). Im Sinne Dietrich  Bonhoeffers verstand dieser das kirchliche Handeln und die Verkündigung „diesseitig“. Nicht nur durch Lange, sondern auch durch die spätere Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis für den interreligiösen Dialog lernte Klaus Harms, dass Kirche nur im ökumenischen Geist eine Zukunft hat.  „Kirche“, so der Theologe“, kann nur Kirche Jesu Christi sein, wenn sie die Sprache der Armen und Schwachen spricht, die 10 Gebote nicht als Druckmittel eingesetzt werden, sondern, wie sie Ernst Lange verstanden wissen wollte, als „Gebote der Freiheit“.

In Berlin konnte Pfarrer Harms danach im Sozialpfarramt bei Pfarrer Harald Poelchau, dem Seelsorger Dietrich Bonhoeffers im Gefängnis Berlin Tegel, die Umsetzung der biblischen Botschaft in die konkrete Lebenswirklichkeit lernen. Teil des Sozialpfarramtes war auch die Polizeiseelsorge. Zu deren Aufgaben zählte der sog. „berufsethische Unterricht“, die Durchführung von Tagungen und Seminaren, die Begleitung der Beamten in ihren verschiedenen Einsätzen, von Streifenfahrten bis zu Großeinsätzen. Im Rahmen dieser berufsbegleitenden Arbeit versuchte der Polizeipfarrer Harms auch zwischen den rebellierenden „68ern“ und der Polizei Brücken zu bauen. Es kam sogar zu einer Begegnung mit Rudi Dutschke aus Anlass einer Beratung mit der Evangelischen Kirchenleitung zwecks Aufhebung eines Demonstrationsverbots. Dutschkes tödliche Verletzung durch den Anschlag eines Neonazis erschütterte sowohl Studenten als auch Polizeibeamte.

Nach 1974 war Klaus Harms als Polizei- und Sozialpfarrer der EKHN in Wiesbaden und Mainz tätig.  Hier  begleitete er nicht nur wie schon in Berlin Polizisten bei ihren Einsätzen. Er  fuhr  auch mit der Bereitschaftspolizei von Mainz zu einer Demonstration gegen das Kernkraftwerk im schleswig-holsteinischen Brokdorf. Nachdem der Theologe schon in Berlin über das „Mandat der Freiheit“ eine Sozialethik der Polizei geschrieben hatte, veröffentlichte er zusammen mit dem Mainzer Theologie- und Publizistikprofessor Dr. Erhard Meueler eine Handreichung für Polizeibeamte unter dem Titel „In erster Linie die Menschenwürde“, was ihm aber auch Ärger in „höheren Kreisen“ der Polizei bescherte. Von einer konzentrierten Arbeit entweder in der Polizeiseelsorge, wie sie heute in der EKHN aufgestellt ist, konnte Pfarrer Harms nur träumen. Die Doppelbelastung, Polizei und Sozialpfarramt, brachte sowohl dem einen wie dem anderen Teil nicht die notwendige Aufmerksamkeit.  Ab 1981 war Pfarrer Harms in der Schulze-Delitzsch-Berufsschule bis zum Ruhestand 1991 als Religionslehrer tätig. Das „Prinzip Dialog“, angewandt im Religionsunterricht, hat Klaus Harms in einem „Handbuch“ für Religionslehrer 1997 beschrieben.

Im „Ruhestand“ zog es den Vater von vier Kindern, der mittlerweile auch vier Enkel und drei Urenkel hat, in die Johannes Gutenberg-Universität. Nach einem kurzfristigen Gaststudium der Religionswissenschaft und Ethnologie  promovierte er nach dem Studium der Philosophie über die Theoretikerin und Publizistin Hannah Arendt und dem Philosophen Hans Jonas. Titel der Promotionsarbeit von 2003 war „Hannah Arendt und Hans Jonas: Grundlagen einer philosophischen Theologie der Weltverantwortung“. Es folgte eine erneute Hinwendung zum Fach Theologie. Hier promovierte er als 79-jähriger über das Thema „Vor Gott ohne Gott. Freiheit, Verantwortung und Widerstand im Kontext der Religionskritik bei Dietrich Bonhoeffer und Jean Paul Sartre.“ Klaus Harms „steht dafür“, so Propst Dr. Klaus-Volker Schütz, „dass christliches Leben mehr als Gefühl ist, weil es auch auf dem systematischen Nachdenken und Ringen und Forschen und Diskutieren der Generationen vor uns ruht.“

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