Ankommen im Herzensberuf
Sven Rathmann ist der Neue in der Mittleren Wetterau
Ines DauernheimPfarrer Sven Rathmann hat viele Ideen und hofft, sie mit den Menschen in und um Reichelsheim umsetzen zu können.11.07.2024 ahrt Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Text: Ines Dauernheim
"Pfarrer ist mein Herzensberuf", sagt Sven Rathmann. Bis vor Kurzem war er noch Vikar in der Christuskirchengemeinde Bad Vilbel. »Die Ausbildungszeit sollte auch mal enden, die ist für uns ewig lang.« Daher hat er auf ein sechsmonatiges Spezialvikariat verzichtet. Sein Ziel: Endlich als Pfarrer wirken.
Der Weg dahin war etwas länger, was mit seinem Wissensdurst zusammenhängt. »Als Abiturient war Pfarrer für mich eine Art Sehnsuchtsberuf, den ich auch abschreckend fand.« Der Verantwortung, die er von den jungen Pfarrern kannte, mit denen er in Jugendgruppen auf Reisen war, fühlte er sich nicht gewachsen.
Pfarrer statt Lehrer
Was mit Glaube sollte sein Beruf zu tun haben. Rathmann studierte Lehramt (evangelische Religion, Latein und Geschichte), nach drei Jahren, als fast alle Prüfungen absolviert waren, fiel der Entschluss: »Ich will noch mehr lernen.« Die Theologie als Wissenschaft reizte ihn. Also wechselte er in den Masterstudiengang »Theologie«.
Im Praktikum in Offenbach »in einer ganz jungen Gemeinde, die gerade fusioniert hatte und mit der Nachbarschaft Gemeinschaft lebte«, machte es Klick. »Da merkte ich, so furchteinflößend ist der Pfarrerberuf gar nicht.« Also stellte er die Weichen, um Pfarrer zu werden. Als er sein Examenszeugnis in den Händen hielt, bot sich die nächste Chance: Eine Stelle an der Uni am Lehrstuhl für Kirchengeschichte, um zu forschen. Drei Jahre ging er der Frage nach, wie in der 1848er Zeit Kirche und Demokratie zusammenpassten. »Das passt bis heute nicht ganz zusammen, Demokratie ist demokratischer.« Rathmann nennt ein Beispiel: »Kirche definiert sich noch zu sehr über Gottesdienste und die sind zu oft eine One-Man-Show«. Seine Promotion ist zu mehr als 80 Prozent geschrieben, ruht aber, da der Einstieg ins Leben als Pfarrer Vorrang hat.
Ideen hat er viele und hofft, sie mit den Menschen in und um Reichelsheim umsetzen zu können. »Die Heuchelheimer Kirche kann ein idealer Ort für Taizé-Gottesdienste werden oder ein Raum für spirituelle Angebote, wo zusammen geschwiegen wird«, überlegt er.
Taufe gleich zu Beginn
Erst einmal ist er gespannt darauf, wie die Gemeinde tickt. »Bisher kenne ich nur den Kirchenvorstand, die Ehrenamtlichen sind mir sehr positiv aufgefallen.« Klar ist, dass er bald die ersten Kinder taufen wird. »Schon am zweiten Tag hier hatte ich abends ein Taufgespräch«, erzählt er. »Der erste Anrufer auf meinem neuen Diensthandy am Montag war ein Vater, der nach einer Taufe fragte.« Taufe sei etwas, was richtig gut funktioniere. »Das ist ein starkes Medium, das wir bieten können. Damit geben wir den Menschen Chancen das Leben zu deuten.«
Der junge Pfarrer will an die Menschen denken, die der Kirche die Treue halten. »Wir verlieren als Kirche im Jahr vier Prozent der Mitglieder, aber 96 Prozent bleiben bei uns, die interessieren mich.« Die Angebotsvielfalt ist riesig. »Als Kirche nehmen wir an dem Markt der Möglichkeiten teil, der so groß ist wie nie.« Die Kirche müsse sich fragen, warum klassische Gottesdienste immer weniger besucht werden. Rathmann ist überzeugt, dass Kirche auch heute noch gut zu den Menschen passt. Sie müsse sich ändern und auch mal den Blickwinkel wechseln. »Ist es noch verständlich, was in den Gottesdiensten passiert? Sind Kirchen einladend? Wie riecht es? Wie ist die Beleuchtung? Wie werden die Menschen begrüßt?«, zählt er auf und schaut zum Eingang der Heuchelheimer Kirche. »Links können wir einen Stehtisch aufstellen, mit einer Husse überziehen und uns nach dem Gottesdienst dort unterhalten.«
Wenn es nach ihm geht, werden die Gottesdienste kürzer. »Eine Predigt dauert acht bis neun Minuten, dann lässt die Aufmerksamkeit nach.« Wie lange ein Gottesdienst geht, möchte er vorab ankündigen. »Bei der Yoga-Stunde, dem Fußballtraining ist auch vorher bekannt, wann Schluss ist.« Die Menschen, die in die Kirche kommen, sollen mit einer guten Erinnerung nach Hause gehen. »Gottesdienst ist dann schön, wenn verständliches Raum hat, unbekanntes einem einleuchtet«, sagt er. Was nicht fehlen darf: »Gesang hat die Kraft Gemeinschaft zu stiften und Gemeindegesang macht Spaß.«
Verpflichtet in seine neuen Aufgaben als Pfarrer wird Sven Rathmann in einem festlichen Gottesdienst am Sonntag, 15. September, 14 Uhr in der Reichelsheimer Laurentiuskirche. In diesem Gottesdienst wird er von Pröpstin Anke Spory ordiniert und bekommt den persönlichen Segen zugesprochen.
Pfarrer mit Tuba
Sven Rathmann ist 34 Jahre alt, verheiratet und Vater eines fast vierjährigen Sohnes. Aufgewachsen ist er in Hanau-Steinheim, wo er im Mehrgenerationenhaus der Familie noch so lange lebt, bis die künftige Wohnung im Reichelsheimer Pfarrhaus renoviert ist. Musik ist sein großes Hobby. Viele Jahre hat er im Landesjugendblasorchester gespielt und junge Musiker ausgebildet. Als Tuba-Spieler und -Lehrer hat er sich sein Studium finanziert. Derzeit musiziert er in drei Ensembles: dem Jugendorchester der katholischen Kirche Meerholz-Hailer, der Brassband Esbrassivo und der Spaß-Combo »Blech-Chaoten«.