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Synode

Synode setzt Schwerpunkt beim Thema Pflege

© Rolf Oeser / fundus.ekhn.deEine Ärztin in weißer Kleidung mit blauen Einweg-Handschuhen legt einer im Krankenbett liegenden Patientin eine Infusion in den Handrücken.Symbolbild Pflege mit Darstellern aus einer Bildungseinrichtung für Pflegeberufe in Frankfurt.

Wie kann sich die Situation in der Pflege verbessern? Dieser und weiteren Fragen widmete sich die Synode des Evangelischen Dekanats Wetterau bei ihrer Frühjahrstagung. Ein inhaltlicher Schwerpunkt lag auf der aktuellen Situation in der Alten- und Krankenhauseelsorge.

HortienProf. Dr. Jonas Hagedorn (Jun.-Prof. für Sozialethik an der Ruhr-Universität Bochum) referiert zum Thema Pflege- und Versorgungsnotstand.

 Viele Pflegedienste und Einrichtungen sind am Limit. Schichten sind unterbesetzt, Pflegekräfte arbeiten an ihrer Belastungsgrenze und darüber hinaus. Es herrscht vielerorts ein „Pflegenotstand“ – auch in Einrichtungen kirchlicher Wohlfahrtsverbände wie der Diakonie. Die Folgen: Klient*innen und Patient*innen, die nicht die Versorgung erhalten, die sie erwarten können; Beschäftigte auf nahezu allen Ebenen, die entgegen den erlernten und verinnerlichten Professions- bzw. Berufsstandards, den eigenen Ansprüchen und dem institutionellen Selbstverständnis, arbeiten müssen oder, als Konsequenz, den Beruf verlassen, berichtete Prof. Dr. Jonas Hagedorn (Jun.-Prof. für Sozialethik an der Ruhr-Universität Bochum), der im Bürgerhaus Gambach zu Gast war.

"Kostenkrankheit" und "Trilemma" der Pflege

Er sprach von der „Kostenkrankheit“, definiert durch William J. Baumol: Während im verarbeitenden Gewerbe, in großen Fabriken vieles automatisiert und menschliche Arbeit durch Maschinen oder Roboter ersetzt wird, sind soziale Dienstleistungen wie die Pflege weitgehend rationalisierungsresistent. „Eine physische Anwesenheit, ungeteilte Aufmerksamkeit und kommunikative Zugewandtheit gehören zum spezifischer Charakter der Pflegearbeit“, so Hagedorn. Damit sind Arbeitsproduktivitäten in personenbezogenen Dienstleistungen stark abweichend von denen im verarbeitenden Gewerbe.

In Branchen mit Produktivitätszuwächsen können Löhne steigen und Arbeitsbedingungen verbessert werden, ohne dass die Gewinnmarge rückläufig ist oder der Preis ansteigt. In der Pflege fehlt ein solcher Produktivitätszuwachs. Trotzdem besteht eine Kopplung beider Sektoren: „Die Vergleichbarkeit mit Löhnen und Arbeitsbedingungen in der Industrie ist notwendig“, so Hagedorn.

Das gehe nicht ohne einen Anstieg der Arbeitskosten und eine Verteuerung der personenbezogenen Dienstleistungen. Das „Trilemma der Pflege“ bewege sich zwischen den Zielen einer erschwinglichen Pflege (relative Verteuerung verhindern), einer fürsorglichen Pflege (personalen Interaktionscharakter realisieren) und einer gerechten Pflege (Arbeitseinkommen und -bedingungen mit denen der Gesamtwirtschaft vergleichbar halten). Die Realisierung zweier dieser Punkte gehe immer zulasten des jeweils dritten.

Ökonomie versus Theologie

Bis heute haben konfessionelle bzw. kirchliche Wohlfahrtsverbände wie die Diakonie und die Caritas eine zentrale Stellung. Hagedorn bescheinigt ihnen eine ‚marktbeherrschende‘ Größe und Einflussmöglichkeiten. Gleichzeitig trete immer mehr die ökonomische Expertise in den Vordergrund. Das theologische (Aufgaben-)Profil trete hingegen in den Hintergrund. Die Ansprüche der Ökonomie und die Ansprüche der Theologie auszubalancieren, stehe noch aus.

Es sei nötig, einen gemeinsamen Prozess zu initiieren, der fragt wohin sich öffentliche Daseinsvorsorge entwickele. Es brauche eine klare und gemeinsame Positionierung gemeinwohlorientierter Akteure. "Kirchliche Wohlfahrtsverbände müssten sich sammeln und zentrale politische Akteure im Einsatz für eine faire Gestaltung der Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitsbedingungen in den sozialen Dienstleistungen sein“, so Hagedorn. „Nicht nur als Lobbyistinnen in eigener Sache, sondern gemeinwohlorientiert.“

Austausch in Kleingruppen

Im Anschluss waren die Synodalen zu einem Austausch in Kleingruppen eingeladen. Dabei ging es vor allem um die Frage, was Verantwortliche der Kirche bzw. des Dekanats beim Thema Pflege- und Versorgungsnotstand tun können und müssen. Die Ideen waren vielfältig: vom Errichten runder Tische in den Nachbarschaftsräumen bis hin zu einer Stärkung der häuslichen Pflege oder auch dem Zweifel, ob Kirche überhaupt etwas tun könne.

Diese Zweifel teilt Hagedorn nicht: Die Verantwortlichen in Kirchengemeinden und Dekanten müssten „ihre“ Wohlfahrtsverbände, an die sie einstmals ihre diakonia, den Dienst am Menschen, delegiert haben, als Brücken in die Gesellschaft verstehen, über die kirchlicher Lebens- und Wesensvollzug in der Gesellschaft ‚ankommt‘. „Den Verantwortlichen der Kirchen müsste also sehr daran gelegen sein, dass die Einrichtungen der Diakonie und Caritas im Sinne aller Betroffenen gute und faire Bedingungen aufweisen.“

Aktion zum Internationalen Tag der Pflege

Auf dieses Thema weiter aufmerksam machen wollen die Seelsorger*innen im Dekanat beim internationalen Tag der Pflege am 12. Mai. Sie beteiligen sich an einer Aktion der Diakonie Hessen. Unter dem Leitsatz „Es ist 5 nach 12 und Zeit zu handeln“ werden Verantwortliche aus Kirche und Politik Pflegeeinrichtungen in der Wetterau besuchen.

Zudem wurde ein Antrag an die gesamtkirchliche Synode gestellt, mit der Bitte noch einmal neu über die nicht budgetierbaren Stellen im Bereich Klinikseelsorge inhaltlich zu beraten und über deren Bemessung und Zuteilung zu beschließen. Hintergrund ist die im Prozess ekhn2030 geplante starke Reduzierung von Stellen im Bereich Klinik- und Altenseelsorge.

Begegnungsabend für Pflegekräfte geplant

Am 16. Mai lädt die Klinik- und Altenseelsorge im Dekanat darüber hinaus gemeinsam mit weiteren Partnern Pflegekräfte zu einem Begegnungsabend nach Friedberg ein. Mit dabei sein wird Poetry-Slammerin Leah Weigand („Ungepflegt“). Unter dem Motto eines „gepflegten Feier-Abends“ wird es die Möglichkeit zum Austausch bei Essen und Trinken geben. Weitere Informationen gibt es in Kürze auf dieser Seite.

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