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Kirchenpräsident Jung und Bischof Hein erstmals Gäste bei einem muslimischen Freitagsgebet Prediger für ein aufmerksames und tolerantes Miteinander der Religionen

Tag des Dialogs zeigt viele gemeinsame Vorstellungen über den evangelischen und den islamischen Religionsunterricht

Frankfurt am Freitag, 6. November 2009. Erstmals haben Dr. Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), und Dr. Martin Hein, Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), an einem muslimischen Freitagsgebet teilgenommen. Es fand in der altehrwürdigen Aula der Frankfurter Universität statt und wurde von der islamischen Hochschulgemeinde veranstaltet. Die Predigt hielt in deutscher Sprache der interreligiöse Beauftragte der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen (IRH) Mahmut Aj. Er benannte Unterschiede und Gemeinsamkeiten der drei monotheistischen Religionen und sprach sich für ein aufmerksames und tolerantes Miteinander der Religionen in der Gesellschaft aus. Allen gemeinsam sei die persönliche Orientierung des eigenen Lebens an Gott und der aus dem Glauben erwachsende Auftrag, zum Wohl der Menschen beizutragen. Fundamentalisten seien eigentlich Feinde ihrer Religion. Islamisten rissen einzelne Sätze des Koran aus ihrem Zusammenhang und interpretierten sie falsch.

Anlass für den Besuch von Jung und Hein war der Tag des Dialogs, der in den vergangenen vier Jahren bereits unter dem Namen Tag der Religionen mehrfach Spitzenvertreter der evangelischen Kirchen und islamischer Verbände in Hessen zusammengeführt hatte. Thema des diesjährigen Tags, der in der Frankfurter Universität stattfand, war der islamische Religionsunterricht.

Übereinstimmung bei Lehrinhalten, Pädagogik und Ausbildung der Lehrkräften

Bei einer Pressekonferenz zogen Hein, Jung und der Vorsitzende der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen (IRH) Ramazan Kuruyüz - andere Verbände waren zum Tag des Dialogs in diesem Jahr nicht erschienen – ein gemeinsames Fazit. Ein islamischer Religionsunterricht sei „in Deutschland überfällig“. Der Tag des Dialogs habe „eine weitgehende Übereinstimmung über die Lehrinhalte, die Pädagogik und die Ausbildung der Lehrkräfte für das Fach Religion“ gezeigt. Voraussetzung für einen islamischen Religionsunterricht seien deutsche staatliche Lehrpläne, in Deutschland ausgebildete akademische Lehrkräfte und die Unterrichtssprache Deutsch.

Religion von innen heraus verstehen und vermitteln

Kirchenpräsident Jung betonte die gemeinsame Überzeugung aller Beteiligten, dass der Religionsunterricht keine neutrale Religionskunde sein solle sondern ein bekenntnisorientiertes Fach Religion. Es sei zuwenig, die Inhalte von Religionen „auf Abstand darzustellen“. Man müsse sie „von innen heraus verstanden und erlebt haben, um sie vermitteln zu können“. Dabei dürfe der Religionsunterricht „keine Indoktrination“ sein sondern müsse erfahrungsbezogen und offen Inhalte ansprechen. Zudem müsse er dialogisch und interreligiös ausgerichtet sein. Dabei sprach er sich zugleich gegen einen gemeinschaftlichen Unterricht als Regelfall aus: „Es braucht Vergewisserung der eigenen Identität und dann auch gemeinsame Zeiten des Austauschs.“

Religionsunterricht ist Wertevermittlung zum Wohl der Gesellschaft

Der Vorsitzende der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen (IRH) Ramazan Kuruyüz sprach sich ebenfalls für einen bekenntnisorientierten Religionsunterricht aus und bezeichnete ihn als „beste Wertevermittlung zum Wohl der Gesellschaft“. Er betonte die Bedeutung des Faches für die Integration muslimischer Kinder. Es werde ihre Sprachfähigkeit bezüglich ihrer eigenen religiösen Überzeugungen und Traditionen gegenüber den deutschen Mitschülern erhöhen. Das sei dann auch für das akademische Milieu in Deutschland wünschenswert, wo Muslime bislang unterrepräsentiert seien.

Religionsunterricht leistet Beitrag zur Integration

Bischof Hein warnte davor, dass an den Rand gedrängte Religion die Gefahr des Fundamentalismus erhöhe. Umgekehrt liege „im Ernstnehmen der Religion auch ein Stück ihrer Domestizierung“. Wenn die Religionen in die Gesellschaft fest integriert seien, verlören viel von ihrem Bedrohungspotenzial. Zur Integration könne der staatliche Religionsunterricht einen wichtigen Beitrag leisten. Dies, so gab Hein zu, koste Geld. Doch Geld, das in religiöse Bildung investiert werde, sei gut investiertes Geld. Hein äußerte die Hoffnung, dass die Islamische Religionsgemeinschaft Hessen (IRH) beim Runden Tisch für den Religionsunterricht, den die Landesregierung einberufen hat, in Zukunft einbezogen werde. Bislang ist das nicht der Fall. Die türkische DITIB vertritt dort die Muslime.

Offener Dialog auf Augenhöhe

Der Tag des Dialogs (bislang unter dem Namen Tag der Religionen) findet seit 2005 statt. Unter dem Eindruck der Kopftuchdebatte entstand der Wunsch, ehrlich, kritisch und auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch zu kommen und mithilfe kompetenter Fachleute und offene Fragen zu klären. 2006 und 2007 ging es um das Verhältnis von Staat und Kirche beziehungsweise Religionsgemeinschaften. 2008 stand Mission und Religionsfreiheit auf der Tagsordnung. Dabei gestanden sich in der „Kasseler Erklärung“ erstmals die türkische DITIP und die IRH sowie die evangelischen Kirchen das Recht zu, die eigenen Überzeugungen durch Mission zu verbreiten und ihren Mitgliedern einen Religionswechsel zu gestatten. Die Veranstaltungen finden bislang in Räumen einer Universität und damit auf neutralem Boden statt. Bislang waren das Darmstadt, Kassel und nun Frankfurt.
Frankfurt, 6. November 2009

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